Dresden gilt als Perle des Barock und manchen gar als schönste Stadt der Europas. Als Kulturhochburg zieht die sächsische Landeshauptstadt jährlich Touristenmassen mit einer Stückzahl in Millionenhöhe an. Aus aller Welt kommen Menschen, um sich das „Elbflorenz“ anzuschauen: den Zwinger, das Grüne Gewölbe, die hochsymbolische Frauenkirche. Aber ist Dresden auch ein gutes Ziel für einen Städtetripp mit der Familie? Wir haben die Probe aufs Exempel gemacht.

Es ist Samstag, der erste richtig heiße Tag des Jahres. Während die Dresdener selbst die Elbe zum Freibad umfunktionieren und ihre Kinder durch sämtliche Springbrunnen toben, kommen wir unserer Touristenpflicht nach und schleppen uns zum Theaterplatz. Hier nämlich sind wir mit Christina Avdi verabredet. Die Stadtführerin zeigt uns die architektonischen Schätze der Altstadt und kann von vielen Merkwürdigkeiten aus der langen Stadtgeschichte berichten. Mit von der Partie: Familie Weltwunderer, die Neuseeland-Blogger, die hin und wieder auch über ihre Heimatstadt schreiben und hier die Geschichte aus ihrer Sicht erzählen.

Dass Dresden Florenz so ähnlich sieht, liegt auch daran, dass Italiener es erbaut haben.

Dass Dresden Florenz so ähnlich sieht, liegt auch daran, dass Italiener es erbaut haben.

Doppelt und dreifach erbaut:
die Semper-Oper

Christina manövriert uns in den Schatten, und schon sind wir mittendrin in der Stadtgeschichte. Wir erfahren, dass auf diesem Platz einst das „italienische Dörfchen“ der Bauarbeiter stand, die den Hausmannsturm und andere Bauten der Renaissance in Dresden errichteten – angesiedelt aus Bequemlichkeit des Baumeisters, damit der kein Deutsch lernen musste. Heute steht hier die berühmte Semperoper mit der Quadriga, die – die Kinder raten vergeblich – weder von Pferden noch von Löwen, sondern von vier schwarzen Panthern gezogen wird. Bereits kurz nach seiner Eröffnung musste das Opernhaus schon wieder neu aufgebaut werden: Das Reinigungspersonal kannte sich mit den hochmodernen Gaslampen nicht aus und zündete sich gegen den unangenehmen Geruch bei Reparaturarbeiten ein Räucherstäbchen an… Da Gottfried Semper zu dieser Zeit bereits anderweitig schwer beschäftigt war (und außerdem wegen seiner Beteiligung an den Aufständen von 1848/49 „Hausverbot“ in Sachsen hatte), übertrug er seinem Sohn Manfred die Bauleitung. Ganz aus der Hand geben mochte er die Arbeit jedoch nicht. Der Vater entschied selbst über jedes Detail, mehr als 3000 Briefe schrieben die beiden hin und her. Das sollte sich gut hundert Jahre später als nützlich erweisen, als es galt, die Semper-Oper nach dem zweiten Weltkrieg ein drittes Mal aufzubauen.

Zum dritten Mal erbaut: die Semper-Oper mit der Panther-Quadriga.

Zum dritten Mal erbaut: die Semper-Oper mit der Panther-Quadriga.

Die Party-Location des Barock: der Zwinger

Die großen Sehenswürdigkeiten der Altstadt befinden sich alle in unmittelbarer Nachbarschaft zu einander. Über abgelatschte Füße muss sich deshalb auf dieser Stadtführung niemand beklagen. Bis zum Zwinger sind es nur ein paar Schritte. „Habt ihr vielleicht eine Idee, warum das hier Zwinger heißt?“ fragt Christina. Silas denkt martialisch ans Bezwingen und hat damit sogar Recht: Ursprünglich war die weitläufige Anlage als Teil der Festung zwischen innerer und äußerer Stadtmauer gedacht, um etwaige Eindringlinge in die Zange zu nehmen. Eine militärische Funktion hat Dresdens Zwinger aber nie gehabt. Stattdessen diente er 1719 als Kulisse für die ausufernde Hochzeitsfeier des angehenden Kurfürsten Friedrich August II. mit Maria Josepha von Österreich. Einen Monat lang wurde exzessiv gefeiert. Eine sehr zweifelhafte Art, die Gäste zu belustigen, beschreibt unsere Stadtführerin auf anschauliche Weise und treibt damit den Kindern eine Gruselgänsehaut über den Rücken: Im Innenhof ließ man Bären und Raubkatzen frei, die die Herren dann zur Freude der Damen von der Balustrade aus erschossen. August der Starke, Vater des Bräutigams, bewies seine weit gerühmten Kräfte, indem er an einem einzigen Tag einer dreistelligen Zahl von Füchsen und Katzen das Rückgrat brach. Heute beherbergt der Zwinger mehrere Museen und Sammlungen von Weltruf.

Christina Avdi vermittelt die Geschichte des Dresdener Zwingers so, dass auch die Kinder gebannt zuhören.

Christina Avdi vermittelt die Geschichte des Dresdener Zwingers so, dass auch die Kinder gebannt zuhören.

Ein Schloss mit 35 Herrschern und einer Badewanne für Pferde

Noch mehr davon gibt es im Residenzschloss, das wir als nächstes unter die Lupe nehmen – nur von außen allerdings. Die Jungs fasziniert die „Pferdebadewanne“: ein gemauertes Becken mit Schräge, in dem die kurfürstlichen, später königlichen Kutschpferde nach dem Einsatz gesäubert wurden. An der Rückseite des Stallhofs begegnen wir dem Fürstenzug. 35 Herrscher aus dem Hause Wettin geben sich hier die Ehre, verewigt auf rund 23.000 Fliesen aus Meißener Porzellan. Christina könnte wohl über jeden einzelnen aus dem Nähkästchen plaudern, doch wir beschränken uns auf die schillerndsten Persönlichkeiten. Die skurrilsten Geschichten gibt es freilich von Augsut dem Starken zu hören, aber wir freuen uns auch über ein Wiedersehen mit König Johann, dessen Bekanntschaft wir schon zu früherer Gelegenheit auf Schloss Weesenstein gemacht haben.

Vom Mittelalter bis ins Jahr 1905 sind alle 35 Wettiner Herrscher auf dem gut hundert Meter langen Fürstenzug aneinandergereiht.

Vom Mittelalter bis ins Jahr 1905 sind alle 35 Wettiner Herrscher auf dem gut hundert Meter langen Fürstenzug aneinandergereiht.

Voller Symbolkraft in die Zukunft:
die Frauenkirche

Das nächste Schattenplätzchen finden wir vor der Frauenkirche. Beeindruckt nehmen unsere Jungs zur Kenntnis, dass George Bähr, der Erbauer dieses bedeutenden Sakralbaus, eigentlich ein einfacher Zimmermann war. Er studierte Mechanik in Eigenregie, besaß aber nicht einmal einen Meisterbrief. Stattdessen überzeugte er als Macher, zimmerte etliche Dorfkirchen, Schlösschen und Palais. Schließlich wurde er – immer noch ohne die notwendigen Qualifikationsnachweise – als Ratszimmermeister berufen und reformierte die evangelische Sakralbauweise. Als sein Hauptwerk nach seinem Tod vermessen wurde, zeigte sich, dass die Kuppel der Dresdener Frauenkirche nur 2 Millimeter aus dem Lot ragt – unter den damaligen Bedingungen eine absolute Glanzleistung.

Das vorläufige Ende der Kirche führt uns freilich in das wohl düsterste Kapitel der Stadtgeschichte. Als in der Nacht zum 14. Februar 1945 britische und amerikanische Bombenflieger die mit Flüchtlingen angefüllte Stadt in Schutt und Asche legen, harren 300 Frauen und Kinder in den Gewölben der Unterkirche aus. Mehr als 1000 Grad heiß tobt der Feuersturm über der Erde. Am Morgen steht am Neumarkt kein einziges Haus mehr. Nur die Kuppel der Frauenkirche prangt schwarz und verkohlt über dem Platz. Alle 300 Schutzsuchenden können aus den Kellern gerettet werden. Erst am nächsten Tag stürzt die Kuppel mit einem dumpfen Knall in sich zusammen.

Aber Christinas Erzählung handelt nicht nur vom Untergang, sondern auch von Neuanfang und Versöhnung. Nach der Wende wurde der Wiederaufbau der Kirche als symbolischer Akt durch private Spenden verwirklicht. Großzügigster Einzelspender war dabei Günter Blobel, der seinen Medizin-Nobelpreis für den Aufbau zur Verfügung stellte. Als Neunjähriger hatte er die Zerstörung Dresdens als Flüchtling mit angesehen und nie wieder vergessen. Noch symbolträchtiger ist das Kreuz, das die Kuppel weithin sichtbar ziert. Es ist ein Geschenk der englischen Stadt Canterbury, angefertigt vom Sohn eines der Bombenpiloten jener schlimmen Nacht.

Da sind wir extra von weither angereist, und dann ist Dresden voller Touristen von anderswo...

Da sind wir extra von weither angereist, und dann ist Dresden voller Touristen…

Wir verabschieden uns von Christina, beeindruckt von ihrer Erzählkraft und von der Geschichte der Stadt Dresden. Trotzdem verlassen wir die Altstadt auf direktem Weg. Die Hitze zwischen den ehrwürdigen Sandsteinmauern und vor allem die Touristenmassen zerren an unseren Nerven. Die Dresdener Neustadt auf der anderen Elbseite mit all ihren Cafés und relaxten Restaurants, alternativen Lädchen, Spielplätzen und Springbrunnen entspricht da schon eher unserem Geschmack. Auf welche eher ungewöhnliche Art wir die erkundet haben, erzählen wir hier: „Schnitzeljagd durch die kunterbunte Neustadt„.