Es gibt viele Wege, eine fremde Stadt zu erkunden. Auch, wenn man im Urlaub Kinder dabei hat, sind die Möglichkeiten vielfältig. Wir haben schon einiges ausprobiert: Oft ganz unbedarft auf eigene Faust (zum Beispiel in Ljubljana), luxuriös mit unserer eigenen Stadtführerin (zum Beispiel in Dubrovnik), kreativ mit Stadtführer-Heftchen für Kinder (zum Beispiel in Weimar), abenteuerlich auf einer Schnitzeljagd (zum Beispiel in Berlin). In Lissabon durften wir mal etwas ganz Neues machen: Eine Stadtrundfahrt zu Wasser und zu Land – und zwar mit demselben Fahrzeug. Unser Hippo Trip.

Wir sind schon seit zwei Tagen in der portugiesischen Hauptstadt, und im Straßenbild sind sie uns schon aufgefallen: Zwischen den europaweit allgegenwärtigen roten Sightseeing-Doppeldeckerbussen und der Straßenbahn im Retro-Look, die so typisch für Lissabon ist, stechen die knallgelben Amphibienfahrzeuge von Hippo Trip hervor. Als ich erwähne, dass wir mit so einem fahren werden, machen die Jungs große Augen. „Echt jetzt?! Mit so einem Bus, der auch schwimmen kann?“ Silas feiert. „Das wollte ich schon immer mal machen!“ Sein großer Bruder kriegt dagegen den Hals mal wieder nicht voll. „Kann der zufällig auch fliegen?“ Nein, so weit ist es dann doch nicht.

Wir finden den Abfahrtsort an der Mole direkt unterhalb der großen Brücke des 25. April, aber wir finden ihn nicht ganz leicht (Zeitpuffer einplanen!). Der Ticketschalter befindet sich im Haus des Ruderclubs. Alles wirkt ein bisschen provisorisch, aber es gibt ein Klo (im Bus nicht!) und eine Verpflegungsstation, in wenigen Minuten Gehreichweite gibt’s auch mehrere nette Cafés. Kleine Kinder dürfen sich kostenlos eine Sitzerhöhung ausleihen, damit sie auch über die Reling gucken können, wenn sie durch den Lissaboner Stadtverkehr schippern.

Ohne Sitzerhöhung reicht Silas' Blick gerade so über die Reling. Die typisch portugiesischen Fliesen-Fassaden entgehen ihm nicht.

Ohne Sitzerhöhung reicht Silas‘ Blick gerade so über die Reling. Die typisch portugiesischen Fliesen-Fassaden entgehen ihm nicht.

Hippo Hippo Hooray!

An Bord begrüßt uns Pedro. Er ist für die nächsten 90 Minuten unser Guide. Fröhlich weist er uns und die anderen Fahrgäste ein, wie das auf der Amphibien-Tour funktioniert. Unser Untersatz ist tatsächlich halb Bus, halb Boot, aber der Ursprung deutscher Wertarbeit, beruhigt uns der junge Mann mit einem Augenzwinkern. Seit 1998 hat Mercedes diese und andere Busse zu Amphibienfahrzeugen umgerüstet, und bisher gab es – sagt Pedro – keine Unfälle und keine Kunden-Klagen. Die Benimmregeln an Bord sind einfach: Sitzen bleiben, alle Körperteile diesseits der Reling belassen. Und wenn der Schlachtruf „Hippo Hippo“ erklingt, „Hooray!“ brüllen. Oje, da ist Pedro ja bei mir an die Richtige geraten: Ich hasse solchen Ringelpietz mit Anfassen. Aber die brasilianische Familie auf der anderen Seite des Ganges fährt voll drauf ab, und auch unsere Jungs brüllen es danach noch tagelang.

Bootfahrt über Lissabons Straßen

Der gelbe Boot-Bus setzt sich in Bewegung und gleitet in den Lissaboner Großstadtverkehr. Es schaukelt. Unser Kapitän gibt ordentlich Gas – muss er, hier fährt keiner zu langsam – und es schaukelt noch mehr. Silas sitzt neben mir und lächelt etwas angespannt. „Gefällt’s dir?“ frage ich. „Bisschen wackelig“, sagt er. „Aber auch cool, weil man so hoch sitzt.“ Nach einer Minute schiebt er nach: „Kann man auch auf der Straße seekrank werden?“

Kurze Zeit später sind diese Sorgen vergessen, denn Pedro beginnt mit seinem Ausflug in die Stadtgeschichte. Das meiste versteht der Achtjährige inzwischen auf Englisch, und unser Guide spricht in einfachen Sätzen und mit passablem Akzent. Wenn er seine Erklärungen auf Portugiesisch wiederholt, übersetze ich das wichtigste noch mal leise auf Deutsch.

Silas und ich auf unserem Hippo Trip.

Silas und ich, Dream Team auf dem Hippo Trip.

Wir sehen die Plaza de Pombal, die dem Mann gewidmet ist, der die Stadt nach dem großen Erdbeben von 1755 wieder aufbauen ließ. Wir sehen all die Must-Sees von Lissabon, wie sich das für eine Stadtrundfahrt gehört. Vor allem aber auf die interessanten Kleinigkeiten macht Pedro uns aufmerksam. Da ist zum Beispiel das Haus in der Avenida de Liberdade, das erste, das das in der Altstadt kurz zuvor erfolgreich vorgestellte Prinzip Aufzug in einem privaten Wohnhaus integrierte und 1904 für dieses streitbare Novum einen Architekturpreis gewann. Und wir lernen viele Fun Facts aus der Geschichte Portugals und dessen Hauptstadt. So heißt es zwar, Lissabon sei wie Rom auf sieben Hügeln erbaut, aber die „magische“ Zahl sei Wunschdenken – vor dem Erdbeben seien es acht Hügel gewesen, heute noch sechs. Aber gut, scherzt Pedro, die Wahrheit liege ja meistens in der Mitte. Und ich erfahre etwas, das ich mich seit unserem Reiseabschnitt durch Griechenland und die Türkei tatsächlich schon gefragt habe: Warum die Orangen dort „portokalia“ bzw. „“portakal“ heißen. Das liegt daran, sagt Pedro, dass die seefahrenden Portugiesen in Europa die ersten waren, die das aus China stammende Obst zu Hause kultivierten. Bei Besuchen in der Ägäis drückten sie den Einheimischen dann ein paar als Gastgeschenke in die Hand, die die „Portugal-Früchte“ fortan selbst anbauten. Danke Hippo Trip, wieder was gelernt. „Hippo Hippo!“ ruft Pedro schon wieder, und alles schmettert: „Hooray!“ Ich lächele ein klein bisschen gequält.

Über eine Rampe fahren wir in den Fluss und schippern gemächlich dahin.

Über eine Rampe fahren wir in den Fluss und schippern gemächlich dahin.

Busfahrt über den Tejo

Inzwischen haben wir Belem erreicht, Lissabons schönsten Stadtteil direkt am Wasser. Mit großer Geste kündigt Pedro die Verwandlung unseres Gefährts an. Die gewaltigen Trommelwirbel aus „Also sprach Zarathustra“ dröhnen aus den Lautsprechern, während unser Fahrer den Bus vorsichtig auf die Rampe lenkt. Die brasilianischen Jungs zwei Plätze weiter hüpfen vor Aufregung wie Flummis auf und ab. Dann macht es „Platsch!“, und wir schwimmen auf dem Tejo. „Das war das beste“, sagt Janis später. „Die ganze Tour hat Spaß gemacht, aber allein für den Moment, wo das Wasser so spitzt, hat sich die Fahrt gelohnt.“ – „Weniger wackelig als auf der Straße“, sagt Silas erleichtert, während wir ruhig dahinschippern. Pedro erzählt uns die Geschichte des Turms von Belem, der schon Leuchtturm, Festung und Gefängnis war, und dann gibt es zum sanften Schaukeln der Wellen noch eine kurze Einführung ins Fado, die melancholische Lieblingsmusik der Portugiesen. Ein halbes Stündchen vielleicht tuckern wir in unserem gelben Bus flussabwärts, dann haben wir unseren Ausgangspunkt neben der Brücke des 25. Februar erreicht. „Hippo Hippo!“ ruft Pedro ein letztes Mal. „Hooray“, antworte ich resigniert.

Das Denkmal für Heinrich den Seefahrer macht von der Wasserseite jedenfalls viel mehr her als von Land aus.

Das Denkmal für Heinrich den Seefahrer macht von der Wasserseite jedenfalls viel mehr her als von Land aus.

Fazit: Ist eine Fahrt mit dem Hippo Trip empfehlenswert?

Für meinen Geschmack war es ein bisschen zu viel Geschaukel und ein bisschen zu viel Show. Aber die Jungs waren Feuer und Flamme. Und angemessen informativ war es allemal. Wer in Lissabon Stadt, Land und Fluss sehen und etwas darüber erfahren möchte, ohne zu laufen, und wem eine klassische Stadtrundfahrt zu langweilig ist, der ist bei Hippo Trip gut aufgehoben. Wer dann noch auf Gemeinschaftserlebnisse steht und Kinder dabei hat, ist goldrichtig.

Hippo Trip.

Hippo Trip.

Praktische Infos:

Abfahrtzeiten: 10, 12, 14 und 16 Uhr, in den Monaten April bis September zusätzlich um 18 Uhr und in der Hochsaison spontan noch öfter. Tickets gibt es online und am Schalter am Startpunkt (Doca de Santo Amaro). Erwachsene zahlen 25 Euro, Kinder (2 bis 17 Jahre) 15 Euro. Kinder unter zwei dürfen aus Sicherheitsgründen nicht mitfahren. Aktuelle und detaillierte Infos gibt es auf der Webseite von Hippp Trip.

Transparenz-Hinweis: Unser Hippo Trip war für uns dank der Vermittlung von Tourismo de Lisboa kostenlos. Das finden wir super, aber auf unsere unabhängige Meinung legen wir trotzdem großen Wert.