Der Ohrid-See im Süden von Nordmazedonien ist ein Reiseziel, das anscheinend stark im Kommen ist. Urlaub in Nordmazedonien – kann man das machen? Auf unserem 10-monatigen Europa-Roadtrip haben wir es ausprobiert. Nach Skopje haben wir uns auch Ohrid angesehen. Gefunden haben wir eine spannende Altstadt unter dem Siegel des Unesco-Welterbe an einem bildschönen See mit Bergpanorama – in einem durchaus sehenswerten, aber auch gewöhnungsbedürftigen Land. Unser Fazit zum Thema Urlaub in Nordmazedonien? Durchwachsen…

Familienurlaub in Nordmazedonien

Update: Seit 2019 heißt das kleine Balkanland offiziell Nordmazedonien. Bei unserem Besuch im Februar 2015 haben wir es noch als Mazedonien kennengelernt. (Der Namensstreit schwelte natürlich damals schon. Es gibt einen eigenen, ziemlich langen Wikipedia-Artikel darüber.) Damit unsere persönlichen Erfahrungen mit Familienurlaub am Ohridsee in Nordmazedonien auch weiterhin über Google und Co gefunden werden können, aktualisiere ich den Namen des Landes auf die offizielle Version. Der Rest bleibt aber so, wie wir es authentisch vor Ort erlebt haben. 

Ob wir überhaupt nach Nordmazedonien wollen, da sind wir uns anfangs gar nicht so sicher. Immerhin stand der kleine Nachfolgestaat Jugoslawiens noch 2001 am Rande eines Bürgerkriegs. Aber nach unseren sehr ambivalenten Erlebnissen in Serbien entscheiden wir uns Richtung Bulgarien doch für die Südroute. Das ist toll, denn auf diese Weise bekommen wir spannende Einblicke bei unseren Stippvisiten in Albanien und Kosovo. – Und eben auch eine kleine Ahnung davon, was Urlaub in Nordmazedonien bedeutet.

Kurz vor Weihnachten machen wir in der Hauptstadt Skopje Station und treffen dort die Couchsurferin Ana. Bei aller Skepsis gegenüber der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung zieht uns das kleine Land so in seinen Bann, dass wir beschließen, auf dem Rückweg von Griechenland aus noch einmal hereinzuschneien und uns den Ohridsee anzusehen, von dem Ana so schwärmt.

Familienurlaub am Ohridsee, Mazedonien, Ohrid.

Familienurlaub am Ohridsee. Kann man machen.

Es ist Ende Februar, als wir das griechische Bergdorf Zitsa verlassen und nach einem Kurzstopp an den berühmten Meteora-Klöstern über die mazedonische Grenze fahren. Das ist lange vor dem Ausbruch der Flüchtlingskrise. Obwohl die Beziehungen zwischen den Staaten traditionell angespannt sind, haben wir an der Grenze zwischen Griechenland und Nordmazedonien keinerlei Probleme.

Ohrid als Ferienort – na ja

In der Stadt Ohrid beziehen wir ein Apartment, das wir über eines der gängigen Online-Portale gemietet haben. Das Preisniveau ist allgemein günstig. Unsere Wohnung ist noch nicht ganz fertig. Offenbar hat es unser Vermieter eilig, mit dem Geldverdienen an der neu erschlossenen Tourismusquelle anzufangen. Wir müssen einiges monieren und sind nicht ganz zufrieden. (Dass das Geschirr noch originalverpackt in Kartons im Schrank steht, ist eine Sache. Dass Bettwäsche komplett fehlt und der Flur mit den Einzelteilen eines noch nicht zusammengebauten Regals vollgestellt ist, eine andere.)

Andere Hotels und Ferienanlagen, an denen wir im Laufe der nächsten Tage vorbei kommen, sehen einladender aus. – Aber der nachlässige Balkan-Style lässt sich nicht leugnen. Schon zu Jugoslawien-Zeiten galt Nordmazedonien als Armenhaus des Staatenverbands. Auch heute ist das kleine Land eine der schwächsten Volkswirtschaften Europas. Unser Gesamteindruck ist besser als in Albanien und Bosnien-Herzigowina. Aber das liegt hauptsächlich daran, dass nicht so viel Müll herumliegt. Insgesamt sind diese beiden Länder (in unserem subjektiven Empfinden) eher Bezugsgröße als das trotz allem fortschrittlichere Griechenland oder Bulgarien.

In Ohrid am Ohridsee, Mazedonien.

Obwohl wir uns hier auf der ausgewiesenen Route am See entlang bewegen, hat in Ohrid vieles noch Hinterhof-Charakter.

Die Altstadt von Ohrid erreichen wir zu Fuß. Mit 42.000 Einwohnern ist Ohrid schon eine der größeren Städte Nordmazedoniens. Es gibt eine Universität und sonst eigentlich nicht viel. Das bisschen Tourismus, das Nordmazedonien bisher akquirieren konnte, findet zum allergrößten Teil hier statt. Folglich gibt es eine nette Café-Szene und etliche hübsch zurechtgemachte Restaurants am See. Viele Läden bemühen sich um ein bisschen Trend und Style, trotz ihrer augenscheinlich begrenzten Mittel. Ich bedauere, dass wir uns die Angelegenheit nicht im Sommer angucken können, wenn alles schick gemacht ist. Im Februar sind die meisten Cafés und Restaurants freilich noch geschlossen.

Cafés am Ufer des Ohridsee.

Da kann was draus werden, im Sommer, und mit etwas mehr zahlender Kundschaft: die Café-Szene von Ohrid direkt am Seeufer hat Potenzial.

Geheimnisvoller Ohrid-See

Wir laufen am Ufer des Ohrid-Sees entlang. Das Ufer besteht aus feinem Kies. Das Wasser ist unglaublich klar. Obwohl der Himmel wolkenverhangen ist, sehen wir tausend kleine Fische im flachen Wasser schwimmen. Hier in der Nähe der Stadt ist das Ufer seicht. Anderswo fällt es an Klippen steil ab.

Der Ohrid-See ist kein ganz gewöhnlicher Vertreter seiner Art. Gut 30 Kilometer ist er lang, halb so breit, und bis zu 287 Meter tief. Vor allem die Ausdehnung nach unten also ist enorm. Außerdem ist der Ohrid-See in Nordmazedonien einer der ältesten Seen Europas. Mindestens zwei, vielleicht auch fünf Millionen Jahre hat er auf dem Buckel. Daher kommt es, dass hier einige Fischarten schwimmen, die nirgendwo anders vorkommen. Etliche davon, wie die Ohrid-Forelle, sind allerdings vom Aussterben bedroht.

Holzbohlenweg am Ohridsee

Flanieren am Ohridsee gefällig?

Über einen Holzbohlenweg laufen wir unterhalb der Klippen direkt über dem Wasser. Ein Fischer bietet uns an, uns für wenig Geld eine Runde in seinem kleinen Boot über den See zu rudern. Aber wir sind verabredet. Wir treffen uns mit Hasan, einem ägyptischen Gaststudenten. Er ist der einzige, der auf unser Couchsurfing-Gesuch geantwortet hat. Hasan ist zwar kein Einheimischer im engeren Sinne, aber er zeigt uns trotzdem die Stadt. Wir verbringen einen wahnsinnig spannenden Nachmittag miteinander, an dem wir mindestens ebenso viel über Ägypten wie über Nordmazedonien erfahren.

St. Kliments Kirche Ohrid, Mazedonien

Die St. Kliments-Kirche wurde wieder aufgebaut und gründlich saniert. Drum herum befindet sich das archäologische Ausgrabungsgelände.

Die antiken Schätze von Ohrid

Derweil besichtigen wir die kürzlich restaurierte Kirche von St. Kliment. Der Heilige war ein Einheimischer, Schüler der Slawenapostel Kyrill und Method und lokaler Erzbischof. Als er im 10. Jahrhundert in Ohrid ein Kloster gründete, lag die erste Blütezeit der Stadt schon lange zurück.

In der Antike hieß Ohrid Lychnidos und wuchs von einer illyrisch-makedonisch-griechischen Fischersiedlung aufgrund seiner Lage an einer byzantinischen Fernstraße Richtung Konstantinopel zu einer anständigen Polis heran. Das Amphitheater aus jener Zeit ist heute noch zu sehen. Wie ein Dimensionsloch prangt es mitten im Stadtzentrum.

Amphietheater von Ohrid, Mazedonien.

Das griechische Amphitheater mitten in der Altstadt von Ohrid dient heute als Veranstaltungsraum.

Das religiöse Erbe von Ohrid

Ein Erdbeben besiegelte das erste Kapitel der Stadtgeschichte. Das zweite schrieb bereits ein slawisches Volk. St. Kliment und seine Leute christianisierten. Unter bulgarischer Herrschaft wurde Ohrid zum religiösen Zentrum des Reiches, und ein paar Jahre lang sogar zur politischen Hauptstadt.

Oben auf dem Berghang über Ohrid thront eine Festung. Die Fundamente stammen vermutlich noch aus der Antike. Auch der bulgarische Patriarch hat schon von hier aus geherrscht. Ihre heutige Gestalt verdankt sie der osmanischen Vorherrschaft. Die begann in der Region im ausgehenden Mittelalter und blieb bis ins 18. Jahrhundert bestehen. Bis Tito Nordmazedonien nach dem zweiten Weltkrieg seiner Jugoslawien-Idee einverleibte, stand die Region dann unter albanischer Knute.

Festung über Ohrid, Mazedonien.

Auf dem Berghang über Ohrid thront die beeindruckende Festungsanlage.

Diese kulturelle Mischung sorgte für eine äußerst interessante Stadtgeschichte auch in religiöser Hinsicht. Diese Verwicklungen lassen sich jedoch unmöglich in einem einzelnen Blogpost darstellen. (Und außer mich interessieren sie hier wahrscheinlich ohnehin niemanden wirklich.) Halten wir fest, dass Nordmazedonien im Allgemeinen und Ohrid im Besonderen ein – noch weitgehend unaufgearbeitetes – El Dorado für Historikerinnen und Historiker darstellen.

365 Kirchen soll Ohrid einst besessen haben, als es Zentrum des bulgarisch-orthodoxen Glaubens war. Ganz so viele sind es heute nicht mehr. Aber wer auf Kirchenbesichtigungen steht, hat in Ohrid immer noch gut zu tun.

St. Johannes Kirche Ohrid, Mazedonien

St. Johannes hat Seeblick.

Antike Ausgrabungen mit Fragezeichen

Ein größeres Areal unterhalb der Festung nimmt das Ausgrabungsgelände ein. Hier wird mit EU-Mitteln gearbeitet, denn Nordmazedonien ist seit Jahren (immer aussichtsloserer) Beitrittskandidat. Warum die Fundamente eines großen Stalbetonbaus mitten zwischen die Ruinen gegossen wurden, erschließt sich uns nicht recht.

Betonbau auf archäologischem Grabungsfeld, Ohrid, Mazedonien

Hier antike Grabung, da Stalbetonbau. Warum genau…?

Durch die teilweise hübsch zurechtgemachte, teilweise arg verfallene Altstadt von Ohrid schlendern wir zurück zu unserer Ferienwohnung.

Altstadt Ohrid, Mazedonien

In der Stadt mit dem Siegel des Unesco Welterbe sind verhältnismäßig viele alte Häuser in traditioneller Bauweise hübsch renoviert. So sehen übrigens auch viele Häuser in Bulgarien aus.

Pfahlbauten am Ohrid-See: Die „Bay of Bones“

Am nächsten Tag fahren wir weiter nach Albanien, das am anderen Ufer des Sees schon in Sicht ist. Vorher schauen wir uns jedoch noch das Freilichtmuseum in der Knochenbucht an, die als „Bay of Bones“ auch Englisch ausgeschildert ist. Hier ist eine Pfahlbausiedlung auf dem Wasser nachgebaut, die so (oder so ähnlich) von der späten Bronzezeit bis in die Eisenzeit hier gestanden haben soll. Die archäologischen Spuren im hier flachen Seewasser haben der Bucht ihren Namen gegeben.

Freilichtmuseum Ohrid, Mazedonien, Bay of Bones.

Sehenswert: Im Freilichtmuseum in der „Bay of Bones“ ganz in der Nähe von Ohrid sind Pfahlbauten aus der Eisenzeit nachgebaut.

Das Museum ist neu und schick. Die Hütten aus Lehm, Holz und Schilf finden wir sehenswert und interessant. Nur so ganz viele Informationen über ihre einstigen Bewohner bekommen wir leider nicht, zumindest nicht auf Englisch (oder Deutsch). Trotzdem ist der Ausflug empfehlenswert.

Freilichtmuseum Ohrid, Mazedonien, Pfahlbau

Alle Hütten im Freilichtmuseum dürfen betreten werden. Die meisten sind eingerichtet.

Gleich um die Ecke befinden sich noch die Reste eines antiken Kastells. Die moderne Tourismusförderung hat es zu einer Picknick-Anlage mit mehreren überdachten Tischen ausgebaut. Hier sitzen wir noch eine ganze Weile, während unsere Jungs römische Legionäre spielen, und blicken auf den geheimnisvollen Ohrid-See.

Kastell mit Picknickplatz bei Ohrid, Mazedonien

Und es sind wirklich hübsche Picknickplätze!

Fazit: Urlaub in Nordmazedonien? Ferien am Ohrid-See?

Kann man machen. Nordmazedonien ist ein unheimlich spannendes Land und als Reiseland mit (älteren) Kindern durchaus geeignet, finde ich. Es ist günstig und hat gerade in Ohrid kulturell viel zu bieten. Wir hätten unseren Urlaub in Nordmazedonien gerne zeitlich ausgebaut. Gerade in Ohrid hätten wir uns locker eine ganze Woche herumtreiben können, ohne dass uns langweilig geworden wäre. Bedenken bezüglich der Sicherheitslage habe ich nicht (jedenfalls nicht während unseres Aufenthalts im Dezember und Februar 2015).

Aber Nordmazedonien ist eben auch ein Balkanland, mit allen üblichen Begleiterscheinungen. Ich habe gelesen, dass tatsächlich sogar deutsche Pauschal-Reiseanbieter Ferienanlagen am Ohridsee im Angebot haben. Einen Badeurlaub in Ohrid mit Action, Spaß und Relaxen kann ich mir aber nicht so richtig vorstellen. Ich sehe Ohrid eher als ein Ziel für Bildungsreisen. Und das gilt, denke ich, für Urlaub in Nordmazedonien generell.

Massengrab von Schubkarren in Ohrid, Mazedonien.

Typisch Mazedonien, typisch Balkan: Schubkarrenfriedhof hinter der Großbaustelle. Ich bin mir sicher, es gibt einen Grund für dieses Massengrab. (Und ich vermute, dass es etwas mit persönlicher Bereicherung zu tun hat.)

Für jene, die einen Familienurlaub in Nordmazedonien in Erwägung ziehen, empfehle ich zum Weiterlesen meine allgemeinen Überlegungen zum Thema Reisen auf dem Balkan mit Familie:

Erfahrungsbericht: Balkanreisen mit Familie?

balkan reisen mit familie

In jenem Artikel fasse ich unsere Erfahrungen in den verschiedenen Balkanländern zusammen, in denen wir insgesamt gut drei Monate verbracht haben.

Mein Erfahrungsbericht aus Skopje steht hier:

Skopje: Reiseziel für Familien?

skopje nordmazedonien erfahrungsbericht

Skopje, die Hauptstadt von Nordmazedonien, hat uns sehr beeindruckt.

Und über unsere 11-monatige Reise habe ich ein ganzes Buch geschrieben: „Die Entdeckung Europas“. Im Gegensatz zum Blog stehen dort die persönlichen Begegnungen und das „gefühlte Reisen“ während unserer Langzeitreise mit Familie im Mittelpunkt. Unsere Erlebnisse in Ohrid mit Hassan nehmen ein eigenes Kapitel ein, ebenso wie unsere Erfahrungen in Skopje.

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Übrigens: Nachträglich ernenne ich diesen Bericht zum Teilnehmerbeitrag in Stefanies Blogparade. Im Familien-Reiseblog Family Escapes sucht meine liebe Kollegin Posts zum Thema „Meine schönste Auszeit am See„. So richtig viel mit Relaxen und Schön war für uns am Ohridsee nicht, wie gesagt. Aber er ist auf jeden Fall der See, der mich in der jüngeren Vergangenheit – und überhaupt, wenn ich so darüber nachdenke – am meisten fasziniert hat. Wer auf der Suche nach alltagstauglicheren See-Ausflügen ist, wird ganz bestimmt bei ihr fündig!