Slowenien ist nicht metropolitisch. Abseits der Hauptstadt Ljubljana (die mit ihren rund 280.000 Einwohnern immer noch halb so groß wie Hannover ist) gibt es wenig städtischen Trubel. Dafür hat das kleine Land etwas anderes zu bieten: ländliche Idylle. Eine gute Kelle voll davon haben wir uns im Draga-Tal gegönnt, nur wenige Kilometer hinter der österreichischen Grenze, nahe des (absolut sehenswerten) Bleder Sees.

Unsere Couchsurfing-Hosts sind Katja und Goran. Sie wohnen in einem winzigen Dorf im Draga-Tal. Schon die Anfahrt gestaltet sich abenteuerlich. Elise, unser neues Navi, besteht darauf, dass wir in einen ungeteerten Waldweg abbiegen. Die heftigen Regenfälle des Sommers haben den steinigen Boden überspült. Neben uns fällt der Weg einige Meter steil in ein Flussbett ab. „Hier schon solche Zustände?“ flucht Martin neben mir. „Solche Verhältnisse hätte ich erst in Rumänien erwartet.“ Später stellt sich heraus, dass Elise noch viel lernen muss (oder wir über Elise), denn natürlich hätte es auch eine befestigte Zufahrt nach Zgoša gegeben. So ganz falsch ist der erste Eindruck aber auch nicht, denn die Ortschaft mutet in der Tat beinahe archaisch an. Bauernhöfe mit traditionellen Holzscheunen reihen sich aneinander. In der Mitte plätschert ein kleines Bächlein. Wir finden Katjas und Gorans Haus. Es ist ein „Neubau“ aus den 80ern, errichtet auf dem Grundstück des elterlichen Hofs. Wir parken neben dem Hühnerauslauf, und noch bevor uns Ana herzlich in Empfang nimmt, begrüßt uns das Blöken der drei Schafe.

Wir wohnen ländlich: Vor dem Fenster blöken die Schafe.

Wir wohnen ländlich: Vor dem Fenster blöken die Schafe.

Der Alltag im ländlichen Slowenien läuft bei dem jungen Paar nicht anders ab als in den meisten Ländern mitten in der Europäischen Union. Goran ist Lebensmitteltechniker und pendelt jeden Tag nach Ljubljana. Katja unterrichtet an der Gesamtschule im nahe gelegenen Radovljica. Sie besitzen WLAN und kochen auf einem Induktionsherd. Gorans Vater aber, der im alten Haus nebenan wohnt, geht noch über den Hof und benutzt die Tür mit dem Herzchen neben dem Misthaufen.

Auch ganz typisch für Slowenien: Apfelbäume, jede Menge Apfelbäume!

Auch ganz typisch für Slowenien: Apfelbäume, jede Menge Apfelbäume!

Wir verbringen zwei wunderschöne Tage in Zgoša, machen Ausflüge zum Bleder See und nach Radovljica. Besonders gut aber gefällt uns ein Spaziergang durch die Landschaft gleich hier. Mit Panoramablick auf die Alpengipfel schlendern wir vorbei an lieblichen Feldern, an deren Rändern wir immer wieder überdachte hölzerne Ständer stehen. Die Jungs erkennen gleich, was es damit auf sich hat: „Das ist ein Heu-Regal!“ kräht Janis. „Da wird das Heu getrocknet!“

Noch typischer für Slowenien: die "Heu-Regale".

Noch typischer für Slowenien: die überdachten „Heu-Regale“.

Am Ende des Tals tauchen die Ruinen einer waschechten Ritterburg auf. Die Festung Kamen diente im Mittelalter zur Sicherung des Passwegs über die Alpen, und selbstverständlich auch als Zollstation. Durch den Ausbau des weit entfernten Loibl-Passes verlor der Weg durchs Draga-Tal an Bedeutung. Das Adelsgeschlecht gab den Außenposten auf, das Gemäuer verfiel zunehmend. Erst in den 1950er Jahren wurde der Denkmalschutz tätig und sicherte die Reste mit den Patentlösungen dieser Zeit: Teer und Beton. Seitdem hat sich zwar noch einiges getan, andere Sicherungsmaßnahmen haben bereits ihr Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten. Der wunderbar abenteuerliche Ort eignet sich hervorragend für Expeditionen und Untersuchungen der mittelalterlichen Baugewohnheiten – aber an allen Ecken und Kanten und mitunter auch mitten in der Burg geht es steil nach unten, also Vorsicht!

Wildromantisch: Die Burgruine Kamen ist ein Abenteuer.

Wildromantisch: Die Burgruine Kamen ist ein Abenteuer.

Die Burg Kamen ist frei zugänglich.

Auch für Nicht-Couchsurfer gibt es zahlreiche Unterkunftsmöglichkeiten, zumindest haben wir in den umliegenden Dörfern und in Radovljica viele „Zimmer frei“-Schilder gesehen (mitunter tatsächlich auf deutsch).