Noch einmal habe ich ein Familienmitglied gefunden, das mir für unsere Blogparade etwas über seine Reisen als Kind erzählt. Mein Papa plaudert aus dem Nähkästchen, wie die Ferien seiner Kindheit und Jugend in den 50ern und 60ern ausgesehen haben.

Mein Papa ist Jahrgang 1949. Aufgewachsen ist er in einem kleinen Dorf bei Einbeck in Südniedersachsen, auf dem Bauernhof seiner Eltern. Dort hatten er und mein Onkel so eine richtige Bilderbuch-Kindheit: immer draußen, eine große Kinderhorde beisammen, endlose Sommerferien zwischen Feldarbeit und Badesee.

Opa hat den ganz großen Eisbecher gesponsert. Wie das Ensemble aufgeteilt wird, ist klar, ne?

Hier ist ein Bild vom Opa der Jungs heute. Das Bild stammt aus diesem Beitrag über unsere liebsten Cafés rund um Bad Doberan an der Ostsee.

Hat das Thema Reisen in deiner Kindheit irgendeine Rolle gespielt, Papa?

Was heißt Reisen? Reisen hab ich nie gemacht. Ich hab nur Verwandte besucht. Bei meinen Onkeln war ich immer. Bei Onkel Willi in Einbeck war ich oft, meinem Patenonkel. Da waren auch meine größeren Cousins und Cousinen, vier Kinder. Da war immer was los.

In Hannover bei Onkel Georg war ich auch manchmal. Tante Grete, Onkel Georgs Frau, war eine Cousine meiner Mutter. Zu der Verwandtschaft, die aus der Stadt kam, hatten wir nach dem Krieg einen guten Kontakt, weil die öfters zum Schnorren kam. Als Austausch durfte ich dann in den Ferien zu Besuch kommen. Außerdem habe ich von Onkel Georg Nachhilfeunterricht in Englisch gekriegt. Der war persönlicher Referent des niedersächsischen Ministerpräsidenten. Den habe ich damals auch kennengelernt, den Ministerpräsidenten. Ich meine, das war Diedrichs. Für mich war das damals ja nur ein weiterer Mann in einem Anzug. Ich kann mich aber noch erinnern, die hatten schon Fernsehen in Hannover. Da war die Mondlandung, die haben wir geguckt. Da hatten wir in Edemissen noch lange keinen Fernseher. Das waren die einzigen Reisen, an die ich mich als Kind erinnere.

Und du warst noch zur Kinderkur. Das wusste ich lange gar nicht, aber als Mama für das Blog von ihrer erzählt hat, sagtest du, dass du das Vergnügen auch gehabt hast.

Kinderlandverschickung hieß das damals, das ging über das Gesundheitsamt. Damals wurde man von den Gesundheitsämtern viel untersucht, Impfungen waren Pflicht, das hat alles das Gesundheitsamt kontrolliert. Und die haben dann gesagt, dass ich zur Kinderkur sollte, weil ich zu dünn war. Mittlerweile habe ich da gut aufgeholt…

Das müsste so fünfte Klasse gewesen sein. Ich kam auf den Moarhof, so hieß das Kinderheim. Ein alter Bauernhof in Bad Feilenbach, Bayern. Wir haben in den alten Kuhställen geschlafen. Vom Grundsatz her hat das Spaß gemacht. Wir sind viel gewandert, haben viel gespielt mit anderen Kindern. Aber es war halt ein strenges Regime. Die „Tanten“ hatten noch die Ausbildung beim BDM gemacht und hatten wohl noch nicht gehört, dass das dritte Reich zu Ende war. Es gab strenge Strafen für alles. Die Höchststrafe war, nackt im Flur vor dem Schwesternzimmer stehen zu müssen. Sechs Wochen waren das, eine Ewigkeit.

Wie war das mit dem Reisen damals generell? Fuhr irgendjemand, den du kanntest, schon damals in den 50ern in den Urlaub?

Oh ja. Italien war das große Ziel. Zum Beispiel meine Cousine aus Einbeck war dort. Die Älteren trampten alle. Eine hatte auch schon einen festen Freund, der hatte einen Fiat, und die fuhren nach Rimini. Das hat mich aber nicht so interessiert. Für mich war das völlig utopisch.

Später habe ich mitgekriegt, was für ein Abenteuer das war. Man musste ja immer über den Brenner, den Tunnel gab es noch nicht. Und die Autos waren nicht so leistungsstark wie heute.

Und wann bist du das erste Mal verreist, so richtig?

Als ich Mama kennengelernt habe, vorher nicht. Als Jugendlicher bin ich bloß viel mit Jugendgruppen unterwegs gewesen. Klassenfahren in Jugendherbergen, Zeltlager vom Sportverein aus. Das waren so die Urlaube, die ich gemacht habe.

Mit 16 war ich mal an der Ostsee, in Schleswig-Holstein. Das ging über ein Zeltlager vom Sportverein in Einbeck. Kalifornien hieß das, so ein fester Zeltplatz von denen. Da musste man sich drei Jahre im Voraus anmelden, wenn man kein Vereinsmitglied war. Das war ein großes Erlebnis, eine Horde von 50, 60 Leuten, drei Wochen direkt an der Ostsee Zelten. Das hat Spaß gemacht.

Zeltlager Turnverein Ostsee 60er

Zeltlager an der Ostsee, Anfang der 60er. Mein Papa war einer der wenigen mit Kamera. Von ihm selbst gibt es deshalb kaum Fotos.

Du und die DDR, das ist eine lange Geschichte. Wann bist du das erste Mal in den Osten gereist?

Ich meine, da war ich elf. Aber ich musste zehn sein, weil ich dann noch für den halben Preis fahren durfte.

Ich bin mit meinem Vater in die DDR gefahren, nach Pritzwalk. Da wohnte Onkel Edmund, der Halbbruder meines Vaters. An den Grenzübertritt habe ich keine großartigen Erinnerungen. Ich weiß nur noch, von Salzderhelden bis Pritzwalk haben wir mit dem Zug zwölf Stunden gebraucht, für vielleicht 300 Kilometer. Das war ein Abenteuer. Wir sind einfach gefahren und haben dann geguckt, wie wir weiterkamen. In Braunschweig haben wir gesessen und auf den nächsten Frühzug gewartet. 1959 muss das gewesen sein, auf jeden Fall vor der Mauer.

Zwischen der DDR und der BRD gab es da noch nicht so viele Unterschiede. Jedenfalls habe ich das nicht wahrgenommen. Bei Onkel Edmund waren wir in einem Siedlungshaus und nicht auf einem Bauernhof. Ost oder West, das hat mich damals noch überhaupt nicht interessiert.

Später bin ich dann auch alleine zu Onkel Edmund gefahren, auch als es die Grenze schon gab. Diese ganzen Grenzformalitäten habe ich damals nicht ernst genommen. Onkel Edmund hat das ja auch nicht ernst genommen… Ich war nur unregelmäßig dort zu Besuch. Nachher musste man ja auch zwangsumtauschen. Onkel Edmund hat geschimpft wie ein Rohrspatz, ich hab nur gesagt, in jedem Museum zahlt man Eintritt. Das war aber später, da war ich schon älter. Ich kann mich an viele Kneipenbesuche mit Onkel Edmund erinnern…

Sightseeing gab es nicht. Das waren eigentlich auch nur Verwandtenbesuche, keine Reisen in dem Sinne.

Später in deiner Jugendzeit hast du dann ja auch Auslandsreisen unternommen. Erzähl mal davon!

Das waren Jugendgruppenreisen, die über den Kreisjugendring damals sehr gefördert wurden. Das waren spottbillige Fahrten. Für diejenigen, die in der Jugendarbeit aktiv waren, hat es da viele Zuschüsse gegeben. Die als Gruppenleiter oder Trainer fungierten, und ich war ja Übungsleiter beim Turnen in Edemissen. Jugendgruppenleiter war ich auch.

Busreise nach Ungarn in den 60ern

Abenteuer Ostblock: Ende der 60er war eine Reise nach Ungarn noch etwas ungewöhnlich. (Allerdings haben wir mehr als 30 Jahre später in Rumänien noch ähnliche Bilder gesehen.)

Ich war also einmal in Prag und einmal in Budapest. Das war aber später. In Budapest bin ich damals 20 geworden. In Prag war das kurz nach dem Prager Frühling. Da hatten wir dann auch Bildungsprogramm mit drin, Besichtigungen, nicht nur von Sehenswürdigkeiten, auch von Betrieben und Treffen mit Jugendgruppen, Diskussionen mit Studenten. Das war schon ein Erlebnisurlaub. Das gab es auch in anderen Ländern, aber das westliche Ausland hat mich nicht so interessiert. Leider bin ich erst sehr spät darauf gekommen, sonst wäre ich noch viel öfter mitgefahren.

Glaubst du, dass dich deine Reisen als Kind und als Jugendlicher geprägt haben?

Da war ja nicht viel zum prägen, ich bin ja nicht viel gereist. Das heißt, für Edemisser Verhältnisse war das schon viel. Mein Bruder ist in dieser Zeit nur einmal auf Klassenfahrt gewesen. Der wollte nicht weg. Ich habe jede Gelegenheit genutzt, wegzufahren. Durch die Zuschüsse, die man kassieren konnte, von der Gemeinde, vom Kreis, vom Jugendring, habe ich die Wochenenden im Zeltlager nachher für 30 Pfennig gehabt. Aber bei den meisten Sachen war ich schon älter.

Wie ist heute deine generelle Einstellung zum Reisen?

Ich reise gerne. Als ich Mama kennenlernte, sind wir ja grundsätzlich losgefahren, ohne vorher zu buchen. Couchsurfing gab es damals ja noch nicht. Haustausch haben wir mal versucht, aber daraus ist nichts geworden, weil wir keine Gegenangebote gekriegt haben. Mit euch Kindern waren wir dann ja meistens in Österreich oder Dänemark. Da wollte ich dann schon gerne wissen, wo ich hinkomme, das hieß also Ferienhaus oder bei Lindners.

Heute sind es häufig Kreuzfahrten, weil das für uns so bequem ist – von Warnemünde aus fahren die ja direkt vor der Haustür los. Ich habe meine eigene Kabine, komme aber beim Essen immer wieder mit anderen Leuten ins Gespräch. Ist auch ein bisschen so wie Zeltlager damals, nur komfortabler.

Die Blogparade „Meine Reisen als Kind“ läuft noch bis zum 1. September. Hier im Ausgangspost steht ausführlich, wie jeder teilnehmen kann, und was andere Leute zu diesem Thema schon geschrieben haben (zum Beispiel auch meine Mutter, Martin und die Jungs).