Ein bisschen erinnern uns die Verhältnisse hier an Mecklemburg-Vorpommern: Während das Landesinnere trostlos, grau und verlassen daherkommt, wimmelt es an der Küste nur so von Touristen. Wir sind vielleicht 30 Kilometer weit gefahren, um das geschäftige Örtchen an der walisischen Westküste zu erreichen. So geschäftig ist es, dass wir nicht einmal einen Parkplatz finden.

Mit zunehmendem Adrenalinpegel kurven wir durch den Küstenort, dessen Bürgersteige so schmal sind, dass die Menschenmassen kurzerhand auf den ohnehin schon überlasteten Straßen laufen. Nee, dieser Ameisenhaufen ist nichts für uns! Einstimmig entscheiden wir uns gegen einen Stopp. „Hier wollen wir nicht ans Meer“, verkünden selbst die Jungs.

Es mangelt allerdings an Alternativen, stellen wir schnell fest. Wir befinden uns an der Steilküste, und man kommt einfach nicht ran an das Wasser. Wir tuckern über Feldwege, vorbei an Kuhweiden und Farmen, die sich teilweise in ähnlich desolaten Zuständen wie unsere eigene Unterkunft befinden. Wir drehen, versuchen es anderswo. Hier passieren wir Campingplätze und erstaunliche Ansammlungen von mobile homes – Wohnwagen in der XXXL-Version. „Kein öffentlicher Zugang zum Strand“, stellen Schilder allerorten von vornherein klar. Parken ist überall verboten. Kein Wunder, dass sich alle Welt in New Quay versammelt.

The Welsh coast at the West around New Quay is steep and fenced off pretty much everywhere.

Um New Quay ist die Steilküste so gut wie überall eingezäunt.

Schließlich stellen wir das Auto vor einem Ferienpark ab, dem vielleicht nur das Verbotsschild abhanden gekommen ist. Wir können uns ja immer noch als interessierte Touristen ausgeben, beschließen wir, und schlendern zwischen den eher schlichten Ferienhäuschen hindurch. Auch von hier aus aber kommt man nicht zum Wasser, müssen wir feststellen. Einen Pfad aber erspähen wir, der tatsächlich an den Strand führt. In regelmäßigen Abständen müssen wir Verbotsschilder ignorieren. Der Weg ist gesperrt, sagt das erste. Das nächste, ein paar hundert Meter weiter, verkündet, dass es wegen der Abbruchgefahr der Steilkante gefährlich sei, weiter zu gehen. Noch etwas weiter unten erfahren wir, dass auch das Reiten hier verboten ist. „Wenn die das ernst meinen würden, hätten sie hier unten keine Schilder mehr aufgestellt“, sagt Martin. Die Suche nach dem Meer hat uns inzwischen mehr als eine Stunde gekostet, da lassen wir uns von ein paar Schildchen nicht aufhalten. Wir sind nicht die einzigen mit dieser Einstellung, wie sich schnell herausstellt. Zum Baden eignet sich das kleine Stückchen Strand allerdings nicht, und die Steilküste sieht von unten tatsächlich so aus, als sollte man einen Bogen um das bröckelnde Erdreich machen.

We did make it to the beach (after ignoring half a dozen safety warnings) for a hands-on lesson of geology.

Geologie zum Anfassen.

Wir laufen ein Stück durch die Brandung, bis die Uferböschung nacktem Fels weicht. Die Gesteinsschichten haben sich hier auf interessante Weise aufgefaltet: Geologie zum Anfassen. Wir widmen uns dem Phänomen ausführlich, beantworten die klugen Fragen der Jungs. Als wir merken, dass das Wasser steigt und uns auf dem Rückweg näher an die instabile Steilküste zwingen wird, machen wir uns schnell wieder auf die Socken.

Oben im Ferienpark gibt es einen Spielplatz, mit dem die Jungs nähere Bekanntschaft schließen, während ich mein Reisetagebuch auf den aktuellen Stand bringe. Martin kümmert sich währenddessen um unsere vergessene Übernachtungsbuchung. Dass wir Toria nicht fragen werden, ob wir eine Nacht länger bleiben können, bedarf keiner Diskussion. Stattdessen entscheiden wir uns dafür, eine Nacht im Brecon Beacon National Park in der Jugendherberge zu schlafen, in der wir schon 2002 einmal übernachtet haben.

Trotz allem verbringen wir schließlich noch einen schönen Abend mit unseren Couchsurfing-Gastgebern. Wir bedanken uns mit einem Abendessen für die Gastfreundschaft (keine Käsespätzle diesmal, das gibt die uralte Küche nicht her – herzhafte Pfannkuchen tun’s auch). Anschließend führen die beiden uns durch ihre Manufaktur, in der Brian mittlerweile im Alleingang Bettgestelle und Matratzen fertigt. Silas nimmt energisch einen Besen zur Hand und tut das, was hier sonst keiner tut. Janis dagegen ist Feuer und Flamme, will alles ganz genau wissen und freut sich wie ein Schneekönig, als Brian ihm zum Abschied eine Bettfeder schenkt. Couchsurfing hier war ein Abenteuer, aber unterm Strich war es auch diesmal eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte.

meer-federn

Eine solche Bettfeder haben wir immer noch in der Erinnerungskiste.