Fünf Sterne, all-inclusive? Das ist nichts für family4travel! – Oder? Wir sind ja hart im Nehmen und probieren alles aus. Unser Erfahrungsbericht nach einer Woche in Kuşadası an der türkischen Mittelmeerküste, inklusive Wiedersehen mit Oma und Opa.

Mein Magen knurrt. Er hat sich daran gewöhnt, dass er punkt halb eins vom Mittagsbüffet gefüttert wird. Bei all-inclusive dreht sich der ganze Tag ums Essen. Der enttäuschendste Augenblick ist jeweils der, in dem man einsehen muss, dass man tatsächlich satt ist. Um die Pausen zwischen Frühstück, Mittag- und Abendessen zu füllen, müssen wir zum Glück nicht allzu kreativ werden. Entweder gehen wir runter in den Wellness-Bereich und planschen ein wenig im Pool, oder wir sitzen an der Bar und probieren uns durch die Cocktail-Karte, während die Jungs Milchshakes schlürfen und ansonsten am (winzigen) Hotelstrand Sandburgen bauen.* Es ist leicht, sich an diesen faulen Luxus zu gewöhnen.

family4travel und all-inc – Wie passt das zusammen?

Das hätte ich ja nie von mir gedacht, dass ich eines Tages mal all-inclusive-Urlaub in einem Fünf-Sterne-Hotel machen würde. Ich hatte es auch niemals vor. Noch als ich vor kurzem von den Erfahrungen der Reisemeisterei in Ägypten las, dachte ich: Also, für mich wär das ja nix.

Es begann ganz harmlos mit der Idee, Oma und Opa für einen gemeinsamen Urlaub einzufliegen. Zu Hause wohnen wir im selben Haus, sehen uns täglich. Das einzige, was die Jungs ernsthaft vermissen, sind ihre Großeltern.

Unsere Idee fällt bei meinen Eltern auf fruchtbaren Boden. In einer geheimen Skype-Sitzung sprechen wir ein Zeitfenster ab. Ziemlich genau zur Halbzeit unseres Europa-Roadtrips sind wir an der Westküste der Türkei, dort bietet sich ein Treffen an. Mitte Januar ist es für meine Mutter kein Problem, Urlaub zu bekommen, und die Unterkünfte bieten gute Konditionen. Bevor wir uns richtig an die Planung setzen können, schickt mir mein Vater an Heiligabend eine E-Mail mit dem Betreff: „Weihnachtsgeschenk“. Es ist eine Buchungsbestätigung.

Ein 10-minütiger Spaziergang durch den Hotelpark am Meer passt gerade so zwischen Mittagessen, Verdauungsschläfchen und Abendbüffet.

Ein 10-minütiger Spaziergang durch den Hotelpark am Meer passt gerade so zwischen Mittagessen, Verdauungsschläfchen und Abendbüffet.

Türkei im Winter – Schnäppchenjagd

Später erzählt mein Papa, wie lange er gefuchst hat, um sowohl für die klassische Pauschalreise mit Zug zum Flug, als auch für uns Individualisten mit eigener Anreise einen guten Deal im selben Hotel abzuschließen. Zudem erlauben die wenigsten Anbieter zwei Schulkinder im Elternschlafzimmer. Ich wäre an dieser Aufgabe wahrscheinlich verzweifelt und hätte am Ende den dreifachen Preis bezahlt (oder – wahrscheinlicher – hätte mich damit zufrieden gegeben, Oma und Opa von einer günstigen Ferienwohnung aus ab und zu im Hotel zu besuchen). Aber für meinen Papa, der in einem früheren Leben türkischer Teppichhändler gewesen sein muss, ist das ganze ein lustiges Spiel. Ich weiß nicht genau, was er letztlich für vier Erwachsene und zwei Kinder in zwei Doppelzimmern mit Verbindungstür und Meerblick bezahlt hat. „Nicht mehr als für eine Woche Ferienwohnung an der Ostsee“, behauptet er jedenfalls.

Drei-Bett-Familienzimmer für vier: ohne Verbindungstür zum nächsten Zimmer ein bisschen eng, aber wir sind ja froh, dass wir nicht gezwungen sind, für die Kinder ein extra Zimmer zu buchen.

Drei-Bett-Familienzimmer für vier: Ohne Verbindungstür zum nächsten Zimmer ein bisschen eng, aber wir sind ja froh, dass wir nicht gezwungen sind, für die Kinder ein extra Zimmer zu buchen.

Aus Angst, dass von großelterlicher Seite doch noch etwas dazwischenkommen könnte, verheimlichen wir den Jungs das große Ereignis. Wir beschränken uns auf mysteriöse Andeutungen und reaktivieren den kleinen Adventskalender mit den Teddy-Bildchen, den Oma uns im November geschickt hat und den wir auf halber Strecke verloren glaubten. Ich gebe die Parole aus: „Wenn ihr das letzte Türchen öffnet, wird etwas ganz Tolles passieren!“ Besonders ernst nehmen die beiden diese Verheißung anfangs nicht. „Vielleicht gibt’s dann Griesbrei zum Frühstück“, vermutet Janis. Je näher das Ereignis rückt, je mehr mir meine eigene Vorfreude anzumerken ist, desto wilder werden dann doch die Vermutungen. „Vielleicht kriegen wir eine Katze“, wagt Silas zu hoffen. „Oder wir übernachten im Fünf-Sterne-Hotel.“ Ich grinse in mich hinein, während die Brüder beide Ideen diskutieren und ziemlich schnell als absurd verwerfen.

Ein Hotel, fünf Sterne

Nach einem herrlich vorfrühlingshaften Tag in der Ruinenstadt Nysa biegen wir in die Einfahrt des „hotel de luxe“ KoruMar im Ferienort Kuşadası ein. Von vorne macht der Komplex wenig her. Aber Silas, der aus unerfindlichen Gründen ein Faible für Statussymbole besitzt und seit unserem komfortablen Kurzurlaub im Hoftel auf Föhr sehr genau weiß, wie angenehm Luxus sein kann, hat blitzschnell die Sterne im Hotel-Emblem gezählt. „Übernachten wir hier?“ fragt er ungläubig. „Ganz ehrlich? Oder veräppelt ihr uns nur?“ Der erste Teil der Überraschung ist gründlich gelungen.

Besonders hübsch ist es nicht, das "hotel de luxe KoruMar", aber es liegt direkt am Meer.

Besonders hübsch ist es nicht, das „hotel de luxe KoruMar“, aber es liegt direkt am Meer.

Jubelnd nehmen die Jungs unser Zimmer in Besitz. Im Vergleich zu den günstigen Ferienwohnungen, die wir sonst auf unserer Langzeitreise mieten, ist es klein. Schon rüttelt Janis an der Verbindungstür, aber die ist noch fest verschlossen. „Wo geht es da hin?“ fragt der notorisch Neugierige. „Bloß zu den Nachbarn“, winke ich ab. „Wenn man mehr Geld ausgeben will als wir, kann man für die Kinder ein eigenes Zimmer mieten.“ – „Warum haben wir das nicht gemacht?“ fragt Silas sofort, der den Hals selten voll kriegen kann. „Sei froh, dass wir überhaupt hier übernachten dürfen“ herrscht ihn sein Bruder an, der mit seinen zehn Jahren schon etwas mehr Kostenbewusstsein besitzt.

Essen bis zum Umfallen

Ein erstes Mal lassen wir uns vom abendlichen Büffet am Speisesaal erschlagen. Meterlang reihen sich die Vorspeisen aneinander: Salate, türkische Kleinigkeiten, drei Sorten eingelegte Oliven. Ein Koch flambiert hinterm Tresen Gemüse auf asiatische Art, das wir anschließend unter einer von zehn Warmhaltehauben finden. Wir haben die Wahl zwischen fünf Fleischgereichten, müssen uns aber gar nicht entscheiden – wir probieren einfach alles nacheinander. Und dann kommt der Nachtisch, der nicht nur die Augen der Kinder leuchten lässt. Alles ist in so kleine Häppchen geteilt, dass wir uns durchs komplette Dessert-Büffet schlemmen können. Im hinteren Teil des Speisesaals sitzt eine größere Reisegruppe. In unserer Ecke dinieren wir ganz ungestört, mit Blick auf die untergehende Sonne über dem Meer.

Von allem nur ein bisschen, schließlich sitzen kaum 20 Leute im Speisesaal - die Auswahl ist trotzdem umwerfend!

Von allem nur ein bisschen, schließlich sitzen an diesem Tag (ohne Reisegruppe) kaum 20 Leute im Speisesaal – die Auswahl ist trotzdem umwerfend!

Als wir danach die Jungs zum Zähneputzen scheuchen, höre ich leise Stimmen hinter der Verbindungstür. „Ich glaube, wir haben Nachbarn gekriegt“, erwähne ich beiläufig und muss mir dabei arg das Grinsen verkneifen. Die Kinder kommentieren das nicht einmal. Etwas später klopft es an der Tür. „Room service“, flötet eine sehr bekannte Stimme. Stimmt nicht, es ist Oma. Die Jungs richten sich im Bett auf und starren die Erscheinung zwei, drei Sekunden wortlos an. Janis ist der erste, der seiner Großmutter in die Arme fliegt, während Silas sich noch ungläubig vergewissert: „Bist du wirklich die richtige Oma?“ Und auch Opa ist dabei! Die Kinder können ihr Glück kaum fassen. Überraschung Nummer zwei ist ebenfalls gelungen – und wie!

Bei mildem Vorfrühlingswetter auf der Hotelterrasse mit Oma und Opa abhängen und dabei so viele Milchshakes bestellen, wie das Herz begehrt - die Jungs mögen all-inclusive.

Bei mildem Vorfrühlingswetter auf der Hotelterrasse mit Oma und Opa abhängen und dabei so viele Milchshakes bestellen, wie das Herz begehrt – die Jungs mögen all-inclusive.

Faulenzen in der Vorfrühlingssonne

Im Folgenden verbringen wir die oben beschriebene herrlich faule Woche. Das Wetter an der türkischen Westküste ist wunderbar mild im Januar. Wir laufen in T-Shirt und Strickjacke herum, genießen die Vorfrühlingssonne. Gemeinsam besichtigen wir die Ruinenstadt Ephesos – ein absolutes Muss für jeden auch nur ansatzweise an Geschichte Interessierten, der in Kuşadası urlaubt. Wir bummeln durch auch durch den kleinen Ort, lassen den Jungs die Haare schneiden (seit der leidlichen Erfahrung am Balaton wird es langsam höchste Zeit). Einen Nachmittag darf Opa auf die Kinder aufpassen, und ich tobe mit meiner Mutter durch die zahlreichen Outlets, die sich in der Urlauberregion angesiedelt haben und in der Winterschlussverkauf-Saison tatsächlich unschlagbare Preise bieten (und das Einkaufserlebnis ist für mich auch viel angenehmer als auf den Basaren, weil man dort nicht ständig von der Seite angequatscht und überredet wird).

Essen mit Meerblick (und Frank Sinatra zum 24. Mal).

Essen mit Meerblick (und Frank Sinatra zum 24. Mal).

Ansonsten machen wir – nichts. Außer essen und zunehmen natürlich. Ich habe die Pauschalurlauber immer so belächelt, die sich eine Woche lang den ganzen Tag an den Pool legen und abends an der Bar abhängen. Nach dem Selbstversuch aber muss ich zugeben: Als Ergänzung zum kulturellen Abenteuer-Urlaub in Rumänien und Albanien, Städtetrips nach Ljubljana, Budapest und Bukarest, Wandern an den Plitvicer Seen, Kriegsschäden-Besichtigung in Bosnien und Kosovo, Couchsurfing-Abenteuern in Bulgarien und am Bosporus und so weiter – als Kirsche auf der Sahne auf dem Kuchen also – kann man das durchaus mal eine Woche lang aushalten!

Den Wellnessbereich mit Pool haben wir an den meisten Nachmittagen ganz für uns allein.

Den Wellnessbereich mit Pool haben wir an den meisten Nachmittagen ganz für uns allein.

Erkenntnisse eines all-inc-Newbie

Natürlich gibt’s auch was zu meckern. Wir sind schließlich trotz allem immer noch Deutsche.

  • „All inclusive“ heißt keineswegs, dass alles inklusive ist. Um 23 Uhr ist Zapfenstreich. Die teuren Cocktails mit Import-Alkohol sind sogar happig teuer. Find ich nicht weiter schlimm – dass die erhältlichen Gratis-Cocktails nach WC-Ente schmecken, allerdings schon!
  • Im Hotel ist man beim Essen dem Anblick seiner Mitreisenden ausgeliefert. Im Januar, wenn kaum Zimmer belegt sind, ist das wohl vergleichsweise erträglich. Trotzdem habe ich ein Problem mit Amerikanern, die in nasser Badekleidung zum Büffet schlappen wollen und Russen (das ist rassistisch geraten, sorry), die sich mit einem Meter Abstand zum Brotkorb umentscheiden, und ein Brötchen zurückwerfen.
  • Noch schlimmer finde ich, dabei zusehen zu müssen, wie sich eine dünne Frau ungeklärter Nationalität am Nebentisch Abend für Abend einen Berg mit Nachtisch auf den Teller häuft und dann alles unprobiert übrig lässt. Dabei ruhig zu bleiben und es als ihr gutes Recht zu akzeptieren, ist mir unheimlich schwer gefallen. (Ich frage mich immer noch, ob das eine gezielte Provokation der Kellner sein sollte, das Statusbewusstsein einer osteuropäischen Neureichen oder schlicht ein ernsthaftes psychologisches Problem.)
  • Das Auslandserlebnis hält sich beim Hotelurlaub in engen Grenzen. Beim Frühstück grüße ich den Kellner mit: „Gün Aydın.“ Er antwortet mir: „Guten Morgen.“ Zwar bietet das Hotel KoruMar erfreulich viele türkische Spezialitäten. Die verschwinden allerdings fast vollständig zugunsten von fad gewürztem 08/15-Einheitsbrei, als eine große amerikanische Reisegruppe einfällt. Zum Glück jettet die nach zwei Tagen schon weiter, und wir haben unser kleines, feines, türkisch geprägtes Büffet zurück, das wir meistens nur mit drei türkischen und einem deutschen Ehepaar teilen. Wie das Speisenangebot sich im Sommer gestaltet, wenn der Wunsch der Mehrheit entscheidet, möchte ich, glaube ich, gar nicht wissen.
  • Zu jeder Tageszeit läuft im Speisesaal dieselbe Musikschleife. Pro Mahlzeit ein bis zwei Mal „New York, New York“ hören zu müssen, ist anfangs erträglich, hat etwa ab Tag fünf aber unglaubliches Nerv-Potenzial.
  • Mittags haben wir sechs manchmal schon mehr als die Hälfte der Büffetgänger ausgemacht. Trotzdem wurde eine Wahnsinnsauswahl für uns aufgetischt: Vorspeisen, Nachtisch, mindestens drei warme Gerichte. Ich war jedes Mal beruhigt, wenn sich das eine oder andere am Abendbüffet in Abwandlung wiederholte und offenbar nicht all unsere Reste in der Tonne landeten. Trotzdem hat mein Umweltbewusstsein eine Woche lang in einem fort geblutet. Nachhaltiges Reisen sieht anders aus.
  • Das Hotel warb mit ökobraunen Pappaufstellern für Verständnis, dass die Bettwäsche nur alle drei Tage gewechselt wird. Am dritten Tag hab ich das Zimmermädchen abgefangen und ihr klarzumachen versucht, dass das bei uns nicht nötig ist. Mangels Türkischkenntnissen habe es nicht geschafft, ihr das zu vermitteln. Als sie zu denken schien, dass ich mich über ihre Arbeit beschwere, habe ich schließlich kapituliert. Auch unsere Handtücher wurden viel zu oft gewechselt. Ein „bitte nicht stören“-Schild hält zwar den Zimmerservice draußen, aber dann wird auch der Mülleimer nicht geleert (in dem sich die kleinen Plastikflaschen aus der Minibar ansammeln, weil man ja das Leitungswasser nicht trinken kann). Ökologisch gesehen ist Hotelurlaub wirklich eine Katastrophe.
Hat immer was zu meckern, selbst im Luxus-Hotel: deutsche Reisebloggerin.

Hat immer was zu meckern, selbst im Luxus-Hotel: deutsche Reisebloggerin.

Fazit eines Zweiflers

Und trotzdem: Ich würd’s wieder tun. :) Es ist einfach herrlich, beim Rauschen der Wellen einzuschlafen und morgens als erstes einen Blick auf das Mittelmeer werfen zu können. Es ist toll, sich eine begrenzte Zeit lang um nichts kümmern zu müssen. Den Kellnern das Abräumen überlassen und der Küche den Abwasch. Sich sorglos an der Bar einen Cappuccino zu bestellen, ohne erst bei drei verschiedenen Cafés die Preise zu vergleichen. Und dann noch einen. Und dann einen Weißwein.

Ich halte es nach wie vor für fraglich, ob man dafür unbedingt in die Türkei fliegen muss, oder ob man im Normalfall (wenn man nicht gerade ohnehin einen Europa-Roadtrip macht, meine ich) der Umwelt nicht doch den Flug sparen und die deutsche Wirtschaft unterstützen sollte. Es bleibt mir das Gefühl, ökologisch gesehen eine Sünde begangen zu haben, die ich nur unter den spezifisch vorliegenden Umständen in meinem Fall halbwegs rechtfertigen kann. Wenn ihr mich fragt: „Ist es eine gute Idee, in Kusadasi all-inclusive Urlaub zu machen?“, dann sag ich ganz klar: „Nein! Fahrt an die Ostsee, bezahlt genau das, was ihr auch esst, und zieht eure Bettwäsche selber auf!“ Wenn ihr mich fragt: „Ist es schön im Hotel KoruMar?“, bleibt mir nichts als zuzugeben: Ja. Sehr.

Lernen mit Meerblick. Durchatmen auf der Langzeitreise.

Lernen mit Meerblick. Durchatmen auf der Langzeitreise.

* Das ist natürlich maßlos übertrieben. In Wirklichkeit haben wir vor allem viel Schule gemacht, die weitere Reise geplant und das Zusammensein mit Oma und Opa genossen.