Rhein-Promenade, Deutsches Eck und Kaiser Wilhelm sind schön und gut. Nicht nur für Familien aber ist das aktuelle Highlight der Stadt Koblenz eine Fahrt mit der Seilbahn über den Fluss hinauf zur Festung Ehrenbreitstein. Dort können sich Kinder und Erwachsene sonntags auf die Suche nach der goldenen Kanonenkugel begeben.

Die Seilbahngondel ist groß, hell und wirkt so vertrauenerweckend, dass sogar ich Höhen-Muffel mich ohne Probleme in das effiziente Nahverkehrsmittel über den Rhein traue. Innerhalb weniger Minuten gleiten wir über den trägen Fluss, sehen Kähne und Boote von oben und schließlich auch erste Wehranlagen. „Ich komme mir vor wie in einer Seifenblase“, sagt Silas, der am liebsten gar nicht aussteigen würde. Als im Seilbahnhof am westlichen Rheinufer die Türen aufgehen, bequemen wir uns aber doch nach draußen. „Letzte Seilbahnfahrt 17 Uhr!!“ erinnert uns ein Aushang eindringlich. Das müssen wir in der Tat im Hinterkopf behalten, denn sonst sind wir hier oben verratzt.

Wir folgen dem Wegweiser zur Festung hinüber. Am Ticketschalter mit der langen Schlange davor können wir getrost vorbeigehen, denn den Eintritt haben wir bereits im Kombiticket mit der Auffahrt bezahlt. Auch die Unterlagen für die Schatzsuche haben wir vorm Besteigen der Gondel bekommen. „Die Jagd nach der goldenen Kanonenkugel“ heißt das Programm, das in der Vorsaison sonntags im ganz normalen Eintrittspreis inbegriffen ist. Silas und Martin bearbeiten die Karte für Schatzsucher von fünf bis sieben Jahren, Janis und ich widmen uns den Aufgaben für Acht- bis Zehnjährige. Schon am Tor zum Festungsgelände stellt sich uns die erste Frage: „Das Schild über dem Feldtor besteht aus den Formen Dreieck und …?“ Gemeint ist die weiß-blaue Denkmal-Plakette. Der Vorschul/Erstklässler-Fraktion traut man die Benennung der geometrischen Form noch nicht zu; Silas muss bloß Farben „raten“. Das jeweilige Lösungswort tragen wir auf unserer Schatzkarte in ein Kreuzworträtsel ein.

Über dem Tor zur Festung prangt die Denkmal-Plakette. Sie ist Gegenstand unserer ersten Schatzsucher-Frage. (The blue and white badge marks Fort Ehrenbreitstein as a historical monument. It is part of our first challenge for our treasure hunt for the golden cannonball.)

Über dem Tor zur Festung prangt die Denkmal-Plakette. Sie ist Gegenstand unserer ersten Schatzsucher-Frage.

Im großen Turm ist das Museum zur Festungsgeschichte untergebracht. Auch hier finden wir die Antwort auf eine Schatz-Frage. Außerdem lernen wir, dass der Ehrenbreitstein bereits seit 3000 Jahren befestigt ist – Wahnsinn, und in Deutschland meines Wissens einzigartig. Schon die Bewohner der Bronzezeit legten Palisaden an. Später bauten die Römer ein erstes Kastell, um Rhein und Mosel als Verkehrswege und den nahe gelegenen Limes zu überwachen. Im Mittelalter und bis in die Neuzeit galt die Festung als uneinnehmbar. Belagern und Aushungern war die einzige Möglichkeit, die Herren in die Knie zu zwingen. Der Erzbischof von Trier baute im Jahr 1629 sein repräsentatives Schlösschen direkt in den Schutz der dicken Mauern, da sich sein Bischofssitz in der Nachbarstadt als zu unsicher erwies. 1799 siegten die Franzosen und ließen die Anlage sprengen, doch schon wenige Jahre später erstrahlte der uneinnehmbare Fels über den Flüssen wieder in neuem Glanz. Als Koblenz 1815 auf dem Wiener Kongress Preußen zugesprochen wurde, bauten diese die Trutzburg nach allen Regeln der modernsten Festungsbaukunst wieder auf. Erst nach dem ersten Weltkrieg gab man die militärische Nutzung des Ehrenbreitsteins auf.

„Guck mal, Mama, da ist das Denkmal-Zeichen vom Tor!“ ruft Janis und deutet auf eine Ausstellungsvitrine. Richtig. Und während die Fragen der Schatzsuche doch auf der Ebene einer recht oberflächlichen Schnitzeljagd bleiben, haben wir hier durchaus die Möglichkeit, mehr darüber zu erfahren. Die weiß-blaue Denkmal-Plakette nämlich soll seit der Haager Konvention von 1954 feindliche Truppen im Kriegsfall davon abhalten, Kulturgüter von historischer Bedeutung zu zerstören. Im Fall des Ehrenbreitsteins waren nach den Weltkriegen jeweils Diskussionen nötig, ob man das Ding nicht doch lieber ein für allemal aus der Welt schaffen sollte.

Janis konsultiert die Schatzkarte. Ab in die Kasematten? (Janis consults his treasure map. Are we going to the casemates now?)

Janis konsultiert die Schatzkarte. Ab in die Kasematten?

Wir folgen unserer Karte und erkunden Arrestzellen, nachgebaute Kasernenstuben und die Kasematten. In mehreren Gebäuden sind Ausstellungen des Landesmuseums von Rheinland-Pfalz untergebracht. Unter dem Titel „Zündende Ideen“ präsentieren sich Erfindungen aus der Region: der Audi etwa, der erst viel später nach Ingolstadt kam, und eine der ersten Gulaschkanonen. Lieblings-Erfindung unserer Jungs: Die Mainzelmännchen. Gebannt verfolgen sie die kurzen Spots auf dem Bildschirm, während wir Großen uns komplexeren Dingen wie der Pharmaziegeschichte widmen. In der Archäologie-Ausstellung staunen wir über die reichhaltigen Funde aus der Römerzeit. Die Aufmerksamkeitsspanne der Kinder ist so langsam erschöpft, aber auch hier ist für ihre Beschäftigung gesorgt: Sie bauen aus kleinen Ziegelsteinen römische Villen auf.

Auch eine "zündende Idee" aus Rheinland-Pfalz: die Mainzelmännchen. (Cute spots with dwarfs between TV commercials are an invention out of the federal state of Rhineland-Palatinate, just like all things shown in the special exhibition of the museum in the fort.

Auch eine „zündende Idee“ aus Rheinland-Pfalz: die Mainzelmännchen.

Ein letztes Abenteuer führt uns in die Tiefe. Unter dem Kuppelsaal sind 2005 Spuren uralter Befestigungen entdeckt worden. Inzwischen ist der Hohlraum zu einem mystisch-meditativen Multimedia-Erlebnis ausgebaut worden.

Jetzt haben wir alle Lösungsbuchstaben beisammen und wissen, wo wir die Goldene Kanonenkugel finden. „Bewacht“ wird sie von einem preußischen Offizier in Uniform. Bevor wir sie sehen dürfen, schaut der strenge Mann ganz genau hin. Wir dürfen passieren, aber die halbwüchsigen Bengels hinter uns haben noch etliche Lücken in ihrem Kreuzworträtsel und das Lösungswort nur erraten. „So geht das nicht!“ donnert der Soldat und schickt sie gnadenlos zum Nachbessern. Wir dagegen erhalten ein Lob für unsere disziplinierte Arbeit – und zur Belohnung gleich zwei goldene Kugeln pro Person. Die erste ist unterm Glitzerpapier süß und schokoladig. Die zweite ist kleiner und metallschwer. Für die Kinder gibt es außerdem eine Urkunde mit Foto vom Schatzsucher auf der Kanone „Greif“ aus dem 16. Jahrhundert.

Koblenz, Kaiser, Deutsches Eck am Zusammenfluss von Rhein und Mosel: Die Aussicht von der Festung Ehrenbreitstein ist spitze. (Good view over the German Corner with the Kaiser memorial where the rivers Rhine and Moselle meet.)

Koblenz, Kaiser, Deutsches Eck am Zusammenfluss von Rhein und Mosel: Die Aussicht von der Festung Ehrenbreitstein ist spitze.

„Und, wie hat’s euch jetzt gefallen?“ interviewe ich meine Jungs, als wir auf dem Rückweg wieder in der Seilbahnkabine sitzen. Großartig war das, da sind sich beide einig. „Dass wir was geschenkt bekommen haben, finde ich toll“, sagt Janis. „Und das Seilbahnfahren.“ Silas ist weniger materialistisch eingestellt: „Die Jagd war toll, die Schatzsuche auf der Festung. Das Suchen macht mir viel mehr Spaß als die Belohnung am Ende. Aber gefreut hab ich mich darüber natürlich schon.“

Inzwischen haben die Miniatur-Kanonenkugeln rege Verwendung als Playmobil-Schatz gefunden. Und auch sonst hat der Besuch der Festungsanlagen in Ehrenbreitstein und zwei Tage später in Saarbrücken die beiden inspiriert, denn Kasematten und Zitatellen gehören jetzt auch in jedem Playmobil-Scharmützel zur Grundausstattung. Mitunter übrigens inklusive selbstgemalter Denkmal-Plakette.

Die Festung Ehrenbreitstein ist von von April bis Oktober täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet, von November bis März schließt sie eine Stunde früher. Die Seilbahn fährt jetzt in der Sommersaison ebenfalls von 10 bis 18 Uhr. Das Kombi-Ticket kostet für eine Familie (2+max.4) 26,60 Euro.Wer ohne Seilbahnfahrt in die Festung möchte, zahlt für ein Familienticket 12 Euro (plus Parkgebühr, ein großer Parkplatz ist vor dem Eingang vorhanden). Die „Jagd nach der Goldenen Kanonenkugel“ gibt es am 11. April zum letzten Mal, aber dafür hält die Sommersaison schon ein neues buntes Programm bereit.