Die Briten werden sich nicht einig, wie sie mit dem mehrheitlich von ihnen gewünschten Austritt aus der EU umgehen sollen. Das britische Parlament will Neuverhandlungen um den von ihnen abgelehnten Deal, die EU lehnt das ab. So deutet alles mehr denn je auf einen „hard Brexit“ hin, den Sprung über die Klippe ohne Abkommen und Rechtssicherheiten für das Danach. Was bedeutet das für Urlauber, die 2019 nach Großbritannien reisen wollen?

Letztes Update: 25. März 2019. Die Aktualisierung dieses Artikels habe ich inzwischen eingestellt. Sämtliche Fakten zum Brexit dürften inzwischen hinlänglich bekannt sein. Einen aktuellen Reisebericht aus Großbritannien – besser: Schottland – habe ich inzwischen hier geschrieben: Osterferien in Schottland – unsere Rundreise im April 2022.

Zunächst einmal muss ich kurz klarstellen: Das hier ist ein persönliches Reiseblog. Ich habe keine große Recherche-Redaktion hinter mir, sondern sammele meine Informationen auch nur aus dem Internet, aus Dokus, Zeitungsartikeln deutscher, britischer und irischer Medien und lese das, was meine Kontakte aus jenen Ländern bei Twitter so posten. Ich bin in den vergangenen Jahren immer wieder in Großbritannien gewesen, da ich einen Familienreiseführer für Schottland* geschrieben habe. Aber ich bin entschieden eine Privatperson ohne echten Expertenstatus.

Im übrigen ist das große Problem, dass die verbindliche Antwort auf die Frage in der Überschrift lautet: Man weiß es nicht. „Hard Brexit“ bedeutet Rechtsunsicherheit. Alles bleibt ungeklärt.

Ich versuche dennoch eine Zusammenfassung von Wahrscheinlichkeiten zu geben. Vieles davon sind reine Blicke in neblige Kristallkugeln, aber das schreibe ich jeweils transparent dazu.

Einreise nach Großbritannien nach dem „hard Brexit“

Ich war mir lange Zeit sicher, dass Einreisen nach Großbritannien auch nach dem Brexit nicht das Problem sein werden. Und das glaube ich auch nach wie vor. Aber zumindest in der Übergangszeit könnte es bei einem „hard Brexit“ ohne jedes vorbereitende Abkommen wohl doch recht krass werden.

Einreisebestimmungen bis zum 29.3.2019

Bisher war Großbritannien EU-Mitglied, ist aber nie dem Schengen-Abkommen beigetreten. Bis zum 29. März 2019 also gilt: Einreise mit Pass oder Personalausweis (auch Kinder nur mit offiziellem Lichtbildausweis), auch auf dem Landweg (bzw. Fähre) wird jeder einzeln kontrolliert. Insgesamt ist die Einreise für EU-Bürger aber völlig unproblematisch.

Alle – EU, Theresa May, Brexit-Gegner wie Hardliner – wollen, dass das auch so bleibt. Aber weil an sämtlichen Abkommen immer so viel mehr hängt als das, gibt es bisher keine Einigung.

Einreisebestimmungen nach dem 29.3.2019

Was mir nicht klar war, was ich aber einem Artikel der Welt entnommen habe: Solange es kein bilaterales Abkommen gibt, das Einreisen verbindlich regelt, gilt automatisch eine Visumspflicht.

In allen Vorschlägen, die die Briten von sich aus vorgelegt („Chequers Plan“) oder mit der EU ausgearbeitet haben (und jetzt doch keine Mehrheit finden) , ist eine Übergangszeit vorgesehen, in der erst einmal alles so bleibt, wie es jetzt ist. Auch danach sollen die Regeln wohl im Wesentlichen so gestaltet werden wie in anderen Nicht-EU-Staaten, in denen eine Einreise bei weniger als 90 Tagen Aufenthalt problemlos und ohne Visum möglich ist, wie etwa in der Türkei.

Inzwischen hat nach die britische Regierung zugesichert, dass Einreisen für EU-Bürger auch im Fall eines harten Brexits bis mindestens zum 31. Dezember 2020 mit dem Personalausweis anerkannt werden. So steht es auf der Seite des Auswärtigen Amts, das bei seinen aktuellen Reise-Hinweisen als verbindlichste Anlaufstelle in deutscher Sprache gelten kann.

Die wahren Riesenprobleme, die der Brexit mit sich bringt, liegen im wirtschaftlichen Bereich, Handel und Industrie. Die Einreise für Touristen ist ein vergleichsweise kleines Problem.

Ein Problem, das über die Einreisebestimmungen hinaus geht, könnte die Abwicklung der neuen Zollbestimmungen werden. Hier kursieren Visionen von Staus von London bis Dover, weil LKWs ihre komplette Ware verzollen müssen, bevor sie aufs Schiff rollen dürfen. Ob auch da schnelle Sonderregelungen in der Übergangszeit das Schlimmste verhindern werden, wird spannend. Längere Wartezeiten an der Grenze auch für PKW-Passagiere scheinen jedenfalls zumindest in der Übergangszeit wahrscheinlich.

Was sich zum Thema Brexit aktuell tut, fasst übrigens der Münchner Merkur mehrmals täglich zusammen.

Einreisemöglichkeiten nach dem 29.3.2019 und das angekündigte Flug-Chaos

Eine Sache, die derzeit heiß diskutiert wird, ist das Flugrecht nach dem Brexit. In der harten Version ohne entsprechende Abkommen würden nämlich am Stichtag alle Landeerlaubnisse für alle Airlines erlöschen.

Ich hasse Fliegen, finde es umweltschutztechnisch bedenklich und halte es auch nicht für nötig für Reisen nach Großbritannien. Deshalb beschäftige ich mich mit dem Thema nicht sehr. Aber mir ist klar, dass viele potenzielle Großbritannien-Reisende Fragen zum Thema Fliegen nach dem Brexit haben.

Ich fürchte nur, so richtig viel Verbindliches ist darüber nicht zu erfahren. Ein Kommentar in der Zeit erläutert das Problem ein bisschen.  Die Hintergründe hat die BBC (auf Englisch) ausführlich auseinanderklamüsert: What would ’no deal‘ mean for aviation?  Das Szenario, dass Flugzeuge Ende März mangels Abkommen schlicht am Boden bleiben müssen, erscheint nicht unrealistisch. Dem Artikel zufolge sind Buchungen ab April derzeit nur mit dem Warnhinweis zu haben, dass der Flug möglicherweise nicht stattfinden kann und in dem Fall der Kaufpreis erstattet wird. Ein Grund mehr, die Fähre zu nehmen.

Schnäppchen-Urlaub oder Brexit-Chaos?

Wird bei all den Unsicherheiten ein Urlaub in England, Schottland oder Wales jetzt wenigstens spuckebillig?

Was macht das Pfund?

Als Martin und ich 2002 unseren ersten Urlaub in Großbritannien in Eigenregie unternahmen, mussten wir für ein Pfund etwa 1,60 Euro auf den Tisch legen. Das war ganz schön happig (und hat nur funktioniert, weil wir jung waren und uns drei Wochen von Nudeln mit Soße ernährt haben).

2008 und 2009 traf die Wirtschaftskrise Großbritannien hart, und der Kurs sank beinahe auf 1:1 (Tiefststand war 1,02 Euro). Da zusätzlich Restaurants und Läden Kampfpreise machten, war das ein finanziell sehr angenehmer, stimmungsmäßig allerdings denkwürdiger Nordirland-Urlaub für uns damals.

Nach der Brexit-Abstimmung sank das Pfund, das zwischenzeitlich wieder auf bis zu 1,46 Euro geklettert war, immerhin „nur“ auf 1,10 Euro. Am Tag vor der Abstimmung über den „Deal“ stand es bei 1,11 Euro, am Tag nach dem Misstrauensvotum sogar wieder bei 1,13 Euro. Ganz so dramatisch ist es vielleicht also gar nicht.

Was passiert, wenn sich die No-Deal-Konsequenzen in der Wirtschaft auswirken, steht in den Sternen. Meiner Wahrnehmung nach sind eigentlich alle Briten, die halbwegs rechnen können, in Panik aufgelöst. (Na gut, das ist übertrieben. Aber Sorgen machen sich wirklich alle.) Was ich so gelesen habe, erwarten in dem Fall alle Finanzexperten noch einmal einen deutlichen Kursabfall des Pfunds (ich hab von bis zu 25 Prozent gelesen), daraus folgend eine Rezession mit steigender Arbeitslosigkeit und gravierenden anderen sozialen Problemen. Die Tagesschau hat hier die zu erwartenden wirtschaftlichen Probleme eines harten Brexit kompakt zusammengefasst.

Der Urlaubsmarkt in Großbritannien

Für Urlauber in England, Schottland und Wales wäre das natürlich erst einmal prima, wenn man plötzlich mehr für seine Euronen bekommt. Fällt das Pfund auf ein Rekordtief, ist das ganz klar ein Grund für eine Reise nach Großbritannien.

Wie glücklich man dann unter solchen Umständen mit seinem Urlaub ist, ist natürlich eine andere Frage. Wir waren Anfang 2015 in Griechenland, als die (damals noch) extrem linke Syriza-Regierung gerade gewählt wurde, sind vor dem Parlament in Athen sogar in eine Anti-Merkel-Demo geraten – das war schon spannend. Insgesamt drei Monate waren wir auf dem Balkan unterwegs, wo wir viel Armut gesehen und uns manchmal gefühlt haben wie die gedankenlosen Geldsäcke aus dem imperialistischen Ausland. In Spanien und Portugal war das teilweise sogar noch schlimmer, wo während der Euro-Krise der massive Spar-Zwang herrschte und sich abseits der Touristenhochburgen im Stadtbild massiv bemerkbar machte. Ob das bald ein ähnliches Grundgefühl beim Reisen in Großbritannien gibt? (Ich kann es mir nicht vorstellen. Und selbst wenn, fände ich es für mich persönlich jetzt nicht so schlimm. Für die Briten wäre es halt bitter.)

Was für deutsche Touristen in Großbritannien Bedeutung haben könnte, ist das Szenario, dass die Briten selbst weniger Geld in der Tasche haben, um außerhalb ihres Landes Urlaub zu machen. Vor allem, wenn einfach das Pfund mies steht, werden sich mehr Familien als sonst mit Ferien an heimischen Küsten zufriedengeben (müssen). Das könnte somit sogar zu steigenden Preisen führen, auf jeden Fall aber zu hoher Auslastung. Mehr noch als vorher empfehle ich nach dem harten Brexit rechtzeitiges Buchen der Unterkünfte.

Zu erwartende Unannehmlichkeiten für Reisende nach dem Brexit

Das ist wieder so ein Kristallkugel-Ding. Vom Worst-Case-Szenario bis zum „ja, nix war“ ist alles drin. Schon im Juni schrieb die FAZ über Szenarien, auf die sich britische Krisenstäbe vorbereiten.

Brauche ich jetzt ein Visum für die Einreise nach Großbritannien?

Da habe ich oben ja schon einiges zu geschrieben. Dass Großbritannien wirklich visumspflichtig wird, halte ich für extrem unwahrscheinlich. Wer länger als 90 Tage bleiben will, wird sicherlich eins brauchen, ab 2021. Aber für den normalen Familienurlaub wird es nach dem harten Brexit vermutlich einen Stempel in den Pass (!) geben, und gut ist.

Was ist mit dem Whisky? Einfuhrbestimmungen und Zoll

Schon interessanter könnten die Einfuhrbestimmungen auch von Privatpersonen werden. Bisher sind innerhalb der EU die zollfreien Mengen relativ großzügig. Wer beispielsweise Whisky aus Schottland mit nach Hause nehmen wollte, durfte zehn Flaschen ausführen und damit die gesamte Verwandtschaft beglücken. Kommt keine entsprechende Regelung zustande, ist es nach dem harten Brexit nur noch eine einzige.

Auch hier ist es wahrscheinlich, dass es Sonderregelungen für die Übergangszeit geben wird. Auch das Auswertige Amt verweist hier bisher aber lediglich auf den Fakt, dass diesbezüglich nocht nichts feststehe.

Medizinische Versorgung im Großbritannien-Urlaub nach dem Brexit

Das ist ein kritischer Punkt, der Touristen unter Umständen fies treffen könnte. Im EU-Ausland kann jeder im Notfall mit seiner Krankenkassenkarte zum Arzt gehen und wird kostenlos behandelt. Der Arzt oder das Krankenhaus rechnet dann direkt mit der Krankenkasse ab.

Nach einem harten Brexit sind alle diesbezüglichen Abkommen hinfällig. Im medizinischen Notfall erhält man natürlich trotzdem Hilfe. Allerdings kann es gut sein, dass man dafür dann zuerst seine Kreditkarte über den Tresen reichen muss. Eine zusätzliche Auslandskrankenversicherung ist also angebracht.

Und: Das britische Gesundheitswesen ist jetzt schon eine mittelschwere Katastrophe. Wenn das ganze EU-Personal da die Krankenhäuser verlassen muss – gute Nacht, Marie. (Allerdings: Das spanische Gesundheitswesen zum Beispiel läuft auch nicht besser, habe ich gehört, und die wenigsten verzichten deshalb auf einen Urlaub in Spanien.)

Vermutlich wird es in der Zeit direkt nach dem Brexit auch zu gravierenden Engpässen bei Medikamenten kommen – allerdings sowohl auf der Insel als auch im Rest der EU. Die Ärzte-Zeitung berichtet von geplanten Rationierungen in britischen Apotheken, das Handelsblatt von der Problematik, dass ursprünglich in Großbritannien angemeldete Medikamente ohne Abkommen ihre Zulassung in der restlichen EU verlieren. [Beide Links inzwischen offline.]

Auf Twitter habe ich neulich eine Geschichte verfolgt, dass britische Tierbesitzer kaum noch einen Termin für eine Kastration bekommen. Spekulanten haben anscheinend Hamsterkäufe des Narkosemittels getätigt, das auch für Menschen genutzt wird – in der Hoffnung, es bei zu erwartenden Lieferengpässen gewinnbringend zu verkaufen. In dem Sektor wird es also auch noch mal extrem spannend…

Straßenkämpfe oder geschlossene Hotels und Restaurants?

Ganz pessimistische Zeitgenossen erwarten bürgerkriegsähnliche Zustände. Das halte ich für völlig übertrieben. Aber eine Art Ausnahmezustand könnte schon herrschen, direkt nach dem harten Brexit.

Was passieren kann, wenn Arbeitnehmer aus dem EU-Ausland ihre Arbeitserlaubnis verlieren, sind Engpässe in verschiedenen Bereichen. Vor allem im Niedriglohnsektor waren viele Gastarbeiter aus Polen und anderen osteuropäischen Ländern tätig (ja, okay, der Begriff ist in diesem Kontext nicht ganz korrekt, aber faktisch kommt es hin). Das war ja einer der Gründe für viele Briten, die nicht von hier bis an die Wand denken können, für den Brexit zu stimmen: „Ich will nicht, dass mir im Alter Polen den Hintern abwischen.“ Dass es dann stattdessen niemand tut, werden sie nun wohl auf die harte Tour erfahren.

Saisonkräfte in Cafés und Hotels werden schwieriger zu bekommen sein. Handtücher und Bettwäsche in Hotels könnten knapp werden, wenn es niemanden gibt, der in den Wäschereien arbeitet. Kann schon sein, dass die Briten selbst wieder bescheiden genug für solche Jobs werden, wenn in der Wirtschaft erst einmal der große Stellenabbau begonnen hat. Bis dahin wird es aber vermutlich ordentlich rumpeln im Getriebe.

Wie groß ist das Risiko eines „hard Brexit“ wirklich? Tut sich da noch was?

Es gibt natürlich ein paar Träumer, die lächelnd Plakate mit Sprüchen wie „Do Deal? No Problem!“ in die Kamera halten. Und die, die wie Theresa May selbst an dem Spruch festhalten „besser kein Deal als ein schlechter Deal“. Die große Mehrheit der Briten wünscht sich aber wenigstens geordnete Verhältnisse für einen Austritt, wenn der schon sein muss. Entsprechend hat ja sogar das Parlament bei der Abstimmung über Änderungen des Ausstiegsvertrags am 29. Januar dafür gestimmt, dass es keinen harten Brexit geben dürfe (was keinerlei rechtliche Konsequenzen hat und eher einer Absichtserklärung entspricht, aber immerhin).

Die neuesten Entwicklungen sind so aktuell, dass sich im Netz noch wenige verlässliche Quellen finden lassen, was nun mit welcher Wahrscheinlichkeit weiter passiert. Nach der Abstimmung über die Änderungsanträge am 29.1. im Parlament ist die Situation folgende:

  • Man ist sich einig, dass es keinen hard Brexit geben soll.
  • Es gibt eine parlamentarische Mehrheit dafür, dass der Vertrag mit der EU neu verhandelt wird.
  • Die EU hat von vornherein gesagt, dass sie keinen Änderungen an dem mühsam ausgerungenen Vertrag zustimmen wird.
  • Der Knackpunkt, den viele Parlamentarier geändert haben möchten, ist der „Backstop“ für Nordirland, der eine harte Grenze zur Republik Irland verhindert. Gerade da hängt für die EU (und für Irland!) sehr viel dran. Da was zu ändern – oder selbst, den Irrsinn praktisch durchzuführen und Grenzposten einzurichten an einer Grenze, die in der Realität nicht sichtbarer ist als eine zwischen zwei deutschen Bundesländern – wird sehr, sehr schwierig.
  • Der Traum vieler Briten (die ich persönlich kenne), in einem zweiten Referendum noch einmal darüber abstimmen zu dürfen, ob es überhaupt einen Brexit gibt, ist durch die Abstimmungen vom 29. Januar vom Tisch. Ein entsprechender Antrag wurde abgelehnt. Update: Möglicherweise könnte da jetzt doch noch was gehen, wenn der Stichtag verschoben und alles noch mal von vorne durchgekaut wird – was für ein Spaß!

Das britische Parlament ist nun der Auffassung, dass es seinen Teil getan hat und sich die EU nun bewegen muss. Es ist ein bisschen so, finde ich, als hätte die Klasse meines Sohnes darüber abgestimmt, dass sie montags jetzt immer schulfrei haben wollen, eine Mehrheit dafür gefunden, und würde jetzt beim Schulleiter vor der Tür stehen und fordern, er solle da jetzt bitte entsprechend drauf reagieren.

Was wirklich passieren wird, ist schwer zu sagen. Vielleicht wird die EU einknicken und tatsächlich nachverhandeln. Gerade aber bei der Nordirland-Frage ist das kritisch, da gibt es schlichtweg wenig Spielraum. Es ist ja schon alles hin und her versucht worden in den Verhandlungen. In dem Antrag, den das britische Parlament angenommen hat, ist schwammig die Rede von „andere Möglichkeiten finden, eine harte Grenze zu verhindern“. Gäbe es diese Möglichkeiten, hätte man sie doch schon längst benannt!

Selbst wenn der Stichtag für den Brexit jetzt noch einmal verschoben werden sollte, glaube ich kaum, dass man auf dieser Ebene eine tragbare Lösung findet. Das Problem ist, dass viele Populisten im Parlament sitzen, die partout nicht kompromisswillig sind. Wenn jeder auf seiner Überzeugung beharrt und sich keine Mehrheit für irgendwas findet, befördert das Fließband alle bockigen Politiker und mit ihnen das ganze Land irgendwann doch über die Klippe in den ungeordneten Brexit.

Und wenn es tatsächlich zu einem zweiten Referendum kommen sollte – im Gespräch wäre eins, bei dem die Menschen zwischen einem nicht näher bestimmten (und eben bestimmbaren, s.o.) geordneten Brexit und EU-Verbleib wählen dürften – wird es wahrscheinlich wieder nur eine Mehrheit für „geordneten Brexit“ geben. Und dann geht der zum Scheitern verurteilte Versuch, diesen Brexit zu ordnen, wieder von vorne los… (Das ist jetzt meine persönliche Befürchtung aus meiner Kristallkugel, wie es wirklich kommt, müssen wir halt sehen.)

Soll man jetzt 2019 nach Großbritannien reisen oder lieber nicht?

Ich bereue zutiefst, dass wir in den Osterferien schon andere Pläne zugesagt haben, denn ich würde total gerne im April nach England reisen und mir das Spektakel ansehen. Auch im Sommer werde ich leider anderweitig beschäftigt sein. Aber ich würde ohne zu zögern 2019 nach Großbritannien reisen, schlichtweg aus journalistischer Neugier.

Allerdings würde ich doch auf die Stornierungsbedingungen achten und absagen, wenn es mit den Wartezeiten an der Grenze doch zu arg aussieht. Und nur die Fähre buchen, keinen Flug (eh, immer).

Unterm Strich denke ich – hard Brexit oder nicht – dass sich für Urlauber nach einer leicht chaotischen Übergangszeit alles relativ schnell wieder einspielt. Und dass man dann mit etwas Glück gut Schnäppchen machen kann, wenn man rechtzeitig bucht.

Besser Schottland als England?

Meine liebe Blogger- und Reiseführerautorinnen-Kollegin Antje Gerstenecker ist vor allem im Süden Englands, in Cornwall und Devon, unterwegs. In ihrem eigenen Brexit-Artikel in ihrem Blog Mee(h)r-erleben berichtet sie von stark gestiegenen Hotelpreisen, weil nun so viel mehr Briten die eigenen Südküsten stürmen [inzwischen leider offline]. Und, was mich echt sprachlos gemacht hat, weil ich das im Norden so gar nicht erlebt habe: Sie erzählt von einer deutlich anti-deutschen oder zumindest anti-europäischen Stimmung, der sie dort (bei einer Minderheit!) in Form von Stinkefingern bis hin zur Ablehnung deutscher Gäste in einem B&B begegnet ist.

So etwas habe ich in Schottland nie erlebt (auch nicht in drei Tagen London und drei Tagen Wales 2018, aber das sind natürlich alles nur Momentaufnahmen). In Schottland wird hingegen oft und gerne, sobald man auch nur ansatzweise mit Einheimischen ins Gespräch kommt, über die Engländer und ihren Brexit geschimpft (in meinem Stimmungsbericht aus dem Jahr 2017 habe ich ausführlich über solche Gespräche geschrieben). Ob das nun so viel sympathischer ist, nur weil man in dem Fall persönlich nichts abkriegt, lasse ich mal dahingestellt.

Was ich für möglich halte (aber vielleicht ist das auch nur ein frommer Wunsch, der meiner Hoffnung entspringt, mehr meiner mit so viel Herzblut geschriebenen Reiseführer zu verkaufen), ist, dass Schottland für Deutsche und Europäer das interessantere Reiseziel wird. Wenn dort die Engländer weniger auf den (noch) eigenen Markt drängen, weil sie sich weniger willkommen fühlen können, bleiben die Preise vielleicht eher niedrig als an den südbritischen Stränden, wo die Einheimischen auch mehrheitlich für den Brexit gestimmt haben.

Was langfristig nach einem Brexit mit der Union aus England und Schottland passiert, ist natürlich die nächste spannende Frage. Kommt es tatsächlich zum hard Brexit, wird die Unabhängigkeitsbewegung Aufschwung nehmen, und die Karten werden wieder völlig neu gemischt.

Ein Blick ins Zeitungsregal im Supermarkt in Schottland, 2017.

Alternative Irland-Urlaub

Wem Großbritannien 2019 doch zu unsicher ist, sollte darüber nachdenken, ob Irland nicht ein gutes alternatives Reiseziel wäre. Der kleine Nachbar wird wirtschaftlich unter dem Brexit wohl mindestens genauso übel leiden wie Großbritannien, ohne auch nur ein Mitspracherecht gehabt zu haben.

Kommt es zum harten Brexit, wird es im Norden sicherlich Komplikationen und Staus geben. Im Süden und Westen aber ist die dann harte Grenze (haha) weit weg. Kerry ist zurecht beliebt, Dingle ist toll, Mayo auch, Connemara sowieso…

Den treuen EU-Partner da zumindest im touristischen Sektor zu unterstützen, wäre eigentlich eine feine Geste (und das sage ich nicht nur, weil ich auch einen hervorragenden Familien-Reiseführer für Irland* geschrieben habe ;) ).

Familien-Reiseführer Irland mit Kindern

Ein bisschen Eigenwerbung muss schon erlaubt sein…

Reise-Ideen für Irland stehen auch etliche frei zugänglich hier im family4travel-Blog.

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