Sie ist einer der bedeutendsten archäologischen Funde der vergangenen hundert Jahre weltweit. Sie hat dafür gesorgt, dass wir die mitteleuropäische Frühgeschichte plötzlich mit ganz anderen Augen betrachten. Und die Geschichte ihrer Entdeckung ist spannender als jeder Krimi. Die Rede ist von der Himmelsscheibe von Nebra, die auf ihrer Tournee gerade in Minden Station macht.

Als Replik, wohlgemerkt. Aber das macht gar nichts. Während die echte Scheibe wohl verwahrt im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle an der Saale bleibt, trägt die Wanderausstellung „Ein Himmel auf Erden“ das Mysterium der Bronzezeit inhaltlich in vollem Umfang von Ort zu Ort. Durch diesen Kunstgriff dürfen alle Besucher der originalgetreuen Nachbildung des unbezahlbaren Kulturschatzes ganz nah kommen, auf Augenhöhe.

So sah die Himmelsscheibe von Nebra aus, als Raubgräber sie stümperhaft aus dem Boden buddelten. Ihre Nachbildung fasziniert die Besucher der Ausstellung auf Augenhöhe. (This is how the Nebra sky disk must have looked like after some pot-diggers excavated it back in 1998.)

So sah die Himmelsscheibe von Nebra aus, als Raubgräber sie stümperhaft aus dem Boden buddelten. Ihre Nachbildung fasziniert die Besucher der Ausstellung auf Augenhöhe. (This is how the Nebra sky disk must have looked like after some pot-diggers excavated it back in 1998.)

Wir betreten die Sonderausstellung im Erdgeschoss des Museums in der Ritterstraße und stehen direkt davor. Im geheimnisvollen Zwielicht schimmern die Goldapplikationen der Himmelskörper. Ehrfurchtsvoll zählt Silas die Sterne. Dann sprudeln die Fragen aus den beiden Jungs heraus: „Warum fehlt da ein Stück an der Sonne?“ – „Soll das überhaupt die Sonne sein, oder ist das der Vollmond?“ – „Was sind das da für Löcher?“ – „Und was bedeuten diese Metallringe hier daneben?“

Überhaupt interessieren die beiden – typisch Jungs – nach einer ersten Bestandsaufnahme vor allem die Schwerter und Beile, die Wissenschaftler lapidar Beifund nennen. Auch sie aber sind immens wichtig, lernen wir gleich darauf anhand der Infotexte, denn da die Himmelsscheibe einzigartig und damit unvergleichlich ist, braucht es Form und Verzierungen der Alltagsgegenstände für eine Datierung. So wissen wir, dass die Scheibe vor etwa 3600 Jahren vergraben wurde, ausgestattet wie eine Herrscherpersönlichkeit bei ihrem Tod. Wann genau sie hergestellt wurde und wie lange sie in Gebrauch gewesen ist, lässt sich dagegen nicht ohne weiteres sagen.

Wir nehmen uns die Ausstellungsvitrinen vor, und nach und nach finden wir Antworten auf jede unserer Fragen – selbst wenn die sich mitunter mit „man weiß es nicht“ zusammenfassen lassen. Janis, der immer gern Handwerkern zuschaut, verfolgt gebannt das Video, das die Herstellung der Replik und die dafür nötigen Techniken zeigt. Silas und ich erkunden derweil die tiefere Bedeutung, die das Riesen-Schmuckstück für seine Hersteller gehabt haben muss. Schnell stellen wir fest, dass sich diese anscheinend im Laufe der Zeit veränderte und – kurz gesagt – von „einfach und unglaublich clever“ zu „schick aber zunehmend nutzlos“ verkam. Während in der ersten Phase noch ausgeklügelte Schaltregeln des bäuerlichen Erntejahres codiert waren, funktionierte das Kalender-Objekt nach ihrer religiösen Umdeutung und Umgestaltung schlichtweg nicht mehr richtig, und ohnehin war das Wissen, es zu lesen, offenbar verloren gegangen.

Ebenso spannend wie die Dechiffrierung des jahrtausendealten Astronomie-Wissens ist die Geschichte der Wiederentdeckung des vergrabenen Kultobjekts. Raubgräber waren es, die 1998 auf den Sensationsfund stießen und ihn bei ihrer stümperhaften Bergung unwiederbringlich beschädigten. Verdeckte Ermittlungen, ein Museumsleiter als Lockvogel und eine Verhaftung in einer Baseler Hotel-Lobby folgten.

Wer sich noch näher mit der Himmelsscheibe auseinandersetzen möchte, setzt sie passgenau wieder zusammen. (The puzzle is a lot more demanding than it looks - family fun in the touring exhibition in Minden.)

Wer sich noch näher mit der Himmelsscheibe auseinandersetzen möchte, setzt sie passgenau wieder zusammen. (The puzzle is a lot more demanding than it looks – family fun in the touring exhibition in Minden.)

Während ich mich den Feinheiten der Ausstellung widme, mir noch einmal gründlich sämtliche Texte zu Gemüte führe und die Info-Grafiken studiere, vergnügen sich die Jungs mit dem überdimensionalen Holzpuzzel. Das Bild der Himmelsscheibe ist in heftig viele Quadrate unterteilt – tatsächlich eine Herausforderung für die ganze Familie.

Fazit: Spannende Materie auf mehr als einer Ebene! Der Besuch der Ausstellung eignet sich prima für die ganze Familie. Mindestens eine, maximal zweieinhalb Stunden Zeit sollte man einplanen.

Das Mindener Museum befindet sich in der Ritterstraße 23-33, 32423 Minden. Die Sonderausstellung „Ein Himmel auf Erden – das Geheimnis der Himmelsscheibe von Nebra“ ist noch bis zum 19. Oktober 2014 zu sehen, und zwar dienstags bis sonntags von 12 bis 18 Uhr. Der Eintrittspreis für Erwachsene beträgt 4 Euro, Kinder bis zwölf Jahre haben kostenlosen Eintritt.
Die Museumspädagogik bietet spezielle Programme für Schulklassen, Kindergeburtstage und Ferienspaßaktionen in den Sommer- und Herbstferien, nähere Informationen gibt es telefonisch unter (0571) 9724020.

Freitags zeige ich euch spannende Ausflugsziele aus Schaumburg und der näheren (und weiteren) Umgebung. Es gibt so viel zu erkunden in aller Welt, aber auch bei uns zu Hause warten genügend kleine, große und völlig unterschätzte Sensationen darauf, entdeckt zu werden. Und vielleicht ist ja genau die richtige Idee für eure Wochenend-Planung dabei?