Isafjördur ist ein kleines Nest im äußersten Nordwesten Islands. Seit dort regelmäßig Kreuzfahrtschiffe anlegen, hat sich die Siedlung zum Reiseziel gemausert. Aber wie verbringt man einen Landgang in der winzigen Stadt? Was muss man gesehen haben – GIBT es überhaupt irgendwelche Sehenswürdigkeiten in Isafjördur? Und wie klappt das, wenn auf einen Schlag mehr Touristen den Ort überfluten, als er Einwohner hat? Unser Erfahrungsbericht vom Kreuzfahrt-Selbstversuch mit individuellem Landgang.

Die Einfahrt in den Fjord ist schon einmal atemberaubend. Links und rechts erheben sich steil die Berge, Kirkjubólsfjall auf der einen und Eyrarfjall auf der anderen Seite. Isafjördur liegt auf einer Sandbank, quasi mitten im Fjord. Um Siedlungsraum in dieser unwirtlichen Umgebung zu gewinnen, ist sie im Laufe der Jahrhunderte immer weiter aufgeschüttet worden. Heute bildet das Stadtgebiet eine Art Hufeisen, in deren Mitte geschützt der Hafen liegt.

Isafjördur, Island, Ausblick auf die Stadt.

Isafjördur liegt am und im Fjord. Größtes Gebäude ist das neue Krankenhaus – zumindest, wenn nicht gerade ein Kreuzfahrtschiff am Pier liegt.

Wir ziehen uns warm an und nötigen auch die Kinder, den dicken Pulli unter der Winterjacke zu tragen. Selbst Anfang August steigt die Temperatur in Isafjördur an diesem grauen Hochsommertag gerade so auf zehn Grad.

Isafjördur: Großstadt auf Isländisch

Beim Blick auf die Island-Karte ist Isafjördur recht leicht zu lokalisieren. Es liegt mittig an der Küste der Region Westfjorde (Vestfirðir), dem merkwürdigen Auswuchs im Nordwesten der Insel. Obwohl es (zumindest im Sommer) Straßenverbindungen von Reykjavik aus gibt, ist das geografische Anhängsel nicht ganz leicht zu erreichen. Die Wege sind weit durch die zerklüfteten Fjorde, und so führt die klassische Touristenroute auf dem Island-Roadtrip sauber dran vorbei.

Isafjördur, Island, Altstadt

Hätte ich mal ein besseres Foto von dieser Plakette an einem der Altstadt-Häuser gemacht. Dann könnte man den Westfjorde-Auswuchs an der Island-Silhouette oben links besser erkennen.

Nur drei Prozent aller Isländer wohnen in den Westfjorden, die mehr als dreimal so viel Fläche besitzen wie das Saarland.

„Alle Isländer“ sind von vornherein nicht besonders viele (mit einer Einwohnerzahl von rund 340.000 leben auf Island weniger Menschen als in Wuppertal). In Isafjördur sind 2527 Bewohner gemeldet, und das macht die Siedlung zur unangefochtenen Metropole der Westfjorde.

Für isländische Verhältnisse also steppt der Bär in Isafjördur. Es gibt mehrere Restaurants und Kneipen, ein Krankenhaus, eine Bibliothek und seit 2005 sogar eine Hochschule.

Isafjördur, Island, Sehenswürdigkeiten

Im grauen Zwielicht des isländischen Hochsommers klingen Isafjördurs kulturelle Angebote noch verlockender.

Zeitplanung für den individuellen Landgang in Isafjördur

Wir haben keinen Ausflug gebucht und wollen Isafjördur auf eigene Faust erkunden. Obwohl absolute Kreuzfahrt-Neulinge, haben wir an Landgang-Tag Nummer drei unsere Vorgehensweise fast schon perfektioniert. Wir stehen früh auf, stürmen mit als erste das Frühstücksbuffet und beobachten von unserem Fensterplatz aus, wie sich unser riesiges Schiff an die vergleichsweise winzige Mole schiebt.

Rechtzeitig finden wir uns unten am Ausstieg ein und sind folglich unter den ersten, die das Schiff verlassen.

Isafjördur, Island, Kreuzfahrt Hafen

Die Invasion der Kreuzfahrer beginnt. Wir sind ganz vorne mit dabei.

Im Laufe des Tages stellt sich heraus, dass zumindest in Isafjördur gar nicht so große Eile geboten ist. Unser Riesenpott liegt hier den ganzen Tag vor Anker. Und, na ja, so groß ist Isafjördur eben nicht.

An einem vollen Tag in der Stadt wird uns zwar nicht wirklich langweilig. Aber am frühen Nachmittag haben wir das Gefühl, eigentlich alles gesehen zu haben, so dass wir uns sogar einen kurzen Zwischenstopp auf unserem Schiff zum Mittagessen gönnen (folglich keinen einzigen Euro Devisen hier lassen und weiterhin dazu beitragen, dass Kreuzfahrtouristen immer unbeliebter werden).

Sehenswürdigkeiten von Isafjördur

Was aber kann man sich denn nun ansehen in Isafjördur? Welche Sehenswürdigkeiten gibt es? Nun, einerseits praktisch keine. Andererseits fanden wir gerade unseren Landgang in der kleinen Stadt der Westfjorde unheimlich spannend, weil die Stadt als solche, als zivilisatorischer Außenposten in der unwirtlichen Arktis, absolut sehenswert ist.

Die Altstadt

Auf unserem Erkundungsgang durch die kleine Stadt landen wir als erstes in Isafjördurs Altstadt. Von der „Haustür“ des Kreuzfahrtschiffs aus sind es ungefähr 100 Meter, denn die ursprüngliche Keimzelle der Siedlung war direkt hier im Hafen.

Isafjördur, Island, Altstadt mit Schiffen

Dass Schiffe das Altstadtbild mehr dominieren als die Häuser, sagt eine Menge über Isafjördur aus.

Die Altstadt besteht aus ungefähr fünf Häusern und nennt sich Neðstikaupstaður. Die kleine Ansammlung bildet den ältesten erhaltenen Siedlungskern Islands. Deutsche, Engländer und Dänen errichteten hier im 16. Jahrhundert Handelsniederlassungen. Das älteste Haus, das heute noch steht, datiert von 1734.

Isafjördur, Island, Sehenswürdigkeiten Altstadt

Altbau auf Isländisch. Diese Immobilien-Antiquität ist noch mit Holz verkleidet. Die moderneren Häuser greifen mangels Bauholz heute meist auf Aluminium zurück.

Das Museum

Im ältesten Haus der Altstadt ist das Heimatmuseum untergebracht, das Byggðasafn Vestfjarða.

Dem Vernehmen nach gibt es hier eine Ausstellung über die Stadtgeschichte und hauptsächlich über den Fischfang, der darin immer eine zentrale Rolle gespielt hat.

Isafjördur, Island, Sehenswürdigkeiten Museum Byggðasafn Vestfjarða

Zumindest von außen lohnt sich der Anblick des kleinen Museums durchaus.

Heute platzt das Museum natürlich aus allen Nähten. Da es außerdem umgerechnet mehr als zehn Euro Eintritt pro Person kostet, verzichten wir auf das Erlebnis.

Wir fragen nachher Mitreisende, die sich den Spaß gegönnt haben, und ihre Aussagen variieren von „ganz nett gemacht, so für maximal eine Stunde“ bis „kannste vergessen“. Laut Reiseführer sucht die Sammlung historischer Fischerei-Artefakte auf Island jedenfalls ihresgleichen.

Die Innenstadt

Isafjördurs Stadtzentrum ist schnell durchschritten. Aber es ist durchaus interessant, sich das lokale Zentrum isländischer Peripherie einmal anzusehen. Richtig hübsch zurechtgemachte Häuser wechseln sich ab mit solchen, die ihre besseren Zeiten definitiv hinter sich haben. Manches mutet in seinem Betongrau beinahe post-sozialistisch an, anderes sprudelt geradezu über in optimistischer Farbigkeit.

Isafjördur, Island, Haus mit Aluminiumverkleidung

Das hier ist so ein Zwischending auf der Hauptstraße vom Hafen zum Marktplatz. Hat schon was, finde ich (aber ich steh auch auf shabby chick). Gut zu erkennen ist hier jedenfalls die typische Aluminiumverkleidung, die man aus der Ferne sonst gerne für Holz hält.

Apropos optimistisch: Auf dem zentralen Marktplatz bietet die Alte Bäckerei im Sommer sogar ein paar Außensitzplätze neben einem Oldtimer.

Isafjördur, Island, Stadtzentrum Bäckerei Café

Downtown Isafjördur.

Entlang der Hauptstraße reihen sich einige Boutiquen und Galerien aneinander. Das Preisgefüge ist für deutsche Touristen allerdings dermaßen jenseits von Gut und Böse, dass wohl niemand zu ausgiebigen Shopping-Trips animiert wird (in einem Reisebericht des Blogs „Moderne Kreuzritter“ habe ich ein paar Preisbeispiele gefunden, ich hab mir leider keine aufgeschrieben).

Isafjördur, Island, Stadtvilla

Diese Stadtvilla sieht mit ihren klassizistischen Elementen sieht richtig schick aus, obwohl auch sie mit Aluminium verkleidet ist.

Die Kirche

Eines von Isafjördurs markantesten Gebäuden ist die Kirche, deren genauen Namen ich kurioserweise weder vor Ort noch nachträglich im Internet recherchieren konnte. Was ich hingegen weitergeben kann: Der geschwungene Betonbau aus dem Jahr 1987 soll die Wellen des Ozeans symbolisieren (warum er dann ockerfarben und nicht blau angestrichen ist, entzieht sich meiner Kenntnis).

Isafjördur, Island, Kirche und Friedhof

Über die architektonische Schönheit der Kirche von Isafjördur scheiden sich die Geister. „Markant“, sagt man da wohl diplomatisch.

Als Altarbild dienen 746 Tonvögel, jeder von einem ortsansässigen Gemeindemitglied selbst getöpfert und mit einer Metallstange an der Wand befestigt. Ich bin einerseits von der schlichten, aber feierlichen Atmosphäre im Inneren des Gotteshauses beeindruckt, andererseits kommt mir die Gestaltung des Altarraums so heidnisch vor – aber irgendwie passend für diesen gottverlassenen Winkel der Arktis. Offenbar beziehen sich die Vögel aber auf eine fromme, wenn auch außerbiblische Geschichte, von der ich noch nie gehört habe (die vielleicht aus der lokalen Mythologie stammt und zusammen mit den Einwohnern christianisiert wurde?). Demzufolge soll Jesus als Kind Vögel aus Ton geformt und ihnen Leben eingehaucht haben.

Isafjördur, Island, Kirche von innen

So außergewöhnlich wie ihr Äußeres ist auch das Innere der Kirche von Isafjördur.

Der Friedhof

Als besonders spannend empfinden wir einen Spaziergang über den Friedhof von Isafjördur. In seiner weitgehend blumenlosen Schlichtheit wirkt er noch wesentlich trostloser als seine heimatlichen Pendants. Logisch, dass es sich bei einer derart kurzen Vegetationsperiode nicht lohnt, Gräber zu bepflanzen. Wir wandern an den schmucklosen Betonkisten entlang und lesen die Namen der verblichenen Stadtbewohner.

Isafjördur, Island, Friedhof

Rasengräber auf Isländisch.

Die Seitenstraßen

Nachdem wir Kirche und Friedhof hinter uns gelassen haben, laufen wir durch einen kleinen Park (endlich etwas Grün) und vorbei am alten Krankenhaus, das zu einer Art Kulturzentrum umfunktioniert worden ist.

 

Anschließend erreichen wir das „Festland“, denn bis hierher waren wir auf der Sandbank unterwegs, die teils natürlich, teils aufgeschüttet im Fjord entstanden ist.

Isafjördur, Island, Wohngebiet

Isafjördur außerhalb des Stadtzentrums.

Hier gibt es noch ein paar mehr Seitenstraßen, deren Bebauung eher neuerem Datums ist. Besonders spannend für die Jungs ist der Einblick in eine Baustelle. Im Querschnitt des abgetragenen Bodens erkennen wir schwarze Asche-Schichten, die von zurückliegenden Vulkanausbrüchen künden.

Isafjördur, Island, Ascheschicht vom Vulkanausbruch

Geologieunterricht zum Anfassen auf einer isländischen Baustelle.

Ein Spielplatz

Für unsere Jungs war lange Zeit eine Stadtbesichtigung nur dann akzeptabel, wenn wenigstens ein Spielplatz-Stopp drin war. Isafjördur hat Kindern in dieser Hinsicht nicht so richtig viel zu bieten. Aber zumindest einen kleinen Spielplatz finden wir dann doch, als wir auf dem Rückweg durch eine weniger attraktive Gegend flanieren.

Isafjördur mit Kindern, Island, Spielplatz

Isafjördur mit Kindern – maßgeschneiderter als das hier wird es nicht. Aber hey, es gibt so viel anderes Spannendes zu entdecken! (Und nachher ist der Nachwuchs umso dankbarer, dass er ein paar Kilometer weiter südlich wohnt.)

„Wandern“ bis zur Stadtgrenze

Nach unserer Mittagspause auf dem Schiff haben wir Isafjördur zwar gründlich erkundet, aber immer noch zwei Stunden Zeit, bevor wir endgültig wieder an Bord sein müssen. Also verlassen wir unser schwimmendes Hotel erneut, um auch die Umgebung der Stadt ein wenig abzugrasen.

Unser Plan ist eine kleine Wanderung. Leider wird daraus nicht so wirklich was. Da die Stadt am Skutulsfjord sich an den steilen Schotterhang schmiegt, gibt es schlichtweg keine Möglichkeiten zum Wandern. Nur die kurvige, bürgersteiglose Straße führt aus dem Ort heraus.

Für einen Spaziergang ins Grüne reicht es aber immerhin. Wir laufen Richtung Hang durch die Seitenstraßen. Nach einem (sehr) kurzen Fußmarsch haben wir einen Brink erreicht, von dem aus wir sogar eine sehr nette Aussicht über Stadt und Hafen haben.

Isafjördur, Island, Wandern

Ab ins Grüne! Jedenfalls so ein bisschen.

Bei meiner nachträglichen Internetrecherche bin ich auf den Hinweis gestoßen, dass die Tourist Information Auskunft über Wandermöglichkeiten in unmittelbarer Nähe gibt. Vielleicht haben wir also doch etwas übersehen, und es lohnt sich, dort mal nachzufragen (Adalstraeti 7).

Isafjördur, Island, Wandern mit Kindern

Bei unserem Besuch endet dieser Weg nach ein paar Metern im Nichts. Vielleicht ist er ja mittlerweile zu einem Rundweg ausgebaut?

Wir und die anderen 2000 Touristen

Wenn ein Kreuzfahrtschiff anlegt und die Zahl der Menschen in dem kleinen Ort ein paar Stunden lang locker verdoppelt, dann platzt Isafördur aus allen Nähten.

Aber ich muss sagen, ich hatte mir das viel schlimmer vorgestellt. Obwohl wir als (kritischer) Teil der Invasion mitten in der Menschenflut schwammen, verlief sich diese ziemlich schnell in den Ritzen der Stadt, oder bildete Pfützen, die wir einfach nur meiden mussten.

Isafjördur, Island, Innenstadt, Post

Das Zentrum von Isafjördur an einem Tag, an dem 2000 Kreuzfahrt-Touristen in der Stadt sind. Nicht wirklich böse überlaufen, oder?

Klar, wenn man sich an diesem Tag unbedingt das das Museum angucken möchte, muss man zusammenrücken mit seinen Mitpassagieren. Und wenn man zu den Glücklichen zählt, die Isafjördur individuell bereisen, ohne Kreuzfahrtschiff, dann sollte man sich für seinen Besuch natürlich einen Tag aussuchen, an dem man die kleine Stadt nicht mit 2000 Kreuzfahrttouristen teilen muss.

Aber echt jetzt, ich hatte viel Schlimmeres erwartet. Viele Passagiere buchen Ausflüge, werden also entweder in Bussen gleich raus in die Natur gekarrt oder bilden auf ihrer Stadtbesichtigung zu Fuß wenigstens dichte Wolken, die schnell vorbeiziehen.

Man sieht es ja auf den Fotos: Wahnsinnig überfüllt ist die Stadt eigentlich nicht.

Isafjördur, Island, Blumen

Aber wir sehen uns ja eh lieber die Seitenstraßen an und entdecken da kleine Sehenswürdigkeiten, wo die meisten anderen gar nicht hingucken.

Mehr Erfahrungsberichte von der Nordland-Kreuzfahrt

Unseren Besuch in Isafjördur verdanken wir der Aida-Nordland-Tour im Juli/August 2015. Ich habe bisher immer noch kaum darüber geschrieben (einfach, weil ich nach unserer 11-monatigen Europa-Reise immer noch mit der Aufarbeitung beschäftigt bin).

Bisher gibt es ausführliche Beiträge über unseren ersten Stopp auf den schottischen Orkney-Inseln, Landgang Nummer zwei in Reykjavik (Golden Circle mit dem Mietwagen) und über unseren ungeplanten Zwischenstopp im norwegischen Ålesund (inklusive der spannenden Geistergeschichte, über die wir dort gestolpert sind).

Eine allgemeine Auseinandersetzung mit dem Thema Kreuzfahrt habe ich hier geschrieben:

Und über unsere 11-monatige Reise habe ich ein ganzes Buch geschrieben: „Die Entdeckung Europas“. Im Gegensatz zum Blog stehen dort die persönlichen Begegnungen und das „gefühlte Reisen“ während unserer Langzeitreise mit Familie im Mittelpunkt. Auch unsere Nordland-Kreuzfahrt hat darin ein eigenes Kapitel.

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