Die Sächsische Schweiz ist spektakulär und auf jeden Fall eine Reise wert. Es ist ein wunderschöner Landstrich, vor allem jetzt im Herbst. Wir sind vor zwei Jahren dort gewesen, und im Nachhinein würde ich auch steif und fest behaupten, dass es uns allen dort sehr gefallen hat – aus diesem Grund schließlich habe ich die Gegend für meinen „Dienstag in Deutschland“-Eintrag diese Woche ausgesucht (und weil sie auf dem Reise-Wunschzettel der Raumfee steht). Wie trügerisch Erinnerungen sein können, erkannte ich allerdings an meinem erschreckend kurz angebundenen Eintrag in mein Reisetagebuch vom 24. Oktober 2011:

Kurz und gnadenlos: Aus meinem Reisetagebuch

In der sächsischen Schweiz hatte ich sehr mit meiner Höhenangst zu kämpfen, bzw. mit meiner hysterischen Angst, die Kinder könnten abstürzen. Martin zuliebe zwang ich mich sogar über die Gitterroste der Burgruine, unter denen es bis zu hundert Meter in die Tiefe ging.

Die Kinder mussten an der Hand gehen, Silas (der besser hört und mehr gesunden Menschenverstand beweist) bei Martin, Janis (der sich oft immer noch wie ein Wahnsinniger gebärdet und manchmal vergisst, dass er in Wirklichkeit nicht fliegen kann) bei mir. Er beschwerte sich, dass ich seine Hand zerquetsche, und er hatte wohl recht.

Der Ausblick war auch sehr spektakulär, die Natur erstaunlich, und die ganze Bastei sehr sehenswert.

Aber mein Adrenalinspiegel befand sich über Stunden jenseits von Gut und Böse, und heute hab ich prompt die Quittung dafür gekriegt: Migräne.

Mittag machten wir in einem kleinen, urigen, 200 Jahre alten Gasthof, wo kein einziges vegetarisches Gericht auf der Karte stand und auch der Cappuccino noch nicht erfunden war.

Spectacular views in "Saxon Switzerland" near Dresden.

Spektakuläre Ausblicke an der Bastei in der Sächsischen Schweiz bei Dresden.

Mit Kindern auf der Bastei in der Sächsischen Schweiz

Na gut, mit Migräne bin ich niemals eine besonders milde Reise-Kritikerin. Enttäuscht bin ich von mir aber vor allem, weil ich eine wunderschöne Begebenheit mit keinem Wort erwähnt habe, die beiden Kindern gezeigt hat, dass es gut ist und sich lohnt, genau so zu sein, wie sie sind. Nicht völlig unverfälscht wie sonst, sondern aus dem Gedächtnis aufbereitet, kommt deshalb hier meine Nacherzählung.

Die Bastei ist der Besuchermagnet bei allen, die sich für einen Trip in die Sächsische Schweiz entscheiden. Und das sind gar nicht mal so wenige Menschen. Das Durchschnittsalter ist hoch, der „Weißkopf-Anteil“ überdurchschnittlich, weil viele Reisebusse diese Destination anfahren. Auch für Familien mit kleinen Kindern ist das Naturdenkmal jedoch absolut sehenswert – jedenfalls, wenn sie nicht allzu höhenängstlich sind (siehe oben).

Was ist die Bastei überhaupt?

Das wusste ich auch nicht so genau, ehrlich gesagt, als wir auf unserer herbstlichen Ostdeutschland-Tour damals dieses Must-See auf unsere Liste setzten. Ich hatte nur das typische Bild im Kopf: die Felsen, die wie aufgereihte Kirchtürme in den Himmel ragen, mit der steinernen Bogenbrücke davor. Wenn man wie der gewöhnliche asiatische Reisebus-Tourist ein Zeitfenster von einer knappen halben Stunde hat, braucht man viel mehr auch nicht abzuklappern.

Für alle mit mehr zeitlichem Budget empfiehlt sich ein ausgiebiger Spaziergang durch diese atemberaubende Landschaft. Aber Vorsicht: Die Klippen sind tatsächlich verdammt tief (bis zu 124 Meter), und die Sicherungsmaßnahmen setzen – wo überhaupt vorhanden – einigen gesunden Menschenverstand voraus. Mag sein, dass ich auf diesem Gebiet besonders paranoid bin, aber Kinder auf schmalen Waldwegen frei herumtoben zu lassen, halte ich nach wie vor für keine gute Idee.

There is a mediaeval castle ruin that can be visited over stairs and paths that might kill any acrophobics.

Der Weg durch die mittelalterliche Burgruine. Was man nicht sieht: Zwischen den Felsen geht es höllisch in die Tiefe.

Obwohl der Name der Sehenswürdigkeit es nahe legt, war mir keinesfalls bewusst, dass es sich bei der Bastei eigentlich (auch) um eine alte Burganlage handelt.

Ein bisschen Geschichte gefällig?

Die böhmischen Adelsgeschlechter, die sich im Mittelalter hier niederließen, müssen ganz schön verzweifelt gewesen sein – oder ganz schön prahlsüchtig, wie Martin vermutet. Jedenfalls errichteten sie ihre hölzernen Bauwerke auf den wahnwitzigsten Felsvorsprüngen, die sie mit wackeligen Stegen und Leitern verbanden. Ich möchte gar nicht wissen, wie viele Menschen dort damals in den Tod gestürzt sind, regelmäßig auf dem Weg vom Schlafgemach zum Abtritt. Trotzdem ist sie mehr als 150 Jahre dauerhaft in Betrieb gewesen, zuletzt als Hort des skrupellosen Raubritters Hans von Oelsnitz, bevor die sächsischen Kurfürsten ihn 1469 ausräucherten und sein mittelalterliches Penthouse zur Ruine umfunktionierten.

Selbst in prähistorischer Zeit aber haben Menschen hier schon Spuren hinterlassen. Und spätestens seit der Zeit der Romantik standen die Touristen schon auf der Matte. Die ersten Arbeiten zur massentauglichen Erschließung begannen 1814. Seit 1851 existiert die Sandsteinbrücke, die seitdem die Postkarten ziert.

Lohnt sich die Besichtigung der Bastei-Burgruine mit Kindern?

Allzu viel ist heutzutage nicht mehr übrig von der Burganlage, aber doch mehr als genug, um die Wahnwitzigkeit des Unternehmens zu begreifen.

Ein Besuch des kostenpflichtigen Geländes lohnt sich auf alle Fälle (Kinder ins Tragetuch oder fest an die Hand!). Zu sehen gibt es in die Felsen gehauene Stufen und andere Siedlungsspuren, ein nachgebautes Katapult und die Zisterne. Erwachsene zahlen 1,50 Euro, Kinder (wenn ich mich recht erinnere) gar nichts.

Die Geschichte mit den Souvenir-Münzen

Nun aber zu der versprochenen Geschichte mit moralischem Tiefgang.

Wie schon erwähnt, ist die Bastei ein beliebtes Touri-Ziel, immer noch und immer wieder. Als die Jungs und ich an den Toiletten auf Martin warteten, erregte einer dieser Automaten ihre Aufmerksamkeit, in dem man seine eigene 5-Cent-Münze zu einem Souvenir umprägen kann. Die Jungs vertrieben sich die Zeit also mit „Trockenkurbeln“, als eine Gruppe Koreaner (rate ich mal) auf das Gerät zutrat und es benutzen wollte.

Janis (7) verzog sich schon beim ersten Anzeichen menschlicher Gesellschaft. Silas (fast 5) gab den Strahlemax, und war sofort dabei, den Fernreisenden eloquent die Funktionsweise des Apparates zu erläutern. Hingerissen von dem blonden Kind ohne Berührungsängste zückten die Touristen die Kameras, klimperten die erforderlichen Münzen durch die Schlitze und bedeuteten Silas, er solle das doch bitte für sie erledigen.

Das brauchten sie ihm nicht zweimal zu sagen. Mit gewichtiger Miene bezwang er im Blitzlichtgewitter die Kurbel, und im Überschwang der Begeisterung schenkte ihm der edle Spender das Ergebnis.

Silas war außer sich vor Freude, die deutsch-koreanische Völkerverständig gesichert – nur Janis guckte ein bisschen bedröppelt aus der Wäsche. Dass das Engelchen auch einen Bruder hat, war im Eifer des Gefechts unbemerkt geblieben.

Silas, taking advantage of generous Asian tourists.

Asiatische Touristen freuen sich über ein Eingeborenen-Kind.

Manchmal lohnt sich auch der Blick nach unten

Inzwischen war Martin wieder bei uns, und im Strom der Besucher schwammen wir auf die Basteibrücke zu.

An einem der Aussichtspunkte bestaunten wir die Fernsicht, die spektakuläre Landschaft. Janis ließ seinen Blick jedoch nicht in die Ferne schweifen, sondern kauerte bald wieder am Boden und untersuchte das, was an einem touristischen Ort wie diesem alles auf dem Boden landet.

Plötzlich sagte er: „Ha!“ und hob etwas auf. Ich verdrehte schon die Augen und wollte ihm zum etwa vierhundertsten Mal erklären, dass er nicht im Müll wühlen soll. Aber was er in der Hand hielt, war tatsächlich genau so eine Souvenir-Münze. Sie muss einem anderen Besucher aus der Tasche gefallen sein.

Was sich Charmebolzen Silas also extrovertiert mit einem Lächeln ergaunert hatte, hat unser Träumer durch zurückhaltendes Beobachten und einen scharfen Blick fürs Detail genauso erreicht.

Beide Jungs waren sich selbst treu geblieben, und beide waren glücklich.

Two happy bosy, two medals, two ways of getting them.

Zwei glückliche Jungs, zwei Souvenir-Münzen, die jeder auf seine Art ergaunert hat.

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