Stonehenge mit Kindern – ist das eine gute Idee? Lohnt sich das? Wir haben uns dieselbe Frage gestellt, und es dann einfach mal drauf ankommen lassen. Unser Erfahrungsbericht.

Vorurteile über den Stonehenge-Besuch

Wir haben überlegt, ob wir uns Stonehenge wirklich „antun“ sollen. Uns war viel Negatives zu Ohren gekommen:

  • Stichwort Massenabfertigung: Busladungsweise posieren Touristen aller Herren Länder vor der Sehenswürdigkeit und blockieren alle guten Foto-Spots.
  • Stichwort Freakfaktor: lauter Spinner da.
  • Stichwort Erlebnisfeindlichkeit: Man darf nicht einmal ran an die Steine.
  • Stichwort Eintrittspreise: Es ist sauteuer.
  • Stichwort Fun-Faktor: Es gibt eigentlich kaum was zu sehen und erstrecht nichts zu tun.

„Fahrt lieber nach Avebury“, haben wir mehr als einmal gehört. Und ja, wenn man sich entscheiden muss, würde ich diesen Ratschlag vielleicht tatsächlich bekräftigen. Wir waren trotzdem in Stonehenge, aus eher trivialen Gründen:

  • Wir hatten die Zeit (und mehr als zwei Stunden braucht man auch nicht).
  • Es lag mehr oder weniger auf dem Weg.
  • Wir hatten in Avebury und Kilmartin schon so viel darüber gelesen.
  • Ich mag Frühgeschichte
  • und verfüge über eine gewisse Sammelleidenschaft: Nach Carnac, Newgrange und Avebury fehlte mir einfach noch das Ass in der Sammlung.

Stonehenge mit Kindern – ja oder nein?

Um es kurz zu machen für all jene, die nur eben wissen wollen, ob sich Stonehenge denn nun lohnt, vor allem mit Kindern: Ja! Fahrt da hin, es ist großartig! Und doch, es ist etwas völlig anderes als „normale“ Steinkreise.

Auch für Kinder ist Stonehenge eine packende Erfahrung. (Stonehenge is a great experience for kids as well.)

Auch für Kinder ist Stonehenge eine packende Erfahrung.

Und jetzt der ausführliche Erfahrungsbericht für die, die es genauer wissen wollen.

Stonehenge voller Klischees im Baustellen-Chaos

Wir haben uns auf Trubel eingestellt und sind nicht weiter überrascht, von Uniformierten auf einen großen Parkplatz gelotst zu werden. Erstaunt sind wir nur, dass das Parken nichts extra kostet. Neben uns wuchten sich zwei massige Amerikaner aus einem Mietwagen. Ein kleines Stückchen weiter klettert eine Gothic-Clique in voller Montur aus einem Auto mit Dresdener Kennzeichen. Und kaum sind wir oben am Eingang angekommen, stürmt eine ganze Busladung voll kamera-behängter Touristen aus Asien das Toiletten-Häuschen. Herrlich, denke ich mir: Der Klischee-Karneval hat begonnen.

Ergeben reihen wir uns in die lange Schlange vor dem Ticketschalter ein. Alles hier ist provisorisch, denn Stonehenge wird umgebaut. Nicht die Steine natürlich, aber das ganze Drumherum. Die schicke neue Ausstellungshalle haben wir schon im Vorbeifahren gesehen. Künftig wird die Abwicklung über das Visitor Centre laufen.

Noch sind die Dinge leicht chaotisch. Ein Reiseleiter verklickert uns, dass wir in der falschen Schlage stehen, da wir keine vorgebuchte Gruppe sind. Vergeblich suchen wir nach dem richtigen Kassenhäuschen, geraten im Getümmel an einen Herrn im Anzug und mit Namensschildchen, der uns für verdächtig wenig Geld Karten in die Hand drückt. War das offiziell? Baustellenrabatt? Oder haben wir gerade ein Schwarzmarktgeschäft getätigt? Wir beschließen, nicht genauer nachzufragen und sind bloß froh, als uns die Dame am Ausgabeschalter anstandslos die dazugehörigen Audio-Guides aushändigt. Die Jungs sind hellauf begeistert, dass es die auch auf Deutsch gibt.

Näher kommt man den Steinen nicht - was aber durchaus zur Mystifizierung beiträgt, wie ich finde. (You don't get any closer to the stones than this, BUT this does evoke a certain mystic air.)

Näher kommt man den Steinen nicht – was aber durchaus zur Mystifizierung beiträgt, wie ich finde.

Endlich: Der Blick auf die Steine!

Wir schieben uns gemeinsam mit all den anderen Touristen durch einen Tunnel, dessen Wände Bilder aus der Entstehungszeit der Stätte zeigen. Dazu berichtet uns unser Audio-Guide von der mehr als 5000-jährigen Geschichte dieses Ortes. Dann kommen die berühmten Steine in Sicht und sehen – welch Überraschung – tatsächlich genau so aus wie in all den Büchern, TV-Dokumentationen, auf all den Postern, Bildern,… Wir sind in Stonehenge!

Wir und all die anderen Leute natürlich. Jeder hat einen individuellen Audio-Guide um den Hals hängen, jeder schiebt sich so dicht wie möglich an die Absperrung heran, jeder will sich vor den Steinen fotografieren.

Wir treten etwas zurück und hören uns die Erzählungen an, die auf verschiedene Blickwinkel abgestimmt sind. Neben den „no entry“-Schildchen stecken Tafeln mit Nummern im Boden, vor denen wir auf unseren Geräten die jeweilige Tondatei anwählen. So belehrt uns der Sprecher an den entsprechenden Stellen über die Triliten (die aus drei Klötzen bestehenden „Steintore“), die Blausteine im inneren Kreis, Fersenstein, Opferstein (der höchstwahrscheinlich nie ein solcher war) und all die anderen Bestandteile der prähistorischen Anlage.

Wir erfahren, dass Merlin die Steine zu König Artus’ Zeiten auf magische Weise von Irland nach Wiltshire beförderte und als Mahnmal für die gefallenen Ritter der Tafelrunde aufstellte. „So und nicht anders muss es gewesen sein“, sage ich zu Silas. Der 7-Jährige rollt nur mit den Augen. Auch die Deutungsvariante, wonach der Teufel selbst seine Finger im Spiel hatte, überzeugt ihn nicht. Stattdessen erklärt er mir, was er in der Ausstellung von Avebury gelernt hat: Die riesigen Brocken wurden wahrscheinlich mit Holzschlitten gezogen oder über Baumstämme gerollt; aufgestellt wurden sie mit Hilfe der Hebelwirkung, indem man unter ihnen ein Loch grub und sie dann Stück für Stück aufrichtete. Wenig später bietet auch der Audio-Guide diese Erklärung an. Genauso irre wie Teufels- oder Zaubererwerk, finde ich, wenn ich die gigantischen Brocken so betrachte.

Mystisches Stonehenge inmitten von Touristenmassen?

Die Stimmung ist tatsächlich trotz des Trubels angemessen mystisch. Ich führe das vor allem auf die entsprechende musikalische Untermalung des Audio-Guides zurück. Ob es nun allein daran liegt, oder ob die Steine doch auch eine gewisse Magie ausstrahlen, vermag ich nicht zu sagen. Fakt ist: Ich hab eine Gänsehaut und bin gar nicht so böse, dass wir nicht näher an den „heiligen Ort“ heran dürfen. Könnten wir frei im inneren Zirkel herumspazieren, wäre vieles von dem mystischen Zauber vermutlich flöten.

Überlaufen ja, aber wir kriegen durchaus noch ein Bein an die Erde. (Crowded yes, but we are still able to see the stones - and Janis who went to explore the place on his own.)

Überlaufen ja, aber wir kriegen durchaus noch ein Bein an die Erde.

Plötzlich lichtet sich die Menschenmenge. Offenbar sind einige Busse abgefahren. In der Mittagszeit haben wir die Stätte nicht ganz für uns, aber doch wenigstens Platz genug, um durchzuatmen und freie Aussicht auf die Steine zu genießen.

Auch Janis sehe ich endlich wieder, der die Anlage inzwischen offenbar auf eigene Faust erkundet. Konzentriert lauscht er der Stimme des Sprechers in seinem Gerät, unbeeindruckt von den vielen fremden Menschen um ihn herum.

Heutige „Druiden“ gehören zum Stonehenge-Trubel dazu

Mir dagegen fällt eine Besucherin auf, die entweder als Touristenbelustigung angestellt oder aus dem örtlichen Theater entlaufen sein muss. Sie trägt ein weißes Gewand, das verdächtig kunstfasern glitzert, darüber einen schwarzen Mantel mit violett gefütterter Kapuze. Auf den roten Haaren prangt ein Blütenkranz, und in der Hand hält sie einen langen Stab, dessen Ende ein geschnitzter Ziegenkopf ziert.

Meint die sich ernst? Ich überlege, sie anzusprechen. Aber dann kommt mir ein älteres Ehepaar zuvor, und außerdem kriegt Silas gerade eine Krise, weil er seinen Audio-Guide versehentlich auf Englisch umgestellt hat, und wo ist überhaupt Janis schon wieder abgeblieben?

Schweren Herzens schiebe ich die journalistische Neugier beiseite, kümmere mich um meine Familie und nehme nur noch aus den Augenwinkeln wahr, wie die Touristin mit ehrfürchtigem Blick den Ziegenstock entgegen nimmt, den sie anscheinend mal halten darf.

Leider habe ich nicht herausgefunden, ob diese Dame ihre Montur tatsächlich ernst nimmt. (Dressed-up tourist guide or convinced druid? Unfortunately I didn't get around to ask her.)

Leider habe ich nicht herausgefunden, ob diese Dame ihre Montur tatsächlich ernst nimmt.

Nachdem sich Martin wieder angefunden hat (stimmt, einen Mann hatte ich auch mal), entdecken wir auch Janis schließlich etwas abseits des Trubels. Er hockt mit entrücktem Blick selig lächelnd auf dem Rasen und hat uns überhaupt nicht vermisst. „Ich hab alles schon zwei Mal durchgehört“, erklärt er uns zufrieden.

Fazit und unser persönlicher Stonehenge-Mystik-Moment

Etwa zwei Stunden nach unserer Ankunft sitzen wir wieder im Auto und lassen das Erlebnis Revue passieren. Hat es sich nun gelohnt?

  • Stichwort Massenabfertigung: Es waren wirklich verdammt viele Leute dort, aber solange man nicht gerade zwischen drei Busladungen gerät, hält sich das Gedränge eigentlich in Grenzen.
  • Stichwort Freakfaktor: check.
  • Stichwort Erlebnisfeindlichkeit: Ich finde, man sieht genug von den Steinen. Man muss sich nicht unbedingt zwischen ihnen durchquetschen und „echt Stonehenge“-Steinsplitter mit nach Hause nehmen!
  • Stichwort Eintrittspreise: Unser Preis-Leistungs-Verhältnis war gefühlt mehr als ausgeglichen. Aber ich hab gehört, es soll teurer werden…
  • Stichwort Fun-Faktor: Die inbegriffene Audio-Führung ist interessant und kurzweilig erzählt, es gibt nicht nur die Steine, sondern auch sehr interessante Besucher zu gucken, und gelangweilt haben sich die Jungs kein bisschen. Die neue Ausstellung lässt ebenfalls hoffen.

Ich frage die beiden Kinder nach ihrem Urteil. „Cool“, antworten sie unisono.

„Die Audio-Guides waren am besten“, sagt Silas. „Da hat man viel gelernt.“

Janis stimmt zu, sagt dann aber: „Ich fand das Kribbeln am besten. Das hat sich so schön angefühlt.“

Welches Kribbeln?

„Das Kribbeln in der Erde, da wo ich gesessen habe“, erklärt mir mein Nachwuchs-Druide unbekümmert.

Was er dann beschreibt, lässt Martin an Kriechstrom denken und mich an alle möglichen esoterischen Theorien. Lösen können wir das Rätsel nicht, aber das ist auch okay so.

Stonehenge bleibt uns jedenfalls trotz Massentourismus als durchaus mystischer Ort in Erinnerung.

Zum Glück gibt's Zoom-Objektive... (Close views are still possible - thanks to camera zooms.)

Zum Glück gibt’s Zoom-Objektive…

Praktische Hinweise für den Besuch in Stonehenge

Die Adresse von Stonehenge lautet Nr Shrewton, Wiltshire SP3 4DX.

Geöffnet ist täglich, die genauen Öffnungszeiten variieren je nach Jahreszeit und sind hier einsehbar. Dort wird auch das neue Kartensystem erklärt, denn ab dem 1. Februar 2014 gibt es die Steine nur noch mit Zeitfenster-Tickets zu sehen, die im Vorfeld gebucht werden müssen und ebenfalls online erhältlich sind.

Ein Familienticket für zwei Erwachsene und maximal drei Kinder kostet 38 Pfund (ca. 45 Euro). Das beinhaltet auch den Zugang zur brandneuen Ausstellung, die ab Februar geöffnet und ab Ostern ganz fertig gestellt sein soll.

Dieser Beitrag basiert auf einem Eintrag meines Reisetagebuchs vom 1. September 2013. Mehr England-Reiseberichte aus jenem Familienurlaub inklusive Karte gibt es in unserem England-Inhaltsverzeichnis.

PS: Auch Reisebloggerin Antje Gerstenecker von Mee(h)r-erleben war mit ihrer Familie in Stonehenge. Ihr Bericht ist hier zu finden.