Die letzte Station unserer Backpacking-Tour durch die Schweiz mit Kind ist der recht abgelegene, touristisch nicht übermäßig erschlossene Zipfel des französischsprachigen Kantons Waadt im Jura-Gebirge zwischen dem Dent de Vaulion und dem Lac de Joux mit Abstecher zum Kloster Romainmôtier. Hier erkunden wir noch einmal die herrliche Bergwelt auf einer kleinen Wanderung – und feiern das Wiedersehen mit unserem Großen, der zwei Wochen als Austauschschüler in einer Gastfamilie (ein bisschen) Französisch gelernt hat.

Dieser Artikel ist Teil meiner Serie „AbenTEUER Schweiz: 2 Wochen Backpacking mit Kind zwischen Berner Oberland und Genfer See“.

„Aus Versehen“ in der Schweiz

Von unserer vorletzten Station in Sigriswil am Thuner See (zwischen Bern und Interlaken) dauert es mit Bus und Bahn den Großteil des Tages, bis wir Lausanne erreichen, den Ausgangsort unserer kleinen Schweiz-Tour. Dass dieser sich so weit im Süden befindet, liegt daran, dass unsere eigentliche Mission die Reisebegleitung einer Schülergruppe ist. Um den Sprach-Austausch einer kleinen schweizerischen Organisation zwischen Schulen im Raum Bielefeld und Lausanne zu retten (die eigentlich zuständige Lehrerin fiel aus), waren Martin und ich (und Silas als Begleit-Kind) eingesprungen, um die Zugfahrt einer Handvoll Teenager zu begleiten (die ganze Geschichte steht hier).

Zwei Tage bevor wir alle gemeinsam die Rückfahrt antreten, checken wir noch einmal bei netten Couchsurfern in einem Vorort Lausannes ein.

Am kommenden Tag sind wir mit Janis‘ Gastfamilie verabredet. Unser 13-Jähriger ist in La Sarraz untergekommen, einem kleinen Städtchen gut 20 Kilometer nordwestlich von Lausanne. Ein Regionalzug der SBB bringt uns – wie immer – zuverlässig hin.

Backpacking mit Kind in der Schweiz im Zug

In der Schweiz waren Martin, Silas und ich viel mit dem Zug unterwegs.

Wiedersehen nach 2 Wochen ohne Kind

12 Tage habe ich meinen Sohn nicht gesehen, als ich ihn glücklich wieder in die Arme schließe. Noch nie war das Kind so lange alleine weg, und da meine Jungs nach wie vor keine Smartphones besitzen, beschränkte sich unsere Kommunikation in dieser Zeit auf ein absolutes Minimum (genauer gesagt eine einzige SMS von ihm zu Ostern und mehrere Anrufversuche meinerseits, die immer an leergespielten Akkus seines Leih-Handys scheiterten – aber zum Glück gab es ab und zu Updates von der Gastmutter).

Während Janis seinem Bruder sein Zimmer mit Lego-Kiste zeigt, unterhalten wir uns mit seinen Gasteltern. Doch, er hat sich halbwegs benommen, hören wir. Nur gesprochen hat er nicht. Französisch gelernt hat er wohl höchstens passiv ein bisschen. Na, was soll’s. In dem Alter ist es ja eher die Gesamt-Erfahrung eines Schüleraustauschs. Janis versichert uns jedenfalls glaubhaft, dass er viel Spaß gehabt habe und das Unternehmen gerne jederzeit wiederholen wolle (vor allem wenn er wieder einen eigenen Fernseher in sein Zimmer bekomme, selbst wenn der nur französische „oder so andere ausländische“ Programme empfange).

family4travel Familienfoto Schweiz

Wieder vollständig: family4travel mit Lena, Janis, Silas und Martin.

Tagesausflug ins Waadtländer Jura

Eigentlich wollten wir unseren Janis nur persönlich abholen, wenn wir schon in der Gegend sind (und bei der Gelegenheit natürlich auch die Leute mal kennenlernen, bei denen unser Sohn zwei Wochen lang gewohnt hat). Die Familie lädt uns aber nicht nur zum Mittagessen ein, sondern schlägt auch einen gemeinsamen Tagesausflug in die Berge vor. Da sagen wir natürlich nicht nein, zumal wir jenen Part der Schweiz noch gar nicht kennen.

Mit der großen Familienkutsche fahren wir alle Mann bergauf. Eine gute halbe Stunde dauert es, bis wir am Dent de Vaulion ankommen.

Dent de Vaulion

Vaulion-Zahn heißt der Berg auf Deutsch, wenn man den Namen denn übersetzen möchte. Es ist seine Form, die tatsächlich ein wenig an einen Backenzahn erinnert. Von der steil abfallenden Flanke des Tafelberges starten Drachenflieger. Mit einer Höhe von 1483 Metern gehört er in der Schweiz eher zu den Hügelchen.

Waadtländer Jura, Dent de Vaulion

So mehr oder weniger ist es nur von hier bis vorne zum Funkturm, und dann ist man schon auf dem Gipfel des Dent de Vaulion.

Mit dem Auto kommt man fast bis ganz nach oben. Im Winter gibt es einen Ski-Lift. Wir wandern an den Einrichtungen vorbei, lassen auch eine bewirtschaftete Hütte hinter uns und schauen nach einem (sehr) kurzen Spaziergang schließlich vom Gipfel.

Ausblick vom Dent de Vaulion

„In echt“ sieht man die Berge sogar noch viel besser als mit meiner unprofessionellen kleinen Knipse.

Bis nach Frankreich können wir hier gucken, das schon hinter dem nächsten Tal beginnt. In der anderen Richtung reihen sich die Savoyer Alpen wie eine weiße Perlenkette am Horizont auf. Auch der Mont Blanc befindet sich in unserem Blickfeld.

Janis und sein Gastvater zeigen uns von hier oben, wo die Tropfsteinhöhlen von Vallorbe liegen, die sie in der vergangenen Woche besichtigt haben (Webseite der Grottes de Vallorbe). Und ein bisschen gewandert sind sie auch, erzählt Janis. Durch die Orbe-Schlucht, ergänzt sein Gastvater, und äußert sich lobend über Janis‘ motiviertes Laufen.

Waadtländer Jura, Dent de Vaulion mit Kindern

Doch, ich habe Wander-Kinder.

Abstieg zum Lac de Joux

Doch, erkläre ich, wir sind alle vier recht begeisterte Wanderer – in sehr bescheidenem Maße, gemessen an den Standards der Schweizer. Janis‘ Gastvater freut sich, denn er ist auch einer, der Rest seiner Familie allerdings nicht so sehr. Und so ist schnell der Plan für den Rest des Nachmittags geboren: Er führt uns zu Fuß den Berg hinab bis ins Dorf L’Abbaye am Lac de Joux. Dort wohnt die Oma, die der Rest der Familie kurzerhand besucht, um uns dann für den Heimweg wieder aufzulesen.

Waadtländer Jura, Dent de Vaulion, Enzian

Ja, ja, so blau, blau, blau…

Gut fünf Kilometer sind es, die wir unserem Bergführer teils über pfadlose Almwiesen, teils auf Teerstraßen folgen. Um uns blühen Enzian und andere Bergblumen in rauen Mengen. Wir kommen an einer verlassenen Sennerei vorbei. Jeden Augenblick erwarte ich Heidi, den Almöhi oder wenigstens Ziegenpeter.

Waadtländer Jura, Dent de Vaulion

Aber Heidi ist wohl grad nicht zu Hause…

L’Abbaye

Schließlich erreichen wir die kleine Ortschaft, die mit rund 1500 Einwohnern in der Schweiz schon als mittelgroße Gemeinde zählt. Es gibt ein paar hübsche Häuser und einen kleinen Spielplatz am Seeufer.

Waadtländer Jura, L'Abbaye

L’Abbaye ist ein hübsches Dörfchen im Waadtländer Jura.

Früher, so lernen wir, wurde hier im Winter Eis geschlagen und bis nach Paris transportiert, um im Sommer Nahrungsmittel und Getränke zu kühlen.

Waadtländer Jura, L'Abbaye, Lac de Joux

Von oben sieht man das Dorf links am Seeufer liegen.

Romainmôtier

Auf der Heimfahrt halten wir noch kurz in dem ebenso kleinen Ort Romainmôtier, der hauptsächlich aus dem bildschönen Benediktiner-Kloster besteht. Ein Heiliger namens St. Romain soll die Kirche schon Mitte des 5. Jahrhunderts errichtet haben, was den Ort zur ältesten Klostergründung auf dem Boden der Schweiz macht.

Kloster Romainmôtier, Waadtländer Jura, Schweiz

Obwohl die Kirche von Romainmôtier innen seit dem 10. Jahrhundert mehr oder weniger ihre Form beibehalten ist, gibt es außen ein paar interessante Auswüchse „neueren“ Datums.

Wir besichtigen die romanische Stiftskirche (gratis), die für ihre mittelalterlichen Fresken berühmt ist (sagt mir die Info-Tafel, gewusst habe ich das freilich nicht).

Auch von der cluniazensischen Klosterreform habe ich noch nie gehört, an der sich das Kloster von Romainmôtier beteiligt hat. Offenbar ging im 10. und 11. Jahrhundert eine Bewegung von dem französischen Kloster Cluny aus, die die Benediktiner-Regel strenger auslegte und sich nicht an der allgemein üblichen Orientierung auf wirtschaftlichen Gewinn von Klostergründen beteiligte. Stattdessen wurde von den Mönchen ernsthafteres Beten erwartet (270 Psalmen täglich), und allgemein ernsthafte Frömmigkeit.

Kloster Romainmôtier, Waadtländer Jura, Schweiz

Inzwischen sind hier allerdings keine Mönche mehr unterwegs.

Heute sieht es rund um das Kloster ausgesprochen hübsch und einladend aus. Ich entdecke ein kleines Künstler-Café, in das wir unter anderen Umständen sicher eingekehrt wären.

Und das war’s dann mit uns und der Schweiz

Aber der Nachmittag ist schon fortgeschritten, und wir müssen ja noch alles zusammenpacken und nun zu viert zurück nach Lausanne.

Am folgenden Morgen treffen wir auch die anderen deutschen Schüler am Bahnhof und machen uns mit der ganzen Gruppe auf den Heimweg. Alle haben tolle Sachen erlebt. Klar, die Jungs und Mädels haben andere Prioritäten, aber alle sind von der Schönheit der Berge und dem fortgeschrittenen Frühling (und dem astronomischen Preisniveau) ernsthaft beeindruckt.

Auch wir verbuchen das Unternehmen als vollen Erfolg. Silas und ich haben in zwei Wochen (und Martin in einer) eine Menge von der Schweiz gesehen und als Backpacker und Couchsurfer einen echten Eindruck sowohl von der deutschsprachigen Schweiz als auch von der Romandie bekommen. Schön war es!

Kloster Romainmôtier, Waadtländer Jura, Schweiz

Romainmôtier ist auch ein hübsches kleines Dorf an sich.

Mehr Schweiz mit Kind

Die komplette Liste meiner Erfahrungsberichte über unsere Backpacking-Reise durch die Schweiz mit Kind:

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