Unsere große Europareise soll uns durch all die fremden Länder im Süden führen. Aber da wir mit dem eigenen Auto unterwegs sind, fangen wir erst einmal recht unexotisch an. Für uns Nordlichter beginnt Südeuropa in Bayern.

Der 4. September ist unser Abfahrtstag. An diesem Datum wollten wir eigentlich zu unserer Transatlantik-Fahrt in See stechen. Auch mit gründlich geänderten Plänen halten wir daran fest. Zu viel ist dann doch noch zu erledigen, wenn man Oma und Opa, ein Haus und viele Freunde für fast ein Jahr hinter sich lässt.

Als wir gegen Mittag das heimatliche Ortsschild im Rückspiegel sehen, fahren wir ins Ungewisse. Was selbst unter den besten Umständen wahr wäre, gilt für uns auf unangenehm direkte Weise: Wir wissen nicht einmal, wo wir an diesem Abend schlafen werden. In der hektischen Umplanungswut, die auf den absurden Besuch in der amerikanischen Botschaft folgte, hatten wir wenig Zeit für Details. Die zwei Couchsurfing-Anfragen in München bleiben unbeantwortet, und als wir uns zwei Tage vorher alternativ nach einer bezahlbaren Bleibe umsehen, merken wir, dass eine solche in der bayrischen Landeshauptstadt auf die Schnelle schwer zu finden ist. Eine vierköpfige Familie zahlt im Hotel locker 180 Euro pro Nacht – absolut jenseits unseres Budgets.

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Stattdessen suchen wir uns einen Tag vor Abfahrt eine günstige Ferienwohnung in einem kleinen Dorf bei Regensburg. Die Bilder sehen nett aus. Eine Telefonnummer gibt es zwar nicht, aber der Vermieter verspricht in seiner Anzeige, die Buchung binnen 24 Stunden zu bestätigen. 138 Euro für zwei Nächte, das klingt okay. Als wir losfahren, sind die 24 Stunden fast um, und mit jedem Kilometer, den wir zurücklegen, ist uns klarer, dass wir für diese Nacht keine Bleibe haben. Was soll’s, denken wir uns. Wir sind in Deutschland. So schlimm kann das nicht sein. Zur Not halten wir einfach ganz altmodisch Ausschau nach „Zimmer frei“-Schildern. Wenn Martin mit seinem Kumpel im Sommer eine Woche mit dem Fahrrad durch die Alpen juchtert, halten die beiden das grundsätzlich so.

Trotzdem verbringe ich die Fahrtzeit auf dem Beifahrersitz damit, dank mobilem Internet nach Übernachtungsmöglichkeiten zu suchen. Das erweist sich als weniger einfach als erhofft. Schon zu Hause haben wir festgestellt, dass die kleinen, günstigen Unterkünfte nicht in den gängigen Verzeichnissen gelistet sind. Über die Seiten der örtlichen Tourist-Informations-Büros finden wir auch die Gasthöfe. Aber als ich mühsam eine nicht an mobile Endgeräte angepasste Webseite nach der anderen öffne, stelle ich fest, dass die allermeisten auch nicht günstiger sind, weil sie keine Familienzimmer anbieten. Zwei Doppelzimmer für schlanke 50 Euro ergeben auch einen Hunderter…

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Da ich meine intensiven Bemühungen auf dem Mini-Display auch in den Kasseler Bergen nicht einstelle, habe ich bald das dringende Bedürfnis, entweder das Notfall-Eimerchen vom Rücksitz zu fordern, oder mit Martin zu tauschen. Ich entscheide mich für letzteres. Der Mann legt weniger Geduld an den Tag. Er ruft einfach mal an bei einem der Landgasthöfe, und fragt nach. Und dann bucht er, obwohl der Preis immer noch genauso happig ist. 30 Euro pro Übernachtung mit Frühstück für eine Person, die Kinder zahlen je 20. Als wir ankommen, mitten im bayrischen Nirgendwo, bekommen wir ein Dreibettzimmer. Silas schläft in der Besucherritze, zahlt dafür nur den halben Kinderpreis. Was soll’s. Hauptsache, wir müssen nicht unter der Brücke schlafen. Als Couchsurfer wären wir mit den Verhältnissen sehr glücklich. Als zahlende Gäste irgendwie nicht so.

Dafür sind wir die einzigen Fremden im ganzen Haus. Aber es gibt kein Internet, und mein Handy hat einfach mal gar keinen Empfang. Ihr lacht vielleicht, wie man so von moderner Technik abhängig sein kann, aber für uns bedeutet das weiteren Planungsstillstand.

Das Dorf ist so winzig, dass wir bei unserem Abendspaziergang ruckzuck in der Feldmark stehen. Dafür ist der Sonnenuntergang fast so idyllisch wie zu Hause. Den unbeabsichtigt teuren Start unserer Reise gleichen wir aus, indem wir Äpfel von den Obstbäumen am Wegesrand pflücken und uns mit diesem kargen Mahl als Abendessen begnügen (nein, so ganz stimmt das nicht, später auf dem Zimmer haben wir noch die Reste unseres Picknicks verzehrt).

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Das Deutsche Museum in München müssen wir schweren Herzens von unserer Wunschliste streichen – für dieses Jahr zumindest. Dafür sehen wir uns am nächsten Tag Regensburg an, und das ist auch ein durchaus lohnendes Ziel, wie wir herausfinden.