Es ist nie zu früh, um Kinder an Kultur zu gewöhnen. Museen, selbst klassische, können auch und gerade für Familien zu einem großen Abenteuer werden. Im April widmeten wir ein ganzes Wochenende der Erkundung der Berliner Museumsinsel und hatten eine Menge Spaß dabei.
Den ganzen Tag haben wir auf der Museumsinsel verbracht. Na ja, fast. Erstmal haben wir schön im Hotel gefrühstückt (es heißt „Holi“, liegt in Lichtenberg und ist einfach, aber ausgesprochen nett). Dann haben wir gleich dort ein teures, aber vergleichsweise immer noch günstiges Kombiticket für den Großraum-ÖPNV mit den kompletten Museumsinsel-Eintritten gekauft (70 Euro für uns vier zusammen). Kurz nach der Öffnung konnten wir dann an der beträchtlich langen Schlange vorm Ticketschalter vorbei marschieren.
Mit Kindern auf die Museumsinsel
Ja, und dann haben wir uns die kulturelle Volldröhnung genehmigt. Die Büste der Nofretete, den Pergamon-Tempel, das Ischtar-Tor aus Babylon samt Prachtstraße, das Markttor zu Milet, und am Schluss sind wir sogar noch durch die alte Nationalgalerie gelaufen und haben kunstbanausige Blicke auf Monet, Manet, Renoir, Chezanne und Caspar David Friedrich geworfen (Silas’ Kommentare dazu: „Nee, die finde ich eigentlich alle hässlich…“ – „Das mag ich auch nicht. Zu kitschig.“ – „Hier gefällt mir wenigstens der Rahmen.“).
Von den Gemälden abgesehen, zeigten die Jungs lebhaftes Interesse an den Ausstellungen. Wobei es schon vor allem der (kostenlose) Audio-Guide war, der sie begeisterte, das Nummern-Sammeln und Eingeben. Wenn ich sie danach fragte, was sie denn gehört hätten, wussten sie meist kaum das Thema des Inhalts zu nennen. Na ja, zumindest waren sie beschäftigt…
Aber wenigstens in der griechischen Sektion war Silas wirklich mit Feuereifer dabei, das muss man schon sagen. Er kennt die griechischen Sagen aus verschiedenen Bilderbüchern zu Hause, und kürzlich haben wir „Die spannendsten griechischen Sagen“ als Gute-Nacht-Buch gelesen, sehr toll kindgerecht erzählt von Dimiter Inkiow. Vor allem Silas hat das sehr gefallen, und es war die ideale Einstimmung auf unseren Besuch hier.
Aber auch im vorderasiatischen Teil hat er noch etliches mitgenommen, als Janis schon komplett durchhing. Ich selbst hätte dort überwintern können und hab nur halb so viel mitgekriegt, wie mich interessiert hätte, oder eher gesagt nur einen Bruchteil. Aber so ist das eben, wenn man Kinder hat.
Den Großteil meines Vergnügens ziehe ich dann aus der Vermittlung des Wissens an meine Jungs. Aber auch so habe ich Unmengen gelernt. Vor allem die vorderasiatische Sektion hat mir unheimlich gefallen, weil ich über diese Bereiche so verschwindend wenig weiß. Die ägyptische Abteilung ebenso.
Als die Museen schlossen, wurden wir wohl oder übel rausgekehrt. Wir fuhren zurück nach Lichtenberg und fanden auf dem Weg vom Bahnhof zum Hotel die günstige, überraschend gute Pizzeria Ledi. Nach der Überdosis Hochkultur gab die Pizza den Jungs den letzten Rest, und sie fielen wenig später kommentarlos in ihre Betten.
Tag zwei auf der Museumsinsel
Am nächsten Tag ging es weiter. Wir waren nun also im Neuen Museum, im Pergamon-Museum, in der Alten Nationalgalerie (am Samstag) und (am Sonntag) noch mal im Pergamon-Museum (Abteilung Islamische Kunst) und im Bode-Museum.
Letzteres war etwas anstrengend, weil uns die Kunststile verschiedener Epochen nicht sonderlich vom Hocker reißen und wir bildender Kunst nicht die nötige Ehrfurcht entgegenbringen. Im Laufe all der Jahre ist auch bei mir etwas hängengeblieben über die Unterschiede zwischen mittelalterlicher Holzschnitzkunst und den Skulpturen der Renaissance. Riemenschneider sagt mir durchaus etwas, aber schon bei den Renaissance-Künstlern hört es auf, denn ich kann mich an keinen einzigen der mittelmäßig berühmten Namen erinnern, auf deren Werke ich gestern einen Blick geworfen habe.
Silas war wenigstens immer dann wirklich interessiert, wenn antike Motive zu sehen waren. Vor einem Fries des Phaeton waren beide Jungs ganz andächtig, dann gab es noch mehrere Faune, Herkules-Bildnisse und eine Handvoll Götter. Wirklich beeindruckt hat uns alle eine unglaublich filigrane Elfenbeinschnitzerei, die den Fall des Satans und der Seinen und ihre Verweisung aus dem Himmelsreich zeigte. Es ist schon erstaunlich, dass es zu allen Zeiten Menschen gab, die unheimlich viel Zeit in künstlerische Gestaltung steckten, und manche von ihnen erreichten eine wahnsinnige Perfektion.
Zwischen witzig und absurd: Das Wachpersonal auf der Museumsinsel
In ihrer absurden Überpräsenz fast schon wieder amüsant waren die Museumswächter, zum Großteil wahre Schießhunde. Manchen merkte man an, dass sie ihr gesamtes Selbstwertgefühl aus den Erfolgserlebnissen zogen, unartige Besucher zur Raison rufen zu dürfen.
So durfte man Handtaschen zwar mit in die Ausstellungen nehmen, musste sie aber auf höchst unbequeme Weise über beide Schultern nach vorne tragen. Dies ermöglichte mehreren Wärtern, mich und viele, viele andere Frauen immer wieder zurechtzuweisen, weil die Tasche zwangsläufig und nicht unwillkommen beim Gehen wieder an die Seite rutschte.
Die Jungs, die sich in meinen Augen die allermeiste Zeit untadelig benahmen, bekamen haufenweise Rüffel ab, weil sie sich an Wände lehnten (der gute Marmor! Echt 20. Jahrhundert!), sich auf Sitzbänken ausstreckten (mit hängenden Füßen bei einem Überangebot an Sitzmöglichkeiten) oder einen Fuß lässig auf der Mittelstange einer profanen Metallabsperrung abstellten.
Mein persönliches Highlight war der Schießhund in dem ausstellungslosen Durchgangsgebäude, der Janis lautstark anraunzte, er solle nicht hüpfen. Solche Menschen müssen sehr traurig sein, dass die NVA nicht mehr als ihr Arbeitgeber fungieren kann.
Allerdings gab es auch nette Menschen unter ihnen, wie ich nicht unterschlagen möchte. Einer platzte geradezu vor Übereifer, als er mir in der Alten Nationalgalerie die Casper David Friedrichs zeigen durfte (und ein Mal am Tag etwas anderes sagen durfte als: „Die Tasche bitte vorne tragen!“).
Zwei Mal wurden wir am Einlass durchgewunken, als ich noch nach meinem Kombiticket kramte und Martin seins schon vorgezeigt hatte. Als wir ein Upgrade für die Sonderausstellung brauchten, gab uns der Einlasser den Tipp, die Tickets nicht am Ende der laaangen Schlange im Hof zu holen, sondern am Schalter der Nationalgalerie, der die quasi unter der Hand auch herausgab. Erst im Bode-Museum, unserem letzten, wurden wir darauf hingewiesen, dass wir uns eigentlich mit unserem Kombiticket jedes Mal kostenlos Einzeltickets hätten holen müssen, aber selbst diese Dame reichte uns auf dem kurzen Dienstweg unter Umgehung der beträchtlichen Schlange „Zählkarten“ aus ihrer Uniformtasche.
Am besten war der Typ an der Garderobe im Pergamon-Museum. Als wir den Kindern einschärften, sie sollten jetzt, bevor wir den Rucksack abgäben, noch genug trinken, meinte er: „Packen Sie die Flasche doch in die Handtasche!“ Martin meinte naiv: „Drinnen darf man ja nicht trinken.“ Und der Angestellte meinte zwinkernd: „Erwischen lassen darf man sich nicht.“
Museumsinsel mit Kindern: Unser Fazit
Ach, es war wirklich toll! Ich habe so viel gelernt, so viel Neues erfahren! Diese ganzen vorderasiatischen Kulturen, die ich kaum auf dem Schirm hatte, und selbst über die Ausbreitung des Islams weiß ich jetzt so viel mehr. Ganz viele zutiefst beeindruckende Einzelstücke waren in den Sammlungen zu sehen, und das Gesamtwerk war schier überwältigend.
Nicht wirklich hochkulturell, aber doch sehr schön war auch unser Cafébesuch ganz am Schluss. In der Kuppel des Bode-Museums ist die Gastronomie untergebracht. Wir saßen auf dem Innenbalkon, Auge in Auge mit Friedrich Wilhelm auf dem Pferd, den Blick nach oben frei auf jede Menge Stuck und Marmor, und genossen Mozarttorte und Cappuccino, die Jungs heiße Schokolade. Das Stück Kuchen kostete 3,80 Euro, ein stolzer Preis. Aber die Location war schon großartig, und außerdem hätten wir mitten in Berlin länger suchen müssen, um etwas Nettes zu besserem Preis zu finden. Es war ein Luxus, den wir uns voll Freude einfach mal gegönnt haben: Der Abschluss eines wunderschönen Kurzurlaubs.
Diese Einträge meines Reisetagebuchs habe ich am 6. und 8. April 2013 verfasst.
PS: Auch jetzt, ein halbes Jahr später, kommen die Jungs bei passender Gelegenheit immer wieder gern auf Dinge wie das Ischtar-Tor oder den Pergamon-Fries zu sprechen. Da ist eine Menge hängengeblieben.
Das Pergamonmuseum finde ich eines der beeindruckendsten Museen, die ich je besucht habe. Mein kleiner Entdecker war noch nicht dort. Aber ich stimme Dir zu, gut gemachte Museen sind ein Abenteuer fuer Kinder. Lieben Gruss, Peggy
Ja, nicht? Und da hat sich so viel getan in den vergangenen 10, 20 Jahren. Als ich klein war, standen die meisten Ausstellungsstücke im Museum noch in Vitrinen, es gab ein Schildchen daneben und gut. Heute wird vieles museumspädagogisch exzellent aufbereitet, und so viel mehr Wissen bleibt hängen. Wobei die Berliner Museen auf der Insel ja schon sehr klassische vertreter ihrer Gattung sind. Und trotzdem fantastisch.
Danke für deinen Kommentar!
Mein Lieblingsort in Berlin :)