Auch wer nur ein oder zwei Tage Zeit hat für Bergen, sollte sich das Freilichtmuseum Gamle Bergen nicht entgehen lassen. Gerade für Familien ist das ein entspannter und zugleich äußerst lehrreicher Ort.

Wir fuhren ins Freilichtmuseum Gamle Bergen, und der Regen hörte tatsächlich auf. Zugunsten von diesiger grauer Nebelsuppe. Wir gönnten uns eine Führung, und ein junger Norweger nahm uns und eine weitere deutsche Familie mit in die alten Häuser. Gleich das erste Gebäude zeigte eine Ausstellung von verschiedenen Spielzeugen: Puppenhäuser, Zinnsoldaten, Papiertheater und viele andere Dinge. Janis interessierte ausgerechnet die Vitrine mit dem „Arme-Leute-Spielzeug“ aus Tannenzapfen, Wolle und Zeitungspapier am meisten. Silas stürzte sich auf die Schaukel-Ente, auf der Besucherkinder schaukeln durften. Als Janis dieses Recht dann auch einforderte und es zur obligatorischen Kabbelei kam, verpasste die Ente Silas einen herzhaften Nasenstüber. Blut floss in rauen Mengen. Martin ging mit ihm raus, während ich den Tatort notdürftig mit Taschentüchern säuberte. Zum Glück ließen sich sowohl Blutung als auch Silas recht schnell beruhigen, aber für den Rest der Führung war er extrem weinerlich und klammeraffig.

Ein netter Ort für einen Familienausflug: das Freilichtmuseum Gamle Bergen. (The open air museum is very family friendly and also very interesting.)

Ein netter Ort für einen Familienausflug: das Freilichtmuseum Gamle Bergen. (The open air museum is very family friendly and also very interesting.)

Trotzdem war es unheimlich interessant, und wir erfuhren viel über die norwegische Geschichte. Das Land ist in den vergangenen Jahrhunderten furchtbar arm gewesen, hatte die höchste Kindersterblichkeitsrate Europas und eine Lebenserwartung von 52 Jahren. In Bergen war der Platz so knapp, dass zwischenzeitlich in einem Zweifamilienhaus 54 Menschen lebten. Der Bäcker, obwohl einer der wohlhabenderen Männer der Stadt, teilte sein Schlafzimmer mit der ganzen sechsköpfigen Familie. Seine Bäckergesellen weckte er mit einem Klingelzug um ein Uhr in der Nacht, und ab dann arbeiteten die durch bis zehn Uhr abends. Erst Ende des 19. Jahrhunderts gelang es ihnen, einen 16-Stunden-Tag durchzusetzen. Im Haus des Zahnarztes erfuhren wir, dass lange Zeit ein Gebiss ein übliches Geschenk zur Konfirmation war, so mit 14, 15 Jahren, weil dann zumeist schon alle eigenen Zähne ausgefallen waren (jedenfalls seit es sich eingebürgert hatte, eine großzügige Portion Sirup über den morgendlichen Getreidebrei zu kippen).

Viel Platz hatten die Bergener in alten Zeiten oft nicht.

Viel Platz hatten die Bergener in alten Zeiten oft nicht.

Nach der Führung blieben wir noch ein bisschen auf dem frei zugänglichen Außengelände. Die Jungs bandelten mit zwei älteren Männern an, die an einem Teich die Enten fütterten. Sie gaben den Jungs altes Weißbrot, das Janis mit Begeisterung an die Vögel verfütterte, Silas mit ähnlicher Begeisterung in den eigenen Mund steckte. Mit dem jüngeren der beiden Alten kamen wir ins Gespräch. Er erzählte uns, dass er viele Jahre lang auf dem Flughafen in Gütersloh gearbeitet hat.

(Diesen Eintrag meines Reisetagebuchs habe ich am 1. September 2009 verfasst.)

Das Freilichtmuseum Gamle Bergen befindet sich am Nyhavnsveien 4. Die Saison 2014 erstreckt sich vom 15. Mai bis zum 31. August, geöffnet ist dann täglich von 9 bis 16 Uhr. Der Eintritt für Erwachsene kostet umgerechnet 9,70 Euro; Kinder unter 18 sind, wie in den meisten norwegeischen Museen, frei.