Wir wollten doch zumindest mal einen Blick auf „Hogwarts“ werfen.
Unsere Couchsurfing-Gastgeberin hatte uns schon per E-Mail berichtet, dass sich unter den Sehenswürdigkeiten um Tynemouth bei Newcastle herum auch einer der Drehorte der Harry-Potter-Filme befindet.
Alnwick Castle: teures Vergnügen
Netterweise hat sie gleich dazugeschrieben, dass besagter Drehort diesen Fakt gut auszunutzen weiß und das Familienticket 65 Pfund kostet (entspricht aktuell 77,50 Euro). Der Trick an der Sache ist, wie bei vielen Sehenswürdigkeiten in Großbritannien, dass es sich um ein Jahresticket handelt. Tagespässe werden gar nicht erst gehandelt. So kann man das Touristenpack freilich wunderbar schröpfen und trotzdem so tun, als seien die Preise völlig in Ordnung. Wir geben uns also von Anfang an keinen Illusionen hin, das Ding von innen zu sehen. Aber zumindest mal gucken wollten wir doch, zumal Alnwick von Norden aus fast direkt auf unserem Weg liegt.
„Alnwick Castle Parking 3,50 £“ begrüßt uns ein großes Schild. Fast fünf Euro für „nur mal kurz gucken“? Nee, entscheiden wir uns, wir probieren mal, woanders was zu finden. Oft genug gelingen solche Vorhaben nicht, aber Alnwick Castle liegt direkt im gleichnamigen Ort, und wir finden tatsächlich eine Parklücke oben an der Kirche: gratis.
Harry Potter Merchendise und Souvenirs
Einen kurzen Fußmarsch später laufen wir am Torhaus vorbei. Es ist schon kurz nach vier. Menschenmassen kommen uns entgegen. Ich betrachte den Kleidungsstil der Leute, beobachte ihre Art, mit den Kindern umzugehen, und komme zu dem Schluss, dass das Publikum hier nicht gerade durch hohen Bildungsstand auffällt (und ja, das ist der Versuch, die Sache diplomatisch auszudrücken).
Wir lassen uns in den riesigen Souvenir-Shop spülen, der selbstverständlich vor der Bezahlschranke steht. Ich hätte Unmengen Harry-Potter-Merchandising erwartet, aber stattdessen ist hier hauptsächlich das übliche Angebot an Dekokrempel, Bildbänden und kitschigen Souvenirs zu haben. Lediglich ein schmales Regal ist den Filmaufnahmen an diesem Ort gewidmet. Dort drängen sich Touristen, um sich neben einer original im Film getragenen Hufflepuff-Uniform fotografieren zu lassen. Außerdem sind ein paar Münzen Zauberergeld zu sehen. Zu meiner Überraschung ist außerdem ein Pfeil ausgestellt, der auf meinen langjährigen Lieblingsfilm „Robin Hood – König der Diebe“ hinweist. Die Galgen-Szene im Burghof mit den brennenden Fässern ist ebenfalls in Alnwick Castle gedreht worden. Guck an.
„Schnäppchen“: Alnwick Gardens
Am Eingang zum Schlosspark stehen uniformierte Torwächter, die uns argwöhnisch im Auge behalten, als klar wird, dass wir kein Ticket vorzeigen werden. Ich versuche, durch die Bäume einen Blick auf die Burg zu erhaschen. Nix da. Unmöglich.
Nur den Park zu besichtigen kostet für eine Familie 33 Pfund (39 Euro). Dafür gibt’s dann auch einen „Geheimgarten“ hinter einem Totenkopf-Tor zu sehen, in dem giftige Pflanzen wachsen. Hm, wer’s braucht…
Innen in der Burg erwartet die zahlungskräftigen Besucher eine Art Geisterbahn, erfahren wir am Ticket-Schalter, und zwei Mal täglich führt jemand mit entfernter Hagrid-Ähnlichkeit Zaubertricks mit Feuer vor. Vielleicht ist es ja ganz toll. Aber irgendwie hab ich so meine Zweifel. Das macht hier doch sehr einen Abzocke-Eindruck auf mich.
Geheimtipp: „Hogwarts“ von hinten
Die Jungs sind natürlich enttäuscht, dass wir „Hogwarts“ nicht mal von weitem sehen. „Können wir das Geld nicht einfach bezahlen?“ kommt erwartungsgemäß die Frage. Als ich ihnen vorrechne, was der Burgherr dafür haben will, ist die Diskussion sofort beendet. Stattdessen entwickelt Silas Pläne zur Stürmung der modernen Raubritter-Burg. Aber wir haben schon eine andere, friedlichere Idee. Auf dem Geländeplan haben wir gesehen, dass an der rückwärtigen Mauer direkt eine öffentliche Straße entlangführt. Und tatsächlich: Von dort aus haben wir die Burg direkt im Blick. Von hier aus sind natürlich keine Filmaufnahmen gemacht worden, und der Wiedererkennungswert ist gleich null. „Aber man kann sich gut vorstellen, dass Hogwarts so aussieht“, meint Silas gnädig.
Schönes Café in Alnwick
Wir beschließen, das gesparte Eintrittsgeld gewinnbringender anzulegen und suchen uns ein Café in der ausgesprochen hübschen Innenstadt von Alwick Castle. Das „Baileys“ lockt uns mit seinem „Cake Deal“ nach innen. Für 3,75 Pfund bekommen wir hier ein anständiges Stück Kuchen und eine große Tasse Tee. Trotz des alkoholischen Namens entpuppt sich das Etablissement als äußerst familienfreundlich. Für kleine Kinder steht eine Spielkiste bereit. Größere Kinder und auch wir haben viel zu Gucken: Die Decke ist abenteuerlich dekoriert, und eine bunte Wimpelkette animiert uns zum lustigen Fahnen-Raten. So hat sich unser Besuch in dem kleinen Nest doch durchaus gelohnt.
Diesen Eintrag meines Reisetagebuchs habe ich am 22. August 2013 verfasst. Mehr England-Reiseberichte aus jenem Familienurlaub inklusive Karte gibt es in unserem England-Inhaltsverzeichnis.
Infos für Alnwick Castle
Alnwick Castle (das aus irgendeinem Grund übrigens „Innick Castle“ ausgesprochen wird) befindet sich im gleichnamigen Ort an der Ostküste Nordenglands, zwischen Newcastle-upon-Tyne und der Grenze zu Schottland. Wer es trotz astronomischer Preise besuchen möchte, informiert sich am besten hier.
Das Baileys liegt in Laufweite zum Castle in der Innenstadt, direkt an der Ecke hinter dem eindrucksvollen Stadttor; die Adresse lautet 49 Bondgate Within.
Übrigens: Benjamin alias ReisenderNerd hat Alnwick Castle besichtigt und schreibt (sehr kurz) in seinem Blog, dass sich die Harry Potter Tour seiner Meinung doch lohnt.
Zum Weiterlesen
Dieser Artikel stammt aus der Anfangszeit meines Blogger-Daseins. Heute würde ich ihn ganz anders schreiben (wenn überhaupt).
Ausführliche Gedanken zur Preisgestaltung von Schlossbesichtigungen in Großbritannien und die Gründe dafür habe ich mir in dem Bericht über Highclere Castle („Downton Abbey“).
Und 2018 waren wir in den (ebenfalls schweineteuren) Harry Potter Studios in London, wo das „echte Hogwarts“ mit allem Drum und Dran als Modell steht. Da waren wir trotz allem Merchendise dann ziemlich begeistert.
Habe gerade deinen Kommentar gesehen. Warum hättet ihr soviel Geld bezahlen sollen? 65 Pfund ist ja doch mehr als die 42 Pfund die im Flyer stehen für die Familien Karte.
Die 65 Pfund waren für „castle and garden“. Nur die Burg wären 37 Pfund, nur die Gärten 33, jeweils Familienpreis. Kombi-Ticket 65. Auf der Homepage gibt es die aktuellen Preise für 2017: Familienkarte (2+4) für die Burg-Tour an der Tageskasse 42 Pfund, online gibt es 10% Rabatt. Burg und Garten 63,70 Pfund an der Tageskasse, online 57,47 Pfund (also tatsächlich günstiger geworden! :) ).
Ich weiß, dass die riesigen Anwesen unglaublich hohe Unterhaltssummen erfordern und die Menschen, die diese steinernen Lasten erben, wirklich zu tun haben, das irgendwie zu erhalten. In Deutschland wird da ganz anders subventioniert, glaube ich. Trotzdem sind die Eintrittsgelder, die in Großbritannien verlangt (und bezahlt) werden, für deutsche Familien ein teurer Spaß.
Hallo Lena,
habe Deinen recht kritischen Bericht über Alnwick Castle mit Interesse gelesen. Ich war vor ein paar Jahren auch dort und gebe Dir recht, die Eintrittspreise in England sind nicht billig. Dennoch finde ich sie preiswert. Die Gründe, die ich jetzt dafür anführen könnte, hast Du selbst in Deiner obigen Antwort schon genannt.
Zudem kannst Du die Summen auch mal in Bezug zu einigen anderen Kosten setzen, zum Beispiel ein
Nahverkehrsbahnticket Preisstufe D oder eine Handwerker-Rechnung für irgendeine Kleinigkeit. Dann relativieren sich die Summen schon wieder etwas und bei den Burgen und Herrenhäusern nimmst Du immerhin bleibende Erinnerungen mit nach Hause :-)
LG
Stefan
Lieber Stefan, der Bericht stammt aus meinem ersten Blogger-Jahr 2013. Heute würde ich sicherlich einiges anders schreiben. Aber ein britisches Schloss für umgerechnet 77 Euro würde ich auch heute nicht besuchen. ;) Zum Glück für die Briten und ihr Kulturerbe sieht man das in Großbritannien etwas anders.
Preise in Relation zu setzen, ist generell immer eine gute Idee. Jeder sollte sein Geld für das ausgeben, was ihm dieses wert ist. Am Wochenende haben wir z.B. 28 Euro bezahlt und sind dafür zu viert von Borkheide südlich von Potsdam eine Stunde mit dem Zug nach Berlin reingefahren, konnten den ganzen Tag wild im ganzen Großraum mit Bussen und Bahnen fahren und am Abend wieder zurück. Quasi „ganz Berlin von außen“ plus An- und Abtransport zu diesem Preis finde ich super. Andere hätten nicht das Gefühl, davon was zu haben.
Wir haben in der Zwischenzeit mehrere Herrenhäuser und Schlösser in unterschiedlichen Preiskategorien besichtigt, und im Artikel über Highclere Castle („Downton Abbey“) habe ich mir ausführlich Gedanken über die Preisgestaltung gemacht. Die Links habe ich oben ergänzt.