Dass wir auf unserer Norwegen-Reise in Lillehammer Station machten, ergab sich wie so oft recht zufällig. In dem kleinen Nachbarort Mesnali fanden wir eine sehr nette kleine Couchsurfer-Familie, die bereit war, uns für zwei Nächte zu beherbergen. „Lillehammer selbst hat für Familien eigentlich nicht so viel zu bieten“, hatte uns Anne vorher schon per E-Mail vorgewarnt. Dafür hat sie uns an einen Ort geschickt, der sowohl für uns als auch für die Kinder ungeheuer lehrreich und unterhaltsam zugleich war, dazu mitten in wunderschönster Norwegischer Natur: das Freilichtmuseum Maihaugen.
Den Sonntag haben wir fast komplett in Maihaugen verbracht, einem der beiden großen Freilichtmuseen in Norwegen. Als Nachsaison-Touristen haben wir es wieder einmal mit den beiden typischen Phänomenen zu tun. Erstens: Wir zahlen deutlich weniger als die Sommerurlauber zur Ferienzeit: klarer Vorteil. Zweitens: Dafür sind auch nur etwa die Hälfte der Häuser offen: klarer Nachteil. Da sich das Museum über ein ausgesprochen riesiges Gelände erstreckt und fast 200 historische Bauwerke umfasst, beschäftigt uns das aber immer noch mehr als genug.
Wir starten mit der grandiosen Ausstellung „How we won the land“. Hier gibt es die Geschichte Norwegens zum Erleben und Anfassen, von der Eiszeit bis in die Gegenwart. Es beginnt mit dem Knirschen und Knacken der Gletscher während der Eiszeit. Wir sehen die Rentierhaut-Zelte der ersten Nomaden, betreten dann die ersten festen Hütten, laufen über die ersten Felder und vorbei an einem Wikingerboot. Der Glockenklang einer Kirche verkündet die Ankunft des Christentums, und dann steigen wir auch schon hinab in die dunkelsten Kapitel der norwegischen Geschichte. Mehr als die Hälfte aller Menschen sind damals im Mittelalter an der Pest gestorben, mehr als in jeder anderen Region Europas. Erleichtert verlassen wir die stöhnenden Bewohner einer ärmlichen Behausung und verabschieden uns in die Neuzeit. Hier tuten die Dampfer der Auswanderer, und wir linsen bei Bürgertum und Fabrikarbeitern durch die Fenster. Stacheldraht und Hakenkreuze geleiten uns durch den zweiten Weltkrieg. Dahinter warten der Nierentisch, die Beatles, Flower Power und schließlich Artefakte der allerjüngsten Vergangenheit. Der letzte Raum gilt der Zukunft. Als steriler, dunkel gepflasterter, weiß gestrichener Raum mit nichts darin als einer blauen Pfütze stimmt er betroffen.
Wir atmen tief durch und haben das Gefühl, dass sich das Eintrittsgeld schon jetzt rentiert hat. Dann erst stürzen wir uns in das eigentliche Freilichtmuseum. Gegen Pfand nach dem Einkaufswagenprinzip leihen wir Handwagen – nach reichlich Streit und Gezeter für jedes Kind einen. Mit ihren kleinen Vollgummirädern lassen sie sich sehr schlecht über die Schotterwege ziehen. Ungefähr die Hälfte Zeit müssen die Jungs auf der hügeligen Strecke aussteigen und beim Schieben helfen. Aber immerhin schaffen wir es so, einen guten Teil des riesigen Geländes zu sehen. Es umfasst drei ganze Siedlungen, dazu noch etliche Einzelgehöfte – um mehr als einen Bruchteil zu schaffen, sollte man sich auf jeden Fall einen ganzen Tag Zeit für das Museum nehmen.

Da schlägt das Herz eines jeden Y-Chromosom-Trägers höher: Probesitzen auf einem alten Trecker vor einem norwegischen Bauernhof mit der typischen Auffahrt zum Heuboden (die übrigens auch in der “freien Wildbahn” heute noch so aussehen).
Maihaugen ist nach Gamle Bergen das zweite norwegische Freilichtmuseum, das wir zu Gesicht bekommen. Während letzteres sich auf die Geschichte der Regenstadt beschränkt, hat dieses eher den Anspruch, die komplette Landesgeschichte abzubilden. Die Unterschiede sind teilweise bemerkenswert. Erstaunlich beispielsweise, wie viel Platz in den mittelalterlichen Bauernhäusern zur Verfügung stand, verglichen mit der beklemmenden Enge der Bürgerhäuser in Gamle Bergen. Wir sehen auch viele wunderschöne Holzschnitzereien, sehr hübsche Schränke, Truhen und auch Türen.
Einerseits gefällt es uns sehr gut, das Gelände auf eigene Faust zu erkunden. Andererseits bleiben so natürlich viele Fragen offen. Bei zweigeschossigen Häusern verläuft die Treppe immer außen. Warum? Das ist doch schweinekalt im Winter, wenn man auf dem Weg von der Feuerstelle in die Schlafkammer erst noch nach draußen muss! Leider haben wir keine Erklärung dafür gefunden.
Ganz besonders gefallen hat uns dann noch der zeitgenössische Bereich. Hier befinden sich typische Einfamilienhäuser aus allen Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Im Sommer werden sie wohl, ebenso wie die anderen Gebäude, von zeitgemäß gekleideten Mitarbeitern bespielt. Jetzt in der Nachsaison können wir bei den meisten nur durch die Fenster gucken. Trotzdem ist es witzig, im 90er-Jahre-Haus Spielzeug und Einrichtungsgegenstände zu sehen, an die ich mich aus meiner eigenen Kindheit noch gut erinnern kann – und Dinge, die ganz anders sind, eben typisch norwegisch.
Fazit: Auch in der Nachsaison absolut sehenswert für die ganze Familie! Viel Zeit mitbringen, und bequeme Laufschuhe!
Das Maihaugen Freilichtmuseum hat die Adresse Maihaugvegen 1 in Lillehammer. Öffnungszeiten: Im Juni, Juli und August täglich von 10 bis 17 Uhr, außerhalb dieser Saison dienstags bis sonntags von 11 bis 16 Uhr bei eingeschränktem Programm. Der Eintritt kostet 2014 für Erwachsene umgerechnet 18,50 Euro (bzw. 13,50 in der Nachsaison), Kinder von 6 bis 15 zahlen 9,25 Euro (6,80). Ein Familienticket (2+x) kostet 46 Euro (34).
Die Auszüge aus meinem Reisetagebuchs stammen vom 7. September 2009.
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