„Wie wichtig ist euch das Thema Nachhaltigkeit auf Reisen?“ fragt Antje von Mee(h)r-erleben und hat zu dem Thema eine Blog-Parade ausgerufen. „Sehr wichtig“, sage ich. Aber wie ernst meinen wir das mit dem grünen Gewissen? Unsere ganz persönliche Art des Reisens auf den Prüfstand.

Nachhaltiger Urlaub in freier Natur, hier im Harz: ein Irrglaube "auf dem Holzweg"? (Sustainable traveling in harmony with nature - possible or misconception?)

Nachhaltiger Urlaub in freier Natur, hier im Harz: ein Irrglaube „auf dem Holzweg“? (Sustainable traveling in harmony with nature – possible or misconception?)

Nachhaltigkeit bedeutet, dass wir uns bemühen, so wenig irreversible Spuren wie möglich zu hinterlassen. Darin ist der Mensch im Allgemeinen mit seiner modernen Lebensweise nicht besonders gut. Gerade im Urlaub fällt da zwischen Öko-Tourismus und Intensiv-Road-Trip zwangsläufig einiges an.

  1. Fortbewegung. Tun wir dies mit dem Fahrrad, ist alles okay. Für unsere Wochenend-Ausflüge nehmen wir gern das Rad, und auch längere Strecken entlang des Weserradwegs haben wir schon ausprobiert und für gut befunden. Auch die nähere Umgebung hat viel zu bieten, da kriegt man manche Ferienwoche gut rum. Aber, ganz ehrlich? Die Welt lockt. So versuchen wir, wenigstens auf Flüge zu verzichten und nur dort Urlaub zu machen, wo wir auch mit dem Auto hinfahren können. Wir haben uns bewusst eins ausgesucht, das vergleichsweise wenig Sprit verbraucht (wir haben uns auch Alternativen wie Elektro-Autos sehr genau angesehen, aber bei unserem Fahrprofil hat das bisher wenig Sinn gemacht – da ist aber viel im Schwung, und beim nächsten Mal wird’s wohl eins werden).
    Auf unseren Rundreisen sitzen wir meist ziemlich viel im Auto. Wir sind bis Tallinn gefahren – zurück mit der Fähre, immerhin -, in die andere Richtung bis Roscoff in der West-Bretagne, von da aus mit dem Schiff rüber nach Irland und dann einmal ganz um die Insel – und zurück. Nicht sehr rühmlich im Hinblick auf Nachhaltigkeit. Immerhin sind wir uns der Problematik bewusst, vermeiden unnötige Autofahrten (z.B. extra noch mal los zum Supermarkt) und sparen die Strecken, wenn immer möglich, im Alltag wieder ein (indem wir bewusst auf einen Zweitwagen verzichten und Martin jeden Tag umweltfreundlich mit dem Rad zur Arbeit fährt). Wenigstens im Großstadtverkehr haben wir immer gern öffentliche Verkehrsmittel benutzt (z.B. in London, Riga und Berlin). Leider ist das Reisen mit Bus und Bahn mit Kindern oft doch sehr umständlich und unflexibel. Ich kann mir aber vorstellen, dass wir das durchaus versuchen werden, wenn die Jungs älter sind und mehr von ihrem Gepäck selber tragen können.
  2. Unterkunft. In Sachen Nachhaltigkeit ist Couchsurfing unschlagbar. Hier werden ganz bestimmt nicht täglich Handtücher und Bettwäsche gewechselt, es gibt keine kleinen Plastikfläschchen mit Duschgel, keine abgepackten Marmeladen-Pöttchen, und Reste landen nicht pauschal im Müll. Das Konsumverhalten im Urlaub, generell unterwegs, ist im Allgemeinen wenig umweltfreundlich. Wir schließen uns einfach einer anderen Familie im Alltag an und vermeiden so viele typische Tourismus-Sünden, die man sonst als Gast mehr oder weniger unfreiwillig mitträgt. Noch dazu kommen wir mit Menschen anderswo in Kontakt, tauschen uns aus, auch und gerade über Nachhaltigkeitsproblematiken und unseren Umgang damit. So haben wir durchaus einiges gelernt und – hoffentlich – auch manchen Denkanstoß weitergegeben.
    Aber wir praktizieren ja nicht nur Couchsurfing auf Reisen. In den großen Hotels, die viele Ressourcen verbrauchen, steigen wir zwar zumeist nicht ab (allein schon aus Kostengründen), aber auch Hostels und kleinere Betriebe müssen sich mit dem Thema auseinandersetzen. So nehme ich freudig zur Kenntnis, dass die britischen Jugendherbergen der YHA beispielsweise sich mit einem speziellen Programm der Nachhaltigkeit annehmen (und bin entsetzt, dass sie nicht wenigstens mal damit anfangen, Doppelverglasung bei den Fensterscheiben einzusetzen).
  3. Sightseeing. All die Orte, von denen wir uns auf Reisen beeindrucken lassen, tun dies, weil sie einzigartig, unwiederbringlich sind. Dies gilt für empfindliche Naturwunder wie die Dinosaurierspuren bei Obernkirchen und das estnische Hochmoor ebenso wie für kulturelle und historische Sehenswürdigkeiten. Das Bewusstsein, dass es an uns ist, diese Stätten auch für nachfolgende Generationen zu bewahren, setzt sich erst langsam durch. Noch bis in das vergangene Jahrhundert hinein war es möglich, sich in der Nähe von Stonehenge Werkzeug zu leihen, um sich von den großen Steinen ein Souvenir abzuschlagen. Auf die Idee würde heute wohl glücklicherweise niemand mehr kommen. Aber es gibt noch genügend Deppen, die im Freilichtmuseum unbedingt selbst ins altertümliche Bett kriechen und alles angrabbeln müssen. Viele Museen ermutigen das inzwischen ja auch, und solange es sich um Nachbauten und Repliken handelt (wie beispielsweise beim Fußabdruck der mythischen Könige von Schottland bei Dunadd Fort) ist das ja auch völlig okay. Ich bin da etwas zwiegespalten. Sicher, man ist nur bereit, das zu schützen, was man liebt. Und um es zu lieben, muss man es erst einmal kennen lernen. Es gehört aber auch eine gute Portion Eigenverantwortung und eben wieder Bewusstsein für das Thema Nachhaltigkeit dazu.
  4. Bildung ist deshalb mein vierter Punkt und eigentlich auch der wichtigste, wie ich finde. Ein grünes Gewissen fällt nicht einfach so vom Himmel. Gerade das Reisen, das Hinausschauen über den Tellerrand, der Blick auf das große Ganze, ist hierfür äußerst hilfreich – für uns Erwachsene genauso wie für Kinder, die gar nicht früh genug mit dem Thema konfrontiert werden können. Hier wiederhole ich, was ich vor einigen Monaten schon auf eine sehr ähnliche Blogstöckchen-Frage von Weltwunderer Jenny geantwortet habe: Nämlich, „dass für mich nicht nur ökologische Nachhaltigkeit existiert. Wir reisen nicht, damit wir irgendwo bei ein paar Grad mehr in der Sonne braten, sondern um die Welt zu begreifen. Kein Mensch kann sagen, ob Janis später tiefsinnigere Bernsteinfiguren schnitzt oder völkerverständigendere Marzipanröschen pinselt, weil er als Kind mit kleinen Engländern Trompete gespielt oder mit einer finnischen Freundin am Grill gekokelt hat. Und auch ob Silas’ derzeitige Überlegungen zur Berufswahl eine Dokumentation auf Phoenix nicht genauso beeinflusst hätte, kann man nicht wissen. Aber ich denke schon, dass es für Kinder hilfreich, förderlich, gesamtgesellschaftlich sinnvoll ist, die Welt nicht nur aus den Medien zu kennen, sondern sie selbst im Wortsinne nachhaltig erfahren und begriffen zu haben.“
Man schützt nur, was man liebt. Und um es zu lieben, muss man es erst einmal kennen lernen. (You only save what you love. And to love it you need to get to know it first.)

Man schützt nur, was man liebt. Und um es zu lieben, muss man es erst einmal kennen lernen. (You only save what you love. And to love it you need to get to know it first.)

Unterm Strich können wir uns wahrscheinlich gönnerhaft auf die Schultern klopfen und sagen: Wir sind besser als andere. Genauso klar ist: Das heißt noch lange nicht, dass wir gut sind. Dass es in Ordnung ist, dass und wie wir unsere Fußabdrücke in der Welt hinterlassen. Sollten wir besser gar nicht reisen? Oder dürfen wir uns zurücklehnen mit der Ausrede, dass wir unseren Kindern ein Problembewusstsein vermitteln, und Liebe für die Welt, die sie dann bitte schön besser schützen sollen als wir? Wir machen uns Gedanken, und wir machen unser Ding. Aber es bleibt doch immer ein Nachgeschmack nach Doppelmoral zurück.

Übrigens: Christina von der Reisemeisterei hat eine handfeste To-do-Liste in Sachen Nachhaltiges Reisen verfasst.