Sevilla ist die Hauptstadt Andalusiens – und zwar eine schöne. Flamenco, Flair, maurische Prachtbauten, und mitten drin zwei Jungs, die trotz der Hitze ganz angetan sind von dieser Stadt. Teil 1 unserer Serie über Andalusien mit Kindern.
Erste Hürde: Parken und Metro
Sevilla mit Kindern zu erkunden, ist bei 34 Grad im Schatten nicht ganz leicht – im Mai. Aber da überall Wasser fließt, geht es dann doch halbwegs. Wir gehen das Unterfangen von der Haltestelle Prado de San Sebastian aus an. Wer so nah wie möglich ans Zentrum will, fährt eine Station weiter bis Puerta de Jerez. Städteplanerisch gibt Sevilla sich Mühe, Defizite der vergangenen Jahrzehnte aufzuholen. Ein öffentliches Nahverkehrssystem ist im Aufbau – leider nicht viel mehr als das. Eine einzige Linie ist fertiggestellt, aber die hilft uns schon einmal weiter.
Wir parken gratis an der Universität (wie überall in Südspanien gilt bei deutschem Kennzeichen: Auto komplett ausräumen, Handschuhfach und Kofferraumabdeckung öffnen, wenn man Wert auf seine Autoscheiben legt) und fahren für 1,60 Euro pro Person ins Zentrum.
Großes Parkplatzgelände an der Universidad de Olavide. Im Eingangsbereich des Bahnhofsgebäudes stehen Automaten, an denen man sowohl Karten bekommt als auch Guthaben aufladen kann. Eine Karte für alle reicht, von der wird dann entsprechend der Personenanzahl abgebucht. Die Fahrt ins Zentrum kostet einheitlich 1,60 Euro für alle ab drei Jahren.
Die Kathedrale der Verrückten
Sevilla ist vor allem für seine Kathedrale bekannt. „Unsere Kirche soll so groß werden, dass jeder, der sie sieht, uns für verrückt hält“, sollen die Kapitelherren sich gewünscht haben. Unser Reiseführer behauptet, dass es sich um die drittgrößte Kathedrale der Welt handelt (allerdings habe ich inzwischen schon eine ganze Reihe drittgrößter Gotteshäuser der Welt besichtigt und habe kaum noch Lust, unüberprüfbare Superlative zu wiederholen). Wir beschränken uns auf einen Blick von außen.
Öffnungszeiten: Die Kathedrale von Sevilla ist Montag bis Samstag von 11 bis 17.30 Uhr geöffnet, im Juli und August von 9.30 bis 16.30 Uhr und sonntags von 14.30 bis 18.30 Uhr. Der Eintritt kostet 8 Euro, Kinder bis 12 sind frei.
Der Alkazar: Ein Märchenpalast wie aus 1001 Nacht
Dem zweiten Sightseeing-Highlight der Stadt geben wir uns aber hin und sind sofort schwer begeistert. Alkazar bedeutet eigentlich nicht viel mehr als „Festung“, aber diese ist ein absolutes Muss! Wir haben keine Tickets reserviert, brauchen aber trotzdem nur ein paar Minuten warten, bis wir in den herrlichen Palast vorgelassen werden.
Die orientalische Pracht (die ja eigentlich maurisch ist, also nordafrikanisch) kann es durchaus mit der des Sultanspalasts in Istanbul aufnehmen. Und, um die Verwirrung perfekt zu machen: Bauherr war gar kein exotischer Herrscher, sondern Pedro I. von Kastilien, dessen Urgroßvater die Stadt bereits von den Mauren „zurück“erobert hatte (wie viel „Re“ bei der „conquista“ dabei war, ist ein Thema, über das sich herrlich diskutieren lässt, denn vor den Muslimen gab es eigentlich noch gar kein Spanien). Pedro jedenfalls gefiel der maurische Baustil so gut, dass er sich die Architekten der Alhambra kurzerhand auslieh und sein eigenes Märchenschloss aus 1001 Nacht errichtete.
Die bunten Fliesen der Palasträume sind beeindruckend. Nicht anders als bei mitteleuropäischen Schlössern auch, hat über die Jahrhunderte jeder Herrscher seinen eigenen Architekturgeschmack beigesteuert. Noch heute bewohnt die spanische Königsfamilie einige Räume im Obergeschoss (zumindest ab und zu). Uns haben vor allem auch die Gärten gefallen, welche zum Weltkulturerbe ausdrücklich dazugehören. Der Irrgarten war bedauerlicherweise wegen Renovierungsarbeiten gesperrt, aber dafür haben wir die Wasserorgel aus dem 17. Jahrhundert in Aktion erlebt und im „Garten der Dichter“ gepicknickt, in dem schon große Namen wie Garcia Lorca der Muse huldigten.
Der Eintritt für den Alkazar von Sevilla kostet 9,50 Euro für Erwachsene, das Obergeschoss kostet 4,50 Euro extra (war bei uns geschlossen). Kinder bis 12 Jahre zahlen nichts. Die Audioguides für zusätzliche 5 Euro pro Stück sind empfehlenswert (uns hat einer für alle gereicht).
Öffnungszeiten: April bis September täglich 9.30 bis 19 Uhr, Oktober bis März nur bis 17 Uhr. Je nach Durchhaltevermögen aller Beteiligten lassen sich hier mindestens zwei bis drei Stunden, leicht auch ein ganzer Tag verbringen.
Stadtbummel: Von märchenhaft bis modern
Rund um Kathedrale und Alkazar befindet sich das Altstadtviertel, die Juderia. Wie der Name vermuten lässt, wohnten hier vor allem Juden, bis die „katholischen Könige“ sie 1492 systematisch aus ganz Spanien vertrieben. Heute gehört das Viertel den Touristen und allen, die an ihnen Geld verdienen.
Nichtsdestotrotz sind die kuscheligen Gässchen sehenswert und die Cafés für deutsche Verhältnisse gar nicht mal so überteuert (dass man eine Kleinstadt weiter für eine heiße Schokolade in netterer Atmosphäre nur die Hälfte zahlt, bringt dem durchschnittlichen Städtereisenden mit eng gepacktem Terminplan ja ohnehin wenig). Ventilatoren und Sprühnebel machen die Einkehr während der Mittagshitze vielerorts erträglicher.
Wir schlendern vorbei an den Souvenirläden, entdecken noch verschiedene Gebäude im maurischen Mudejar-Stil und lassen die Stadt auf uns wirken. Auf der Plaza Major finden wir den modernsten Anblick Sevillas.
Stierkampf: In Sevilla noch lange kein Tabu
Die Jungs interessieren sich für die Stierkampfarena, die als eine der schönsten und ältesten Spaniens gilt. Noch immer finden hier Vorführungen statt, bei denen im Namen der Tradition systematisch Tiere gequält und getötet werden. Wer seinen Kindern die direkte Traumatisierung ersparen, das System aber trotzdem unterstützen möchte, kann die Anlage außerhalb der Vorstellung für 6 Euro pro Person besichtigen. Wir verzichten dankend. Ich halte mich für einen gleichermaßen weltoffenen wie traditionsbewussten Menschen, aber in dieser Hinsicht bin ich nachdrücklich der Meinung, dass man die barbarischen Sitten der Antike so langsam mal überwinden könnte.
Spaziergang entlang des Flusses
Der Rio Guadalquivir galt lange als der am schlimmsten belastete Fluss Europas. Inzwischen bessert sich die Wasserqualität langsam. Allzu nah möchte man den grünen Fluten trotzdem nicht kommen, aber ein Spaziergang entlang des Ufers ist durchaus ein Genuss – vor allem in den frühen Abendstunden, wenn die Hitze des Tages langsam nachlässt. Teile des Uferpfades sind durch Laubengänge beschattet. Zwischen Blumenbeeten und Wasserspielen locken Bars und Cafés zum Ausruhen. Wir erliegen dem Charme des „New York“, wo wir bei chilliger Raggae-Musik einen Cappuccino trinken, während die Jungs im Schatten spielen.
Die Plaza de Espana und der Maria Luisa Park
Das Gelände der ibero-amerikanischen Weltausstellung von 1929 hat sich inzwischen in den Maria Luisa Park verwandelt. Hier plätschert überall Wasser, Vögel zwitschern, und die hohen Bäume wiegen sich im warmen Wind. Wir lustwandeln über eine künstliche Insel, schauen Schildkröten und Entenküken zu und genießen das Urlaubsgefühl, das Andalusien unweigerlich verbreitet.
Herzstück des ehemaligen Expo-Geländes ist die Plaza de Espana, die als schönster Platz des Landes gilt und die Spanier noch heute für die Veranstaltung entschädigt, die wirtschaftlich ein Flop war. Wir schaffen es kaum anzukommen, denn auf dem Weg lassen sich die Jungs von zwei Spielplätzen ablenken. Beide sind – was in Spanien leider absolut nicht üblich ist – herrlich schattig gelegen.
Als wir die Plaza schließlich erreichen, erschlagen uns die Touristenmassen und die mit ihnen einhergehenden Straßenverkäufer und Bauernfänger. Nichtsdestotrotz lohnt sich ein Blick auf den Platz, der schon in manchem Hollywoodfilm mitgespielt hat (zum Beispiel in Star Wars Episode 2 als Kulisse des Planeten Naboo). Die berühmten andalusischen Fliesen sind hier selbst in den Straßenlaternen und im Brückengeländer verbaut, und entlang des Expo-Palastes stellen Kachelbilder die Städte und Regionen Spaniens dar.
Zeitplan für den Sevilla-Trip mit Kindern
Wer in Eile ist, kann sicherlich auch mit Familie alle Sehenswürdigkeiten an einem Tag abklappern. Wir haben uns zwei Tage genommen, einen davon fast vollständig im Alcazar verbracht, und waren sehr zufrieden damit. Wir hätten sogar noch einen dritten Tag übrig gehabt, aber den haben wir dann schon lieber in der unscheinbaren, aber alltagstypischen Vorstadt verbracht, in der unsere Couchsurfer wohnten.
Wer mehr Zeit in Restaurants verbringt oder zum Beispiel auch eine Flamenco-Show ansehen möchte, ist bestimmt mit drei Tagen gut bedient. Angebote diesbezüglich gibt es buchstäblich an jeder Ecke, oder man schaut gleich auf der Straße zu, denn auch dort begegnen einem immer wieder junge Flamenco-Tänzer (die allerdings meist nicht aus reiner Lebensfreude tanzen, sondern weil die Jugendarbeitslosigkeit gerade in Andalusien dramatische Ausmaße angenommen hat und die Touristen ein paar Münzen in den Hut fallen lassen).
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Über unsere 11-monatige Reise habe ich ein ganzes Buch geschrieben: „Die Entdeckung Europas“. Im Gegensatz zum Blog stehen dort weniger die Sehenswürdigkeiten, sondern vor allem die persönlichen Begegnungen und das „gefühlte Reisen“ während unseres Langzeit-Roadtrips im Mittelpunkt. Die Sonnenküste Spaniens hat nämlich durchaus ihre Schattenseiten, die man als Urlauber kaum bemerkt. Im Andalusien-Kapitel erzähle ich deshalb von unseren Couchsurfing-Gastgebern in Sevilla, einer Lehrerin und einem Polizisten, und ihrem täglichen Kampf um ihre Arbeitsplätze. Ein weiteres Kapitel spielt in Motril, wo wir eine deutsche Auswanderer-Familie besuchten, die den Süden Spaniens zeitweise als Basis für ihr schulfreies und veganes Aussteiger-Leben nutzten.
Mehr Infos über das Buch gibt es hier:
Ach, da kommen Erinnerungen auf! Ich habe bei meinem Besuch in irgendeiner Frühstückskneipe einen Stierkampf gesehen. Da gebe ich Dir vollkommen recht: So langsam sollte man auch als Spanier merken, dass das Barbarei ist….
[…] family4travel: Der perfekte Tag in Sevilla […]
Denn vor den Muslimen gab es eigentlich noch gar kein Spanien?
En el año 711, año de la conquista de gran parte del reino visigodo por los musulmanes, toda la península ibérica era un único reino que aunque no tuviera el nombre de Hispania constituía una unidad territorial, por lo tanto su afirmación de que España no existía en esa época no tiene fundamento.
Und dieser spanische Text ohne Quellenangabe belegt jetzt was? Wenn der Google-Translator recht hat, widerspricht er meinem Text nicht. Zu den neolithischen Ureinwohnern wanderten nach Stand der Wissenschaft erst ein paar Kelten zu, dann Phoenizier (Katharger), schließlich eroberten die Römer den Großteil der iberischen Halbinsel und machten die Provinz Hispania daraus. Im 5. Jahrhundert kamen die Westgoten und gründeten im Südosten ein Reich mit sehr spannender Geschichte. Da gab es dann das Tolosanische Reich, das bis weit nach Südfrankreich reichte (und seine Hauptstadt auch im heutigen Toulouse hatte). Und später nach Zerfall der Ostgoten und Westgoten noch kurz das Toledische Reich mit Hauptstadt Toledo. Aber es gab halt vor 711 nie ein vereintes, souveränes spanisches Reich. Das „Re“ in der Reconquista ist ein politischer Begriff, der im Übrigen auch erst im 19. Jahrhundert von französischen Historikern geprägt wurde. (Hab mich dafür jetzt schnell bei Wikipedia rückversichert, könnte aber bei Bedarf auch die Fachliteratur im physischen Bücherschrank bemühen.)