Oft sind es die ganz unverhofften Zwischenstopps, die uns deutsche Kleinstädte erkunden und lieben lassen. Auch die Altstadt von Lauenburg haben wir auf diese Weise entdeckt und für sehenswert befunden. Und nebenbei haben wir noch gelernt, warum sich Seeleute mit „ahoi“ begrüßen.

Zwischenstopp auf dem Weg an die Ostsee

Die Fahrt an die Ostsee beginnt nervtötend: Stau, Ausweichen auf die Bundesstraße, Schneckentempo. Nachdem wir uns durch die Lüneburger Heide gewunden und immerhin schon mal die Landesgrenze zu Schleswig-Holstein überquert haben, reicht es uns. Wir brauchen eine Pause.

Martin schlägt Ratzeburg vor. Wir verkürzen auf Mölln, das kommt vorher. Aber auch das dauert uns dann noch zu lange. Die allernächste Stadt auf der Strecke heißt Lauenburg.

Lauenburg? Nie gehört. Egal, wir gucken mal, was da los ist, entscheiden wir. Irgendein Café und ein bisschen Platz für die Jungs zum Herumrennen werden wir schon auftreiben.

Die Altstadt ist wirklich ausgesprochen hübsch. (Pretty old town of Lauenburg.)

Die Altstadt ist wirklich ausgesprochen hübsch.

Spontane Einkehr in Lauenburg

Wir fahren über die Elbe und folgen dem Schild Richtung Altstadt. Im Hafen parken wir – sogar kostenlos. Kleine Backsteinhäuschen und windschiefe Fachwerkbauten säumen die Straße mit dem Kopfsteinpflaster. Die allermeisten sind hübsch renoviert.

Silas ist nach eigenen Angaben kurz vorm Verhungern. Also stürmen wir ohne viel Nachdenken das nächste Café. Es heißt „Le Rufer“ und befindet sich am Rufer-Platz.

Was es mit dem auf sich hat, erfahren wir, nachdem wir uns in dem hellen Wintergarten mit Blick auf den Fluss niedergelassen haben. Der junge Mann, der in Bronze gegossen auf dem Platz steht, ist der „Rufer von Lauenburg“. Auf ihn geht der Legende nach der Schiffergruß „ahoi“ zurück.

Heu wollte er haben: der Lauenburger Rufer. (According to the legend the "Caller of Lauenburg just asked his brother-in-law on the other side of the river for some hay and accidently invented the "ahoi" call this way.)

Heu wollte er haben: der Lauenburger Rufer.

Die Geschichte vom Lauenburger Rufer

Die Geschichte geht so: Im deutsch-dänischen Krieg von 1864 wird ein junger bayrischer Soldat auf dem Durchmarsch bei einem Lauenburger Bauern einquartiert. Der hat zwei hübsche Töchter, und natürlich verliebt sich der Bayer in eine davon.

Nachdem der Krieg vorbei ist, kehrt er zurück und heiratet auf dem Lauenburger Hof ein. Die ältere Schwester ist inzwischen ebenfalls unter der Haube; sie hat einen Landwirt auf der anderen Elbeseite geheiratet. Während der dort über fruchtbare Marschauen verfügt, muss sich der eingeheiratete Bayer mit dem sandingen Geestboden seines Schwiegervaters zufrieden geben.

Nach einem harten Winter geht ihm dann aber das Heu aus, und er hofft auf Unterstützung durch seinen Schwager. Eine Brücke gibt es noch nicht, und auch das Telefon ist noch nicht etabliert. Also trifft man sich zur festgelegten Stunde am Rufer-Platz, um von Ufer zu Ufer zu brüllen.

„Schwager, i brauch a Hoi!“ schreit der Bayer gegen den Wind.

„Was?!“ brüllt der verständnislos zurück.

„A Hoi!“ wiederholt der Bayer. „A Hoi brauch i! A Hoi!“

Ein Dampfer mit drei Kähnen im Schlepptau tuckert vorbei. Alle geben ihr Bestes, um die Nachricht weiterzugeben: „Ahoi, sagt er.“

„Was?!“

„Ahoi.“

Ein weiteres Schiff kommt aus der Gegenrichtung, und auch dessen Besatzung nimmt den Ruf auf: „Ahoi! Ahoi!“

Die Geschichte entwickelt sich zum Running Gag. Wann immer sich dieselben Schiffe begegnen, grüßen sie sich wieder mit „Ahoi!“ Andere Seeleute nehmen den Trend auf, und so breitet sich der Gruß über die ganze Welt aus.

Lauenburg und die Legende

So und nicht anders ist es gewesen, sagen die Lauenburger. Und da die Geschichten von altenglischen Hirtenrufen aus dem Hause Brockhaus und Wikipedia viel langweiliger sind, bin ich sehr geneigt, mich ihnen anzuschließen.

Seit 1952 jedenfalls erinnert die Bronzefigur an den Lauenburger Rufer. In der Nachkriegszeit wurde die Geschichte dann noch einmal umgewidmet, indem nach der deutschen Teilung dem Rufer ziemlich nahe an der Grenze die Forderung: „Macht die Elbe wieder frei!“ in den Mund gelegt wurde.

Auch das „Le Rufer“ bezieht sich natürlich auf die Legende. Die französische Komponente stammt vom Sohn des deutsch-französischen Gastwirtpaares, der zweisprachig aufwächst und anfangs gerne den französischen Artikel mit ins Deutsche mogelte. Wir genehmigen uns jeder ein Stück göttlichen Schokoladenkuchen. Oma, die wir heute mit dabei haben, lobt den extra aus Hamburg bezogenen Kaffee über den grünen Klee.

Ein Schaufensterbummel in der Altstadt hat was. (A good place to do some window-shopping.)

Ein Schaufensterbummel in der Altstadt hat was.

Bummel durch Lauenburgs Altstadt

Anschließend schlendern wir noch weiter durch die Lauenburger Altstadt. Hier macht der Bummel sogar den Jungs Spaß, denn es gibt viele ungewöhnliche Schaufenster zu entdecken. Da sind die Kunstgalerie, die Bonbonmacherei, eine Töpferei mit Schauwerkstatt und ein Restaurator für alte Möbelstücke. Fast jedes Haus an sich ist sehenswert, und vor der Post hängt ein schmiedeeiserner Briefkasten mit preußischem Adler. Kleine Informationstafeln erzählen die Geschichten der Bauwerke.

Zurück laufen wir, so weit wir dürfen, direkt am Elbeufer. Eine Tafel erinnert hier an diverse Hochwasserstände. Der neueste von 2013 ist noch nicht verzeichnet. Oma kann sich aber noch gut an die Bilder aus der Tagesschau erinnern, in denen treibende Möbel auf der Hauptstraße gezeigt wurden. Im Juni, vor gerade mal einem Dreivierteljahr, betrug der Pegelstand 9,60 m, viereinhalb Meter mehr als normal. Die Spuren sind bemerkenswert vollständig verschwunden.

Sonnenuntergang an der Elbe - vor einem Dreivierteljahr stand hier noch alles unter Wasser. (Sunset at the river Elbe - 9 months ago this was all flooded.)

Sonnenuntergang an der Elbe – vor einem Dreivierteljahr stand hier noch alles unter Wasser. Und für Katjas „in heaven“ recycle ich das Bild einfach noch mal…

Mehr Sehenswürdigkeiten in Lauenburg

Ein Wegweiser lockt zum Schloss in der Oberstadt, von dem immerhin noch ein mächtiger Kanonenturm übrig sein soll. Und gerne hätten wir uns auch das Schiffshebewerk am Elbeseitenkanal im benachbarten Scharnebeck genauer angesehen. Unsere Zeit hier aber ist um, schließlich müssen wir noch etliche Kilometer hinter uns bringen. Und so verlassen wir Lauenburg in der Gewissheit, dass sich ganz bestimmt auch ein längerer Aufenthalt lohnt.

Das Café-Restaurant „Le Rufer“ hat die Adresse Elbstaße 100 und ist täglich außer mittwochs ab 10 Uhr geöffnet.

Das Parken im Hafen ist kostenlos.

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