Auf der Durchreise von der Irland-Fähre nach Hause wollen wir trotz wenig Zeit noch ein bisschen was von Frankreich sehen. Unsere AirBnB-Gastgeber empfehlen uns einen Zwischenstopp in Les Andelys südwestlich von Rouen. Es liegt fast direkt auf dem Weg – und die zauberhafte Kleinstadt an der Seine bietet die Normandie im Hosentaschenformat, mit bildhübschen alten Fachwerkhäusern, herrschaftlichen Villen und der beeindruckenden Burgruine Chateau Gaillard, die einst Richard Löwenherz erbauen ließ. Unser Erfahrungsbericht eines ganz wunderbaren Tages, inklusive Restaurant- und Café-Tipp.
Wir starten an diesem Tag in der Nähe von Caen. Tags zuvor sind wir nach fast sechs Wochen Irland in Cherbourg an Land gegangen. Eine Zwischenübernachtung gönnen wir uns noch in Armiens, dann müssen wir endgültig nach Hause, denn die Sommerferien sind vorbei. Unseren letzten herrlichen Urlaubstag verbringen wir – abgesehen von der beträchtlichen Fahrzeit beinahe quer durch Frankreich – in Les Andelys.
Les Andelys – wie viele gibt es denn da?
Ich kann auf Französisch gerade mal einen Tee und zwei heiße Schokoladen bestellen, und auch das nur, wenn die Kellnerin keine Rückfragen hat. Aber das Les Andelys die Mehrzahl benutzt, das schnalle ich schon.
Wie ich herausgefunden habe, gibt es tatsächlich zwei davon. Le Petit Andely ist der vermutlich ältere Teil, der sich direkt ans Seine-Ufer schmiegt. Le Grand Andely erstreckt sich in ein seitliches Tal hinein und ist heute mehr „Stadt“ als seine kleine Schwester (oder hm, bei „le“ müsste es eher der kleine Bruder sein, oder?).
Gemeinsam haben Les Andelys etwas über 8000 Einwohner. Wir haben uns bei unserem Besuch hauptsächlich in Le Petit Andely herumgetrieben, und natürlich an der Burgruine, die vom Städtchen aus bequem zu Fuß erklommen werden kann.
Stadt oder Burg – wo fängt man an?
Das ist natürlich eigentlich völlig wurscht. Als wir Les Andelys erreichen, geht es auf Mittag zu. Wir suchen uns also als erstes einen kostenlosen Parkplatz in einer Seitenstraße (da gibt es reichlich) und steuern ein Restaurant an.
Genauso gut ist es möglich, mit der Exkursion zur Burgruine zu beginnen. Da es da oben nur begrenzte Parkplätze gibt (die, glaube ich, auch etwas kosten), empfiehlt sich so oder so der Fußweg. Im Schlenderschritt dauert es vom Zentrum von Le Petit Andely vielleicht 20 Minuten.
Unser Restaurant-Tipp: Le Mistral
Wir gehen nicht oft Essen und sind deshalb nicht gerade Kenner oder gar Gourmet-Experten. Aber wenn wir schon mal (kurz) in Frankreich sind, dann wollen wir auch leben wie Gott ebenda. Das Klischee, dass in Frankreich hervorragend gegessen wird, haben wir schon bei mehreren Stippvisiten als wahr erlebt.
Bei der Wahl unseres Restaurants vertraue ich (wie oft) auf die Bewertungen bei GoogleMaps. So steuern wir das kleine, feine (aber nicht zu feine) Le Mistral an. Wir haben nicht reserviert. Nur mit Glück (und weil es für französische Verhältnisse um halb eins noch recht früh fürs Mittagessen ist), bekommen wir den letzten Vierer-Tisch im kleinen Innenhof. Wir sind zwar anfangs die einzigen Gäste, doch alle anderen Tische zieren „reservée“-Schildchen, und innerhalb einer Stunde füllt sich das Restaurant bis auf den letzten Platz.
Das Essen ist erwartungsgemäß fantastisch. Von Martins Roquefort-Burger über Silas‘ Filetsteak bis zu meiner Entenbrust und Janis‘ kalter Wurst- und Käseplatte ist alles köstlich. Wir tauschen fleißig durch und genießen.
Adresse: Mistral, 26 Rue Grande, Les Andelys.
An der Seine entlang durch Le Petit Andely
Nach dem Essen erkunden wir den kleinen Ort. In Le Petit Andely ist der Name Programm: Der Ort besteht nur aus ein paar wenigen Straßen.
Unweigerlich landen wir an der Kirche. Sie stammt aus dem 13. Jahrhundert. Uns beeindruckt vor allem der filigrane Holzvorbau, den wir aus Deutschland so nicht kennen. Innen sieht das Gotteshaus mehr oder weniger aus wie alle gotischen Kirchen (sorry, wir sind Kunstbanausen).
Besonders schön ist ein Spaziergang am Seine-Ufer entlang. Die weißen Felsen im Hintergrund sorgen für angemessene Dramatik an dem breiten Fluss, der 85 Kilometer weiter südlich schon durch Paris geflossen ist. Durch die hohen Zäune erhaschen wir Blicke in die hübschen Gärten der Villen, die geradezu traumhaft aussehen – von dieser Seite. Als wir später an der Hauptstraße an ihren Frontseiten vorbeispazieren, zeigen sie uns nur strenge, schlichte, abweisende Fassaden.
Das Chateau Gaillard
Nun stapfen wir den Hügel hinauf auf die Burgruine zu, die über der Ortschaft thront. Sie war einst das große Prestige-Projekt von Richard Löwenherz. Der englische König, der damals auch noch große Besitzungen in der Normandie hielt, ließ den Bau in nur zwei Jahren bis 1197 hochziehen.
Wer sich für Festungsbau interessiert, ist am Chateau Gaillard genau richtig. Ich tue das nicht und beschränke mich hier deshalb auf die nötigsten Basis-Details. Der heute noch sichtbare Donjon sitzt auf einer natürlichen Felsnadel und ist nur über eine Brücke zu erreichen. Dieses ursprüngliche Herzstück einer riesigen Anlage kann man besichtigen. Die Bewertungen auf GoogleMaps schienen sich recht einig, dass das nur etwas für hartgesottene Fans ist, weshalb wir es gar nicht ausprobiert haben. Der kostenlose Blick von außen war uns beeindruckend genug.
Damals jedenfalls galt das Chateau als das modernste seiner Art. Es verfügte über drei Brunnen, für die 120 Meter tief gebohrt werden musste.
Richard starb 1199 und hatte folglich nicht mehr viel von seiner Burg. Auch sein Bruder John, der sie zusammen mit dem Thron erbte, hatte nicht mehr Glück. Schon 1204 fiel das Chateau bei seiner ersten Belagerung, weil John unbedingt auch unten Fenster einbauen wollte.
Im Hundertjährigen Krieg (der die Engländer endgültig aus Frankreich vertrieb) ging der Besitz noch ein paar Mal hin und her. Anfang des 17. Jahrhunderts schließlich ließ der französische König die Festung schleifen, und sie diente fortan der umliegenden Bevölkerung als Steinbruch. Wahrscheinlich hat der Donjon nur deshalb überlebt, weil man an ihn so schlecht herankam.
Spaziergang rund ums Chateau Gaillard
Wegweiser zeigen uns die Runde einmal rund um die Anlage, die die Tourismusförderung angelegt hat. Ganz ehrlich: So sehr aufregend und landschaftlich reizvoll ist die Angelegenheit nicht unbedingt. Der Weg ist teilweise nicht gut zu erkennen, und das Auf und Ab durchs Unterholz unterhalb der Burg ist streckenweise recht mühsam.
Netter ist eine Schleife hügelaufwärts. Wir nutzen unsere GPX-Offline-Karte (Osmand heißt die App unserer Wahl, gibt es auch in kostenloser Basis-Version) und bauen so die offizielle Runde zu unserer eigenen Strecke aus. Unterwegs bauen wir noch eine Runde Geocaching ein und stehen schließlich an einem sehr schönen Aussichtspunkt (an dem das Titelbild des Beitrags entstanden ist).
Unser Café-Tipp: Der Salon du Thé
Schon beim Aufstieg haben wir ihn entdeckt und vorgemerkt: Der Tee-Salon von Les Andelys ist wirklich etwas ganz besonderes. Zwischen den Tischen im Außenbereich flanieren die Hühner, die die Eier für die Kuchen und Küchlein legen. Im Erdgeschoss empfängt uns ein majestätisches Schachspiel, das die Jungs sogleich ausprobieren. Und oben, im eigentlichen Café, herrscht ein ganz eigentümliches Ambiente, das mich total bezaubert hat.
Die großen Panoramafenster blicken auf das malerische Dorf am Fluss. Unter der Decke hängt ein Kronleuchter, der seinesgleichen sucht. Die Stühle tun das vergebens, denn jeder ist ein Unikat. Und für den müßigen Gast liegt überall Lektüre bereit, vom Gedichtband bis zum Design-Katalog.
In der langen Tee-Karte finden alle Familienmitglieder etwas, das ihnen zusagt. Klar, ein Filterkaffee wäre billiger, aber das hier ist quasi ein Spezialitätengeschäft. Die Jungs empfehlen das hausgemachte Sorbet, Martin und ich die exquisite Auswahl himmlischer Kleinigkeiten, die im süßen Vierer-Paket auf dem Silbertablett serviert werden.
Um es zusammenzufassen: Ich liebe Cafés und habe unzählige ausprobiert. Der Salon du Thé in Les Andelys ist einer meiner schönsten Café-Besuche europaweit gewesen!
Adresse: Fort de Thé, 3 Rue Richard Coer de Lion, Les Andelys.
Transparenz-Hinweis: In Les Andelys waren wir vollständig auf eigene Kappe. Die beiden Gastronomie-Betriebe und die App, die ich empfehle, haben keine Ahnung von ihrem Glück, hier vorzukommen (Klartext: unbeauftragte Werbung aus Überzeugung oder – wie man früher sagte – einfach ein paar Tipps aus eigener Erfahrung).
[…] Mehr über das sehenswerte Les Andelys und die Besichtigung der trutzigen Burg erfährst Du bei Lena von family4travel. […]