Eigentlich hatte ich für heute ja einen Beitrag über die dänische Insel Seeland geplant. Aber gestern Vormittag hat auch Dänemark seine Grenzen dicht gemacht. Und überhaupt, ich kann nun doch nicht fröhlich so weiterposten und von unseren Ausflugszielen in Dänemark schwärmen, wenn rings umher Einreiseverbote verhängt und Schulen geschlossen werden. Corona nervt uns alle. Aber es hilft ja nichts, die Augen davor zu verschließen. Wir müssen uns mit dem Thema beschäftigen. Alle. Und unsere Reisen absagen? Ich denke hier mal laut nach.

Eine Sache des Standpunkts

Wir wohnen im Grenzgebiet zwischen Niedersachsen und NRW und damit im Hochrisikogebiet. Bei uns im Ort gibt es bestätigte Fälle von Covid-19. Am Tag bevor eh alle Schüler nach Hause und in die vorzeitigen Osterferien entlassen wurden, schickte der Klassenlehrer einen hustenden und sich übergebenden Mitschüler des großen Sohns nach Hause. Gut möglich also, dass wir bereits infiziert sind.

Pestkreuz Hansemuseum

Symbolbilder für Corona benötigen einem stillschweigenden Agreement zufolge einen Mundschutz, die Makroaufnahme (irgend)eines Virus oder mindestens eine Rolle Klopapier. Ich hab grad nichts davon da, finde aber, das Pestkreuz aus dem Lübecker Hansemuseum passt auch.

Als deutlich unter 65-Jährige ohne entsprechende Vorerkrankungen wird uns das vermutlich nicht so furchtbar hart treffen. Tatsächlich wäre mir persönlich das gar nicht mal so unrecht, denn danach wären wir ja immun und fein raus. (Wobei mir niemand sagen muss, wie unangenehm das unter Umständen werden kann: Ich hatte 2011 die Schweinegrippe, die ja auch als „vergleichsweise harmlos“ galt, und beinahe hätte ich mein Testament gemacht – wenn ich mich dazu in der Lage gefühlt hätte.)

Für andere ist Corona immer noch etwas, das in den Nachrichten stattfindet und – noch – nichts mit ihnen zu tun hat. Außer dass es sie im täglichen Leben einschränkt, sie vor Herausforderungen bei der Kinderbetreuung stellt – und ihnen dann womöglich auch noch einen Strich durch die Urlaubsplanung macht.

Trotz Corona in Urlaub fahren?

Bei mir ist das so eine Art Reflex: Die Kinder haben schulfrei – oh super, wo fahren wir hin? Aber die unterrichtsfreie Zeit nutzen, wenn man sowieso nicht arbeiten kann, um zu verreisen? Das wäre dermaßen kurz gedacht und egoistisch! Schließlich geht es bei den Maßnahmen gerade darum, die Ausbreitung des Virus einzudämmen und eine Verteilung zu verhindern. Dann muss man echt nicht noch zum potenziellen Exporteur werden.

Reisen mit Corona

2014 in Budapest geknipst, passt irgendwie auch zum Thema Reisen mit Corona.

„Aber ich stecke ja keinen an!“

Selbst wenn es in der eigenen Region offiziell noch keine Covid-19-Infizierten gibt, ist die tatsächliche Fallzahl höchstwahrscheinlich schon viel höher. Dieser aus dem Amerikanischen übersetzte Artikel in einem journalistischen Blog ist sehr lang, legt aber in einfacher Sprache die sehr komplexen Zusammenhänge dar (ich nenne ihn stellvertretend für viele andere, die ich in letzter Zeit zu dem Thema gelesen habe). Er zeigt auch, um wieviel höher die Dunkelziffer erfahrungsgemäß liegt. Gerade weil junge Menschen und Kinder nicht oder nicht so schwer erkranken, verteilen sie den Erreger lustig in der Gegend.

Die Sterblichkeitsrate wird also ganz wesentlich davon beeinflusst, wie viele Menschen gleichzeitig krank sind. Wie viele Menschen gleichzeitig krank sind, hängt wiederum stark davon ab, wie viele jeder einzelne Erkrankte ansteckt.

„Ob ich nun hier oder im Urlaub krank bin…“

Klar ist es im Prinzip egal, ob diese von mir angesteckten Personen hier in der Stadt oder an meinem Ferienort wohnen. Aber selbst wenn ich beim Reisen vorsichtig bin, nur nötige Kontakte eingehe, komme ich um zusätzliche Interaktionen kaum drumherum. Fahre ich mit dem Auto (um das erhöhte Risiko in der Bahn zu meiden), sind da immer noch Tankstelle und Raststätte auf der Autobahn. Nehme ich mir eine ruhige Ferienwohnung (statt riskanterem Hotel), nimmt mich immer noch Vermieterin oder Vermieter in Empfang.

Und wenn ich dann schon einmal Urlaub mache, will ich mich ja auch nicht die ganze Zeit in meinem Feriendomizil einigeln, sondern auch was von der Gegend sehen, bestimmt auch mal ins Café gehen.

Strand Heiligendamm Grand Hotel

Solange der Ostseestrand so aussieht, ist hier wohl keine Corona-Ansteckung zu befürchten. Aber was ist mit dem Davor und Danach?

„Sollte man nicht jetzt erst recht reisen, um die Tourismusbranche zu unterstützen?“

Tatsächlich habe ich erst heute bei Instagram einen entsprechenden Aufruf aus Mecklenburg-Vorpommern gelesen, in dem jemand aus dem Gastgewerbe postete, man solle doch bitte, bitte trotzdem in den Urlaub fahren. In M-V sei das Ansteckungsrisiko schließlich auch viel geringer als anderswo. Aber erstens stimmt das natürlich nur, solange kein Urlauber das Virus einschleppt und verteilt (wie ganz konkret wir zum Beispiel). Und zweitens torpediert solches Verhalten alle Bemühungen, die Ausbreitung zu verhindern.

Ja, das alles ist furchtbar bitter für alle, die ihr Geld in der Reisebranche verdienen (mich zum Beispiel). Aber ein einzelner Verbraucher rettet die deutsche Wirtschaft jetzt auch nicht. Im Gegenteil: Wer durch sein gutgemeintes (oder schöngeredetes) Reiseverhalten zur Ausbreitung des Virus trotz all der wirtschaftshemmenden Regierungsmaßnahmen beiträgt, macht es schlimmer. Denn dazu haben durchaus auch Einzelne das Potenzial, wenn sie zu Superspreadern werden.

„Aber wenn mir hier doch die Decke auf den Kopf fällt?“

Das Ding ist: Das wird im Urlaub nicht sehr viel besser sein. In die Länder, in denen keine Beschränkungen herrschen, kommt man als Deutscher aktuell gar nicht rein. Und innerhalb Deutschlands gelten mittlerweile überall große Einschränkungen des öffentlichen Lebens.

Museen, Schwimmbäder, Vergnügungsparks und so weiter haben alle zu. Auch Gaststätten unterliegen in vielen Regionen Deutschlands Beschränkungen bei den Öffnungszeiten. Wenn ich nun also allem zum Trotz an die Ostsee in Urlaub fahre, kann ich wunderbar am Meer Spazieren gehen – viel mehr aber auch nicht. Wer egoistisch genug ist, eine Reise trotz Virus zu unternehmen, sollte sich spätestens bei diesem Punkt fragen, ob sich die Reisekosten unter diesen Voraussetzungen für ihn oder sie persönlich lohnen.

„Soll ich meinen Urlaub für die Osterferien stornieren?“

Ja. Ich weiß, da hängt für viele jede Menge Geld dran, das schon angezahlt ist und im Zweifelsfall nicht wiederkommt. Und man hat das lange schon geplant, entsprechend Urlaub genommen, den man jetzt auch nicht einfach so zurückgeben kann. Alle haben sich so darauf gefreut.

Aber wie gesagt: Jetzt durch die Gegend zu fahren, würde all die krassen bundesweiten Maßnahmen torpedieren. Wenn die Wirtschaft schon so massiv geschädigt wird durch all die Beschränkungen, dann soll es sich auch lohnen, oder?

Noch mal ein Schnappschuss aus dem Hansemuseum.

Sonst könnten wir es gleich ganz lassen. Und müssten die krasse sozialdarwinistische Schiene fahren: Mir doch egal, wenn 25 Prozent der alten Leute sterben, ich bin ja noch jung. Hauptsache, die Wirtschaft brummt. Und Hauptsache, ich kann in Urlaub fahren.

Natürlich kann man auch hoffen, dass es soweit gar nicht kommen wird. Dass die Krise in zwei Wochen vorbei ist und man gemütlich und ruhigen Gewissens in die Osterferien fahren kann. Ist aber unwahrscheinlich.

Wir selbst haben unsere Pläne für die Osterferien geändert. Eigentlich wollten wir endlich mal an die Mecklenburger Seenplatte und vorher zu den Großeltern nach Thüringen. Wir hoffen schon, dass zumindest letzteres bis dahin vielleicht wieder vertretbar sein wird. Oder wir die Krankheit einfach durchgemacht haben. Aber wir sind darauf gefasst, die Reise bleiben zu lassen. (Bei Oma und Opa gibt es wenigstens keine Stornierungsgebühren.)

„Aber wenn ich mich am Urlaubsort ganz vorsichtig verhalte…?“

Okay. Vielleicht würden wir unter bestimmten Umständen tatsächlich auch fahren. Wenn

  • der Urlaub gebucht und bezahlt ist, bei Nichtantritt alles weg wäre
  • wir mit dem Auto hin und den Kontakt mit Mitmenschen vor Ort auf ein Minimum beschränken könnten
  • bereit sind, in kein Restaurant und Café einzukehren und auch sonst nicht „öffentlichkeitswirksamer“ sind als zur selben Zeit zu Hause
  • uns bei Abfahrt alle Mann fit und gesund fühlen
  • damit leben können, im Zweifelsfall einem alten oder vorerkrankten Menschen den Tod gebracht zu haben.
  • Und das auch für unsere Kinder verantworten mögen, die das Virus vielleicht schon längst in sich tragen.

Also nein. Nein, wenn ich noch einmal darüber nachdenke, würden wir nicht fahren.

„Aber ihr habt doch selbst gerade noch Urlaubsbilder gepostet!“

Letztes Wochenende waren wir noch an der Ostsee, als Alternative zum lange geplanten Berlin-Trip (zur ohnehin abgesagten ITB), den wir wegen Zugfahrt und erhöhtem Ansteckungsrisiko im ÖPNV schon nicht machen wollten.

braunschweig mit kindern und baby

Die Bilder vom Ostsee-Wochenende sind alle noch auf der Kamera. Aber auch in Braunschweig waren wir neulich noch, als der Karneval in Venedig schon abgesagt war, hier aber nur das Regenwetter den Füllstand der Straßen regulierte.

In Bad Doberan haben wir uns letzte Woche tatsächlich noch weit weg von Corona gefühlt, da war nichts sichtbar von wegen Krise. (Auf gesteigerte Hygiene haben wir natürlich trotzdem geachtet als Einreisende aus dem Grenzgebiet zur Hochrisikogegend, schon lange, und tatsächlich hatte ich noch keinen Winter so wenige Erkältungen wie diesen, wo ich Wert darauf lege, beim Händewaschen grundsätzlich im Kopf zweimal „Happy Birthday“ zu singen.)

Aber Fakt ist: Seit Freitag kann sich niemand mehr herausreden, er oder sie hätte nicht gewusst, wie brisant die Situation ist. Was letzte Woche noch als okay galt, haben diese Woche Experten als zu vermeiden eingestuft. Leute, deren Job es ist, Risiken einzuschätzen und den Verlauf von Epidemien vorherzusagen. Da stelle ich mich doch nicht einfach hin und sage: „Ich will aber. Ich hab aber schon bezahlt. Ich hab ein Recht darauf, da Spaß zu haben. Nach mir die Sintflut!“

„Und was ist mit den Sommerferien?“

Für den Sommer haben wir eigentlich große Pläne. Zum Glück haben wir aber aus anderen Gründen ewig rumgeeiert und noch nichts gebucht. Insofern kommt uns das entgegen. Wenn es bis dahin wieder grünes Licht geben sollte, ist der Last-Minute-Markt schön groß.

Aber auch das scheint aktuell eher unwahrscheinlich, leider. Experten sagen ja den Peak für Juni bis August vorher. Genau die Feriensaison also. Für die Reiseindustrie ein herber Schlag. Dann wird sich wahrscheinlich so richtig zeigen, wie wirtschaftliche Interessen, persönliche Bedürfnisse und menschliche Vernunft sich gegenüberstehen.

Dann können wir im Kleinen, Handfesten alle schon mal üben, die Menschheit auch vorm Klimawandel zu retten. Wenn die Leute nicht bereit sind, ihrer eigenen Oma und dem lungenkranken Kollegen zuliebe auf eine Reise zu verzichten, sind sie es höchstwahrscheinlich auch nicht, um den Lebensraum für ihre Kinder vor dem Schlimmsten zu bewahren. (Und dann hat die Menschheit es auch nicht anders verdient, fürchte ich.)

Aber für den Sommer zumindest kann man ja noch hoffen. Vielleicht kommt ja doch alles nicht so schlimm. Ich würde zum gegenwärtigen Zeitpunkt ganz bestimmt nichts buchen. Aber Gebuchtes stornieren würde ich jetzt auch noch nicht.

Urlaub zu Hause

Fürs erste also sitzen wir mit unseren Kindern zu Hause – diejenigen zumindest, die das mit ihren Arbeitgebern vereinbaren konnten. Im Moment sind mit dieser Vorstellung und vor allem mit der konkreten Umsetzung wahrscheinlich viele noch überfordert. Ich glaube aber, dass das mit einer großen Portion Optimismus und Pragmatismus sogar eine ganz nette Sache werden kann.

Deshalb sammele ich schon Ideen, wie auch der erzwungene Urlaub zu Hause mit Kindern okay statt furchtbar werden kann. Vorschläge für quarantänegerechte Ausflüge gibt es dann nächsten Sonntag, wenn ich zumindest ein paar meiner Ideen in der Praxis ausprobiert habe.