Tübingen ist eine der hübschesten Städte, die mir in der letzten Zeit untergekommen sind. Ganz unbedarft sind wir hier gelandet, quasi aus Versehen – weil wir gelesen haben, dass sich hier im Museum eines der ältesten Kunstwerke der Menschheit befindet. Spontan legen wir also einen Zwischenstopp ein in der geschichtsträchtigen Fachwerkstadt. So entsteht ein Old-School-Blogbeitrag ohne jede Kooperation, der hoffentlich doch manchen Tipp zum Nachmachen enthält für euren eigenen Ausflug nach Tübingen mit Kindern (oder ohne).
Unser Ausflug nach Tübingen mit Kindern war Teil unseres Roadtrips zwischen Schwarzwald und Schweiz in den Osterferien 2019. Unterwegs waren wir als (noch) vierköpfige Familie mit zwei schon recht großen Jungs: Janis (14) und Silas (12).
Tübingen mit Kindern – warum?
Das hier ist ein Familienreiseblog. Es handelt vom Reisen mit Kindern – einfach aus dem Grund, dass wir unsere Jungs nun einmal dabei haben, wenn wir reisen. Oft bestimmt dieser Fakt die Wahl unserer Reise- und Ausflugsziele. Beinahe genauso oft aber sehen wir uns Städte und Gegenden an, die uns interessieren und die auch die Kinder als interessant empfinden – ohne dass der Ort nun explizit als besonders kinderfreundlich ausgewiesen ist.
Ob man nun unbedingt nach Tübingen fahren sollte, wenn man mit Kindern Urlaub in der Schwäbischen Alp macht, vermag ich nicht zu beurteilen. Gut möglich, dass es in der Umgebung spannendere Attraktionen speziell für Kinder gibt. Uns hat es in der Stadt jedenfalls sehr gefallen.
Was ist Tübingen überhaupt für eine Stadt?
Mit 87.000 Einwohnern ist Tübingen nicht so wahnsinnig groß. Vor allem ist es jung: Tübingen hat deutschlandweit das niedrigste Durchschnittsalter. Der statistische Tübinger ist demnach 39,1 Jahre alt, so jung wie kein anderer Städter in der Bundesrepublik.
Das liegt wohl vor allem an der Universität, für die Tübingen seit Jahrhunderten bekannt ist. Die Eberhard-Karls-Universität lehrt seit 1477 und hat schon Bundespräsidenten, Minister und Verfassungsrichter sowie elf Nobelpreisträger der Medizin, Chemie und Physik hervorgebracht. Als sonderlich progressiv gilt die Uni nicht. Auf unserem Stadtbummel fallen uns dementsprechend mehr Hinweisschilder auf Burschenschaften auf als beispielsweise studentisch-alternative Läden und Cafés – aber gut möglich, dass wir einfach nicht in den richtigen Ecken gelandet sind. Dafür kann sich die Uni des deutschen Exzellenzstatus‘ rühmen. Und Oberbürgermeister der Stadt ist schon seit 2006 ein Grüner – sooo konservativ können die Studenten also auch nicht sein.
Fachwerkstadt mit sichtbarer Geschichte
Aus touristischer Sicht lockt in Tübingen vor allem die Altstadt, denn die Fachwerkbebauung früherer Jahrhunderte ist fast in der gesamten Innenstadt erhalten. Besonders hübsch bunt ist das Rathaus. Hier erklingt mehrmals täglich zur vollen Stunde ein Glockenspiel.
Eines der bekanntesten Wahrzeichen Tübingens ist der Hölderlin-Turm. Hier logierte der als unheilbar krank geltende Dichter Friedrich Hölderlin die letzten 36 Jahre seines Lebens bis 1843. Sein Domizil direkt am Neckar ist heute eines der beliebtesten Fotomotive Tübingens.
Hauptsehenswürdigkeit – neben der Steinzeit-Kunst im Museum, auf die ich gleich noch ausführlich zu sprechen komme – ist aber vor allem die Stadt selbst. In so vielen Gassen und Nebenstraßen reihen sich die Fachwerkfassaden aneinander. Es macht einfach Spaß, den Blick nach oben zu wenden und sich treiben zu lassen.
Museum der Universität Tübingen: Ab in die Steinzeit
Das Museum für Alte Kulturen ist direkt der Tübinger Universität unterstellt und heißt entsprechend offiziell „Museum der Universität Tübingen“, abgekürzt MUT. In den 540 Jahren seit Gründung der Bildungseinrichtung haben sich Unmengen wertvoller Altertümer angesammelt, über 70 verschiedene Sammlungen. Schon vor über hundert Jahren begannen die Gelehrten, einzelne Teile davon der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Seit 1997 passiert das an zentraler Stelle im Schloss Hohentübingen.
Die ursprünglich mittelalterliche Burg gehört schon lange zum Uni-Campus. In der ehemaligen Schlossküche entdeckte der deutsche Wissenschaftler Friedrich Miescher 1869 die Nukleinsäure und damit die Grundlage der menschlichen DNA. Auch heute noch sind in der alten Festung so illustre Institute untergebracht wie die Abteilung für altorientalische Philologie und die für Ältere Urgeschichte und Quartärökologie. Als ganz normale Touristen sind wir aber durchaus ebenfalls im Burghof willkommen, denn hier befindet sich der Eingang zum Museum Alte Kulturen, gewissermaßen dem Herzstück des MUT.
Die älteste Kunst der Menschheit
Glanzstück und Grund für unseren Tübingen-Besuch ist das berühmte Wildpferd aus der Vogelherd-Höhle, das im Museum Alte Kulturen im Schloss Hohentübingen ausgestellt ist.
Die kaum handtellergroße Figur aus Mammut-Elfenbein ist nur eine von einer ganzen Reihe schönster Beispiele für unglaublich alte Steinzeit-Kunst. Das Pferdchen scheint die älteste von allen zu sein. Rund 40.000 Jahre soll es her sein, dass ein Mensch das Werkstück dermaßen lebensecht aus dem Knochen schnitzte. Das war im Aurignacien, einem Abschnitt der Jüngeren Altsteinzeit, in dem sich – nach heutigem Wissensstand – die allererste Siedlungswelle des Homo sapiens überhaupt in Europa ausbreitete.
Die Steinzeit-Kunst genießt Unesco-Welterbe-Status und wird angemessen präsentiert. In einem abgedunkelten Raum öffnet sich ein Halbkreis aus matt beleuchteten Vitrinen. In jeder steckt ein kleines, perfektes, uraltes Kunstwerk. Manche zieren rätselhafte Kreuzmarkierungen.
Das immense Alter der Figuren ist für uns kaum zu fassen. Die Audioguides, die wir an der Kasse gegen ein Pfand kostenlos ausleihen konnten, machen den Kontext verständlicher. Die Jungs hören eine extra Kinder-Führung. „Eher für Kleinere“, urteilt der 12-jährige Silas, „aber schon ganz nett gemacht.“
Was es sonst noch gibt im Museum
Außer der Urgeschichte zeigt das MUT im Schloss Schätze aus dem alten Ägypten, dem Orient und der griechischen wie römischen Antike. Mit einer Grabkammer voller Hieroglyphen, antiken Vasen, Statuen und alten Münzen geht es quer durch die klassische Archäologie. Originale Fundstücke sind dabei kaum interessanter als die vielen Modelle und Abgüsse viel späterer Zeiten, die Einblicke in die Wissenschaftsgeschichte geben. Für uns, die wir die Akropolis, Delphi, Troja und Co schon im Original gesehen haben, ist das eine willkommene Auffrischung.
Spannender wird es zumindest für mich (die Jungs sind mit ihrem Vater zu diesem Zeitpunkt schon längst im Alten Ägypten angekommen) mit den keltischen Pfahlbauten, die ebenfalls einen eigenen Ausstellungsbereich einnehmen. Funde vom Federsee aus der späten Bronzezeit faszinieren mich ebenso wie ein informativer Film über die Heuneburg, eine Art keltische Großstadt am Oberlauf der Donau.
Die Suche nach einem Café in Tübingen
Bei aller bildungsbürgerlichen Verschrobenheit, mit der ich bei Gelegenheiten wie dieser gerne kokettiere, bin ich doch sehr einfach gestrickt: Ein Familienausflug ist für mich nur dann ein schöner Familienausflug, wenn er eine Einkehr mit Kaffee (Cappuccino) und Kuchen beinhaltet. In einer Studentenstadt wie Tübingen, sollte man meinen, stellt das kein Problem dar.
Irgendwie aber doch, für uns an diesem Tag. Wir treffen unsere gastronomische Wahl meistens mit Hilfe von GoogleMaps und den dort aufgeführten Bewertungen, und normalerweise klappt das prima. In Tübingen jedoch hat das erste Café, das wir ansteuern, seit neuestem dauerhaft geschlossen. Das zweite hat keinen freien Tisch für uns. Das dritte hat keinen Kuchen mehr. Verflixt und zugenäht!
Schließlich geben wir die Hoffnung auf ein individuelles kleines Studenten-Café in den malerischen Seitengassen auf und steuern eine zentrale Konditorei im touristischen Zentrum an. Die Hofkonditorei Röcker hat nicht viel mehr Charme als die durchschnittliche Eisdiele, aber sie liegt fast direkt an der Eberhardsbrücke mit dem berühmten Blick auf den Hölderlinturm. Wer einen der gemütlicheren Tische am Fenster ergattert, blickt sogar auf den Fluss. Und der Kuchen, den es hier gibt, ist schon etwas Feines. Die Auswahl an Getränken ist ebenfalls groß, die Jungs können ihre geliebte Heiße Weiße bestellen und ich meinen Cappuccino entkoffeiniert. Auf großen Bildschirmen laufen Ausschnitte aus der Produktion feiner Torten und Pralinen.
Was noch in Tübingen mit Kindern?
Wir müssen an diesem Tag noch recht weit fahren, denn eigentlich ist unser Urlaub schon um. So ganz viel Zeit haben wir also gar nicht mehr, um Tübingen mit Kindern weiter zu erkunden. Zu einem ordnungsgemäßen Aufenthalt würde eigentlich noch eine Fahrt mit dem Stocherkahn gehören, sozusagen das touristische Pflichtprogramm.
Wir schlendern auf dem Weg zum Auto stattdessen noch einmal kurz durch den Alten Botanischen Garten. Und wir kommen an der Osianderschen Buchhandlung vorbei. Zu Hause stelle ich fest, dass die Filiale in der Wilhelmstraße nur eine von mehreren ist, aber in dem Moment bedauere ich aufrichtig, dass Sonntag ist, denn zu gerne wäre ich hineingegangen. Während sich mein Buch über unsere 11-monatige Europareise als Familie im klassischen Buchhandel nun nicht gerade als Bestseller etabliert hat, gab es von der Osianderschen in Tübingen schon mehr als eine Handvoll Bestellungen. Allein dieser Fakt macht die Traditionsbuchhandlung für mich zu einer ganz persönlichen Sehenswürdigkeit…
Andere Blogger über Tübingen
Einige Kollegen haben die hübsche Universitätsstadt ausführlicher erkundet als wir und ebenfalls darüber gebloggt.
- Antje von Mee(h)r erleben war ebenfalls in Tübingen mit Kindern unterwegs, vor allem auf dem Neckar: mit dem Tretboot nämlich.
- Katja und Walter von Reisememo sind durch Tübingen geschlendert, haben eine Stadtführung mitgemacht und gute Aussichtspunkte entdeckt.
Mehr Städtetrips mit Kindern in Deutschland
Wir lieben vor allem schnuckelige Kleinstädte und mittelgroße Städte mit Charakter. Ein paar, die wir bereist und beschrieben haben und weiterempfehlen können, sind
- Augsburg: Ein Familien-Städtetrip zu Fuggern und Walsern
- Fulda: Der ideale Zwischenstopp in der Mitte Deutschlands
- Hildesheim: Die Stadt, an die mich Tübingen vielleicht des Roemer- und Pelizaeusmuseums halber irgendwie immer ein wenig erinnert hat
- Lemgo: Die kleine Hexen-Stadt in NRW
- Lübeck: Ausflug in die Marzipan-Stadt
- Wismar: Auf Erkundungstour mit unserem Ostsee-Reiseführer für Familien
- Wolfenbüttel: Niedersachsens vielleicht schönste Stadt
- Wilhelmshaven: Stadtetrip an die Nordsee
Alle unsere mehr als 120 Reiseziele und Ausflugstipps mit Kindern in Deutschland, die wir selbst ausprobiert haben, habe ich hier aufgelistet:
Familienurlaub in Deutschland: Unsere Erfahrungen und Empfehlungen von den Bergen bis ans Meer
Wer lieber geografisch nach Reisetipps mit Kindern sucht, kann sich hier auf unserer personalisierten GoogleMaps-Karte orientieren.
Transparenz-Hinweis: In Tübingen waren wir komplett auf eigene Kappe unterwegs, haben alles selbst bezahlt und uns unser Programm selbst ausgesucht.
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