Ab wann unser Kind ein Smartphone haben und was es dann damit in welchem Umfang anstellen darf, ist die Gretchenfrage der heutigen Elterngeneration. Immer wieder erlebe ich hoch emotionale, teils hitzige Diskussionen darüber im Internet, auf Elternabenden, selbst auf gemütlichen Gartenpartys unter Freunden. Die Verunsicherung ist riesengroß, wir haben alle Angst, als Eltern etwas falsch zu machen. Gibt es überhaupt die eine richtige Entscheidung, oder wenigstens einen goldenen Mittelweg?

So ist das bei uns: Meine Kinder sind im Netz…

Bei uns laufen die Dinge auf den ersten Blick widersprüchlich. Ich bin Journalistin und Bloggerin, das Internet ist mein Arbeitsplatz. Meine Kinder waren auf Themenbildern in der Tageszeitung zu sehen, bevor sie laufen konnten. Seit drei Jahren blogge ich auf family4travel über unsere Reisen, nenne meine Jungs bei ihren realen Vornamen und zeige sie auf vielen Fotos frontal und ohne jeden Entchen-Sticker überm Gesicht. Mehr noch: In der Rubrik „Bloggendes Kind“ melden sie sich selbst zu Wort und teilen ihre kindlichen Ansichten mit dem großen weiten (bösen?) Internet.

Meine Jungs sehen mich stundenlang vorm PC arbeiten, und durch das Bloggen gehört das Fotografieren für Instagram mit dem Smartphone auf jedem Familienausflug dazu.

Janis mit 10 beim Bloggen in unserer Ferienwohnung in Rumänien.

Janis mit 10 beim Bloggen in unserer Ferienwohnung in Rumänien.

… bei krass restriktiver Mediennutzung

Auf der anderen Seite haben meine Kinder keine Handys. Weder smarte noch unsmarte. Janis ist zwölf und Silas neun Jahre alt. Ihre Medienzeit ist arg begrenzt: Einmal in der Woche, am Sonntag, dürfen sie nach dem Aufräumen eine Stunde lang Computer spielen, und zwar nur von mir freigegebene Spiele (im Moment dressieren sie Katzen und bauen Einkaufszentren bei „The Sims“, der pädagogische Wert sei dahingestellt).

Fernsehen gibt es bei uns fast nie; wir besitzen zwar einen Fernseher, aber den bauen wir nur selten im Wohnzimmer auf, um gezielt einen Film zu schauen.

Voll krass? :) Aber in unserer Praxis völlig undogmatisch. Wenn sie ihre Tante besuchen, dürfen sie dort oft „Minecraft“ spielen, manchmal sogar mehrere Stunden am Stück. Bei einigen Freunden wird bei Verabredungen an der Playstation gezockt (das gefällt mir nicht so, aber ich sehe es nicht als Grund, gegen die Freundschaft vorzugehen). Und vor ein paar Jahren haben wir auch mal manchen Winternachmittag gemeinsam vorm PC verbracht, weil meine Schwester uns mit dem ebenso süßen wie kniffligen point and click Adventure-Spiel „Maschinarium“ angefixt hatte.

Aber wer sagt denn, dass man beim Thema Medien so streng sein soll?

Der Grund, warum ich meine Kinder nicht ermutige, Bildschirmmedien zu nutzen, ist nicht in einem Satz zu nennen.

Ich bin auch entschieden keine Fachfrau, sondern bloß eine Mutter, die versucht hat, sich eine eigene Meinung zu bilden. Geholfen haben mir dabei vor allem der Mediziner, Psychologe und Neurodidaktiker Manfred Spitzer, den ich vor Jahren in einem hervorragenden Interview auf Deutschlandradio dazu gehört habe, und der Medienpädagoge Uwe Buermann, der einen Vortrag an unserer Schule gehalten hat (beide sind streitbar, das ist mir bewusst).

Der Rest ist Anschauung aus dem Alltag und viel Bauchgefühl. Ich habe kein einziges Buch zu diesem Thema gelesen. Ich will auch niemanden missionieren. Alles, was ich will, ist, eine verantwortungsvolle Mutter zu sein – wie wir alle. Denn es ist doch so: Jeder von uns, der Kinder hat, muss in Sachen Mediennutzung eine Entscheidung treffen. Ob er oder sie Experte ist oder nicht, ob er oder sie sich umfassend informiert hat oder nur der Hammelherde folgt. Als Menschen neigen wir alle zu letzterem, haben deshalb ein schlechtes Gewissen und gehen gerade bei diesem Thema dann besonders leicht an die Decke.

Keine Berührungsängste mit Bildschirm-Medien - aber das richtige Maß finden, ist nicht so einfach. (Bild aus dem Landesmuseum in Koblenz vom Bericht über die Festung Ehrenbreitstein).

Keine Berührungsängste mit Bildschirm-Medien – aber das richtige Maß finden, ist nicht so einfach. (Bild aus dem Landesmuseum in Koblenz vom Bericht über die Festung Ehrenbreitstein).

Was spricht denn nun gegen Smartphones für Kinder?

Ich glaube, dass es für die Entwicklung unserer Kinder sehr, sehr wichtig ist, dass sie die wirkliche Welt als erstes im engeren Sinne er-fahren und be-greifen, sich also ganz physisch mit den Dingen auseinandersetzen. Sand ist sandig, Matsch ist nass, wer aus irgendwas ein Haus bauen will, muss auf Dinge wie Schwerkraft und Neigungswinkel und Materialeigenschaften achten und durch Übung eine Intuition dafür entwickeln. Deshalb bin ich so ein riesengroßer Fan des Reisens mit Kindern, weil man dabei unweigerlich solche Erfahrungen nebenbei macht. Aber das geht auch wunderbar direkt vor der Haustür. Ich glaube, Manfred Spitzer war das, der in diesem Interview sinngemäß gesagt hat, in einem herkömmlichen deutschen Wald könnten kleine Kinder alles lernen, was sie vor der Einschulung wissen müssen und sie schulfähig macht. Am Bildschirm nicht.

Klar kann man überlegen, ob Kinder nicht clever genug für beides sind: handfeste Erfahrungen im Wald machen, und spätestens bei Regen am Bildschirm daddeln. Klar weiß auch schon ein Vierjähriger, dass das Häuschen, das er in der Spiele-App am Touchscreen des Tablets zusammensetzt, nicht echt ist. Aber ich glaube daran, dass er sich ganz sicher sein, dass fest in seinem Bewusstsein verankert sein sollte, wie es denn in echt ist, bevor ein Kind den Schritt in die Abstraktion machen kann/darf/soll.

Wenn frisch gemahlenes Sojaschrot durch die Finger rinnt, ist das ein ganz eigentümliches Gefühl, das jedes Bauernhofkind kennt. (Janis tests how soy soy groats feel.)

Die Welt mit allen Sinnen be-greifen, um sie zu begreifen: geht zum Beispiel auf dem Bauernhof, aber nicht am Bildschirm.

Geht’s ein bisschen konkreter?

Ich hab ein Beispiel dafür aus der Praxis. Als die Jungs noch im Kindergartenalter waren (bzw. ich glaube, Janis war in der ersten oder zweiten Klasse), haben sie bei ihrer Tante beim PC-Spiel „Civilisation“ zugesehen. Das ist ein altes Aufbau- und Strategiespiel, das ich keinesfalls verteufeln möchte, weil ich mich als Jugendliche dadurch auf der Weltkarte zurechtzufinden und viel über geschichtliche Zusammenhänge und den strukturellen Aufbau von kulturellen Errungenschaften gelernt habe. Man begleitet dabei ein Volk von der Steinzeit bis in die Moderne und führt auch Kriege, die allerdings ganz unblutig simuliert werden und eher an ein Brettspiel erinnern. Dabei zugucken zu dürfen, hat die Jungs nachhaltig beeindruckt, und sie haben das Spiel daraufhin tagelang im Garten nachgespielt, mit den neu gelernten Vokabeln aus der Weltgeschichte (wie nett): Der römische Legionär Silas schwingt sein Holzschwert dreimal symbolisch über den Kopf des persischen Phalanx-Kämpfers Janis, und dann fällt der um. Sie hatten gelernt: So geht kämpfen.

Natürlich sehe ich es genauso ungern, wenn meine Jungs ernsthaft aufeinander einhauen. Aber diese Verarbeitungsstrategie hat mir ganz deutlich gezeigt: Durch Abstraktionen am Bildschirm kommt eine Menge in Kinderköpfen an, was wir so nicht beabsichtigen.

Einmal selber Bergmann sein: Ausgestattet mit der passenden Schutzkleidung dürfen die Jungs das bronzezeitliche Gerät ausprobieren.

„Hier könnt ihr mal ausprobieren, wie sich Minecraft in Wirklichkeit anfühlen würde“, sagte damals schon unser Führer im Salzbergwerk Hallstatt, als er den Kindern die Replik einer Bronzezeit-Hacke in die Hand drückte.

Also gar keine Bildschim-Medien für Kinder?

Ich bin der Meinung, dass wir unseren Kindern erst Zugang zu virtuellen Weiten gewähren sollten, wenn sie abschätzen können, was sie bedeuten. Und dazu brauchen sie einfach eine gewisse geistige Reife.

Uwe Buermann vergleicht das gerne mit dem Autofahren: Auch ein Zehnjähriger kann recht flott lernen, wie man Gaspedal und Kupplung bedient und das Auto in den Straßenverkehr steuert, aber es gibt gute Gründe, die die verantwortungsvolle Teilnahme am Straßenverkehr mit einem PKW erst ab frühestens 17 gestatten. Niemand kommt auf die Idee, seinem Kind das Fahren zu erlauben, nur weil es sich das mit großen Kulleraugen „sooo sehr wünscht“. Oder weil es so praktisch wäre, wenn Sohn oder Tochter selbstständig zum Fußballtraining fahren.

Da schlägt das Herz eines jeden Y-Chromosom-Trägers höher: Probesitzen auf einem alten Trecker vor einem norwegischen Bauernhof mit der typischen Auffahrt zum Heuboden (die übrigens auch in der "freien Wildbahn" heute noch so aussehen).

Kind am Steuer, im Straßenverkehr? Nee. (Freilichtmuseum Maihaugen bei Lillehammer, Norwergen.)

Das Internet ist wie Berlin

Den Vergleich mit dem Straßenverkehr finde ich generell prima, und an ihm kann ich gut verdeutlichen, warum ich in Sachen Internet in unserer Familie die Dinge so handhabe und nicht anders.

Sagen wir also mal, das Internet ist wie Berlin (ich glaube, diesen Vergleich habe ich mir auch irgendwo abgeguckt, ich weiß nicht mehr genau). Es gibt wunderbare Orte, die absolut sehenswert sind und die ich meinen Kindern gerne zeigen möchte. Und natürlich gibt es auch schlimme Ecken, an denen es gefährlich werden kann, in denen wir Erwachsene uns – wenn überhaupt – nur vorsichtig bewegen und in denen ein Kind alleine entschieden nichts zu suchen hat. Es gibt den ÖPNV, der wunderbar funktioniert, wenn man sich damit auskennt, und der einen an genau die richtigen Orte bringt, wo man hin will. Es gibt Leute, vor denen man sich in Acht nehmen muss, und ebenso eine Menge nette Menschen, die man kennenlernen und besuchen kann.

Aber man muss sich zurechtfinden. Man muss wissen, wo man ist, wo man hin will, wie man hin kommt, welche Risiken es gibt. Niemand würde auf die Idee kommen, seinem Kind einfach so eine ÖPNV-Tageskarte in die Hand zu drücken und zu sagen: „Berlin ist toll! Amüsier dich gut, wir sehen uns heute Abend.“

Im übertragenen Sinne tun wir genau das, wenn wir unserem Kind unbegrenzt ein Smartphone zur Verfügung stellen.

Wer in Berlin aufgewachsen ist, kommt damit natürlich schon recht früh klar. Und ich würde meine Kinder durchaus in der Großstadt mit dem Bus fahren lassen, wenn mir das das Gegurke zum Fußballtraining erspart. Aber das ist der Punkt: Wenn es Not täte, nachdem wir das oft genug geübt haben, wenn mein Kind sich damit wohlfühlt und wenn ich meinem Kind vertraue, dass das klappt – (nur) dann würde ich das tun.

Ascensor da Gloria, Lissabon, Portugal

Kinder alleine in öffentlichen Verkehrsmitteln durch die Stadt fahren lassen? Nicht ohne weiteres, oder? (Okay, das hier ist nicht Berlin, sondern Lissabon.)

Erlernen von Medienkompetenz

Deshalb nehme ich meine Kinder an die Hand beim Erlernen des Umgangs mit dem Internet. Wir sprechen darüber, bei jeder Gelegenheit. Und wir nutzen das Netz gemeinsam, beispielsweise wenn wir bei einem Ausflug vor einer Statue stehen, deren Name keiner von uns kennt und wir – wie praktisch – das Smartphone zücken und bei Wikipedia nachschlagen. Und dabei mühelos thematisieren können: Was ist das überhaupt? Wie kommt das Wissen ins Internet? Stimmt das, was im Internet steht? Und was kann ich tun, um seriöse Quellen von unseriösen zu unterscheiden?

Das ist meines Erachtens die Schlüsselqualifikation des 21. Jahrhunderts!

Und das muss man nicht auf die harte Tour lernen, indem man einen aus dem Netz kopierten Bullshit-Text als Ausarbeitung eines Referats abgibt und dafür eine Sechs kassiert (was ich in meiner Zeit als Dozentin an einer Berufsschule regelmäßig erleben musste, weshalb ich Quellenanalyse und Medienkompetenz zu einem Kernthema im Werte- und Normen-Unterricht gemacht habe – schade, dass ich da nicht mehr unterrichte und mein Sendungsbewusstsein jetzt an euch ausleben muss ;) ).

Fakt ist, dass keine Schule nachholen kann, was in frühen Jahren im Elternhaus versäumt wird.

Also, man kann da schon viel machen im Unterricht, und ich hoffe, dass die Kollegen an den Regelschulen das auch ordentlich thematisieren. Aber die Grundsteine im verantwortungsbewussten Umgang mit Medien, mit der Herausgabe von Daten, dem Hochladen von Fotos, dem Lesen der AGB vorm Bestätigungsklick, all das lernen Kinder in jungen Jahren am Vorbild ihrer Eltern und in Auseinandersetzung mit ihnen.

"Dich soll man auch mal im Blog sehen, Mama!" Photo by Janis.

Mutter am Handy. Lernen am Modell. Seiner Vorbildfunktion sollte man sich bewusst sein.

Kinder ohne Smartphone – wie soll das in der Praxis funktionieren?

Wenn ich leidenschaftlich gegen kindlichen Smartphonebesitz wettere, kriege ich von anderen Eltern oft apologetische Antworten wie: „Aber es haben doch alle eins. Ich kann meinem Kind doch nicht dieses Spiel/youtube/Whatsapp/das Internet verbieten, dann kann es doch gar nicht mitreden und wird gemobt!“

Erstmal: Ihr seid doch keine dummen Hammel, die sich bestrafen lassen müssen, wenn sie nicht das machen, was alle machen! Und eure Kinder auch nicht! Die Denkweise, die obiger Argumentation zugrunde liegt, finde ich zutiefst erschreckend. Jetzt mal ernsthaft: Unsere zuvorderste Aufgabe als Eltern muss doch sein, unsere Kinder stark zu machen für ein selbstbestimmtes, glückliches Leben – und nicht, dafür zu sorgen, dass sie sich dem Mainstream anpassen und ohne Reibungswiderstand charakterlos durchs Leben flutschen. Aber okay, das ist die nächste Grundsatzdiskussion, in der ich mich ereifern könnte. :)

Jedenfalls: Bei uns klappt es durchaus ohne Smartphone, und unsere Kinder fragen auch nicht oft danach, ob oder wann sie denn endlich eins bekommen. Sie kennen unsere Gründe, und sie finden sie nachvollziehbar. Die beiden geben selber zu, dass sie objektiv gesehen keins brauchen.

Dass sie trotzdem gerne eins hätten, steht auf einem anderen Blatt („Joa, ich würd’s wohl nehmen, wenn es mir geschenkt würde“, sagt Janis grad über meine Schulter, „Zum Daddeln, wenn mir langweilig wäre, paar gute Spiele drauf, aber die dürfte ich ja sowieso alle nicht, weil du Baller-Spiele nicht magst, also brauche ich auch kein Handy.“ Oh, okay. Ich lass das mal so stehen. :) ).

Suitable computer games keep Janis entertained while I enjoy myself with all the historical artefacts.

Sagt Janis, der von Bildschirmen seit jeher magisch angezogen wird (hier ein schlechtes Handy-Foto aus dem Isis-Tempel in Mainz).

Das geht doch nur an der Waldorfschule!?

Jetzt muss ich natürlich doch die Katze aus dem Sack lassen und denen, die es nicht sowieso schon ahnen oder gar wissen, gestehen: Meine Kinder gehen zur Waldorfschule (obwohl ich mit der Anthroposophie nix am Hut und bis heute zugegebenermaßen noch kein Buch über Waldorfpädagogik gelesen habe). Aber da ist hinsichtlich Smartphones in der Schule tatsächlich noch ein bisschen mehr heile Welt.

Nach dem Vortrag von Uwe Buermann haben wir in der damals 3. Klasse auf dem Elternabend einen „Pakt“ ausgearbeitet: Keines unserer Kinder kriegt ein Smartphone, und die drei, die schon eins haben, dürfen es nicht mit zur Schule bringen, weder ein- noch ausgeschaltet. Wer meint, dass sein Kind aus Gründen der Erreichbarkeit auf dem Schulweg unbedingt eins braucht, gibt ein schnödes Tastenhandy mit, das auf dem Schulhof zwingend ausgeschaltet sein muss.

Zweiter Punkt der Vereinbarung war die Übereinkunft, dass bei Verabredungen außerhalb der Schulzeit grundsätzlich keine Bildschirm-Medien genutzt werden, es sei denn, dies wird vorher mit den anderen Eltern abgesprochen (also mit den Eltern des jeweiligen Spielbesuchs, nicht mit der ganzen Klasse).

Einmal im Jahr kommt der Tagesordnungspunkt wieder auf die Agenda, und wer meint, dass sein Kind jetzt unbedingt ein Smartphone braucht oder er oder sie das Abkommen aus einem anderen Grund nicht mehr mittragen kann, kann sich melden. Etwas länger als ein Jahr funktioniert das jetzt einwandfrei bei uns.

In der 7. Klasse bei Janis war es für so ein Abkommen freilich schon zu spät, da haben etliche so ein Teil und auch freien und unkontrollierten Zugang zum Internet (und manche auch blind vertrauende Eltern, die einfach postulieren: „Er weiß schon, wie man damit umgeht, er ist ja nicht blöd!“).

hardanger-waldorf

Friede, Freude, Waldorfschule? (Das hier war übrigens unser Erstkontakt mit der Waldorfpädagogik, zu Hause bei Couchsurfern in Norwegen.)

Eine Anekdote unter 12-Jährigen zum Thema Smartphone

Trotzdem habe ich keineswegs das Gefühl, dass Janis unter seinem Smartphonemangel leidet.

Ich weiß, der Artikel ist jetzt schon viel zu lang, und keiner hat mehr Lust, noch mehr zu lesen. Aber diese Geschichte möchte ich eben noch mit euch teilen.

Letzte Woche hab ich unsere neu zusammengewürfelte Fahrgemeinschaft chauffiert und dabei natürlich die Gespräche auf der Rückbank mitgehört. V., „der Neue“ an Bord, fragt selbstsicher in die Runde: „Ihr habt doch bestimmt auch alle ’n Smartphone, oder? Welche Modelle habt ihr denn so?“ Seine Mitschüler, ebenfalls in der 7. Klasse und eher zufällig alle auf der „Abstinenz-Schiene“, antworten der Reihe nach: „Nö, ich hab gar kein Handy“ – „Ich auch nicht“ – „Ich hab nur ein Tastentelefon, aber das vergesse ich immer, weil ich es eigentlich auch nicht brauche.“

„Also, ich hab ja ein iPhone“, wagt V. tapfer einen neuen Versuch (und erzählt noch ein bisschen was über das Modell, die Details hab ich mir nicht gemerkt). Zwei, drei Sekunden ist es völlig still im Auto. Dann beginnt seine Mitschülerin taktvoll mit einem neuen Gesprächsthema, und dann reden sie alle gemeinsam über Harry Potter.

Klar, das ist genau andersrum das Argument vom Gruppenzwang. Aber ich glaube nicht, dass V. jetzt traumatisiert ist, weil er mit seinem Smartphone-Thema aufgelaufen ist. Oder dass Janis und die anderen beiden sich jetzt besser oder schlechter fühlen. Es zeigt einfach nur: Die Kinder packen das schon. Die kommen schon klar, egal welche Position ihre Eltern beziehen. Zumindest wenn das Drumherum stimmt und sie gelernt haben, dass es nicht darauf ankommt, was sie machen, was sie haben, sondern wer und wie sie sind.

Natürlich haben wir auch Kontakte zur „wirklichen Welt“. Beim Konfirmandenunterricht beispielsweise läuft Informationsübermittlung über eine Whatsapp-Gruppe. Zum Glück nur bei dem Pastor, der die andere Konfi-Gruppe leitet, somit haben wir kein Problem (ich allerdings auch keinen Überblick, ob bei denen tatsächlich jeder einzelne Vorkonfirmand Whatsapp nutzt). „Sonst hätte ich halt einfach gesagt, ich hab kein Handy, und hätte eben deine Nummer angegeben“, sagt Janis. Peinlich wäre ihm das nicht. „Ich hatte wirklich noch nie das Gefühl, dass ich unbedingt ein Smartphone brauche“, sagt mein 12-Jähriger mit Nachdruck.

Janis liest.

Janis ist auch mit analogen Medien zufrieden.

Also, was jetzt? Kein Smartphone für Kinder, ernsthaft?

Ich weiß nicht, wann meine Jungs ihr erstes Smartphone bekommen werden. Wahrscheinlich erst, wenn sie sich selbst eins kaufen und den Vertrag selbst abschließen können. Von mir aus auch mit 14, wenn die Bildung der Grundlagen im Gehirn soweit durch ist und ich sie für verantwortungsbewusst genug halte, um mit den offensichtlicheren Tücken des Internets fertig zu werden.

Vielleicht gibt’s ja eins zur Konfirmation? Wenn, dann aber mit klaren Regeln, abendlicher Abgabe und so, denn fit genug für die Selbstregulierung ist Janis zumindest jetzt noch nicht. Aber das ist dann sicher wieder etwas, das in jedem Einzelfall beurteilt und entschieden werden muss. Im Moment fühlen wir in unserer Familie jedenfalls alle ganz deutlich: Für uns ist ein Smartphone jetzt noch nicht dran.

Überhaupt möchte ich bei all der Leidenschaft, die ich für dieses Thema mitbringe, sagen: Hört auf euer Bauchgefühl! Ich glaube ganz fest, dass es nicht einfach die richtige Lösung gibt. Aber geht in euch, und bevor ihr eine Entscheidung trefft, überlegt: Macht ihr das, weil ihr dahintersteht? Oder lasst ihr euch gerade bloß vom vermeintlichen Gruppenzwang überrumpeln? Tut ihr das, von dem ihr meint, dass es das Richtige für euer Kind ist? Denn das (und nur das) ist verdammt noch mal unser Job als Eltern.

Zum Weiterlesen: Kinder und Smartphone

Wie gesagt, ich bin definitiv nicht der am besten gebildete Mensch zu diesem Thema und habe so wenig dazu gelesen, dass es durchaus fraglich ist, ob ich mir dann überhaupt so eine starke Meinung erlauben darf. Aber ein paar Lesetipps aus aktueller Zeit hab ich doch parat.

  • Uwe Buermann legt seinen Standpunkt zur Frage der Erziehung zur Medienkompetenz auf seiner Webseite dar (leider sehr textwüstig und nicht spezifisch zum Thema Smartphone). Seine Quintessenz: „Wer den Kindern von heute den Einstieg in die Zukunft sichern will, muss darauf achten, dass die Grundfähigkeiten ausgebildet werden! Natürlich gehört der Computer in die Schule, aber nicht als Ersatz für bisherige Erziehungskonzepte, sondern als Ergänzung im Jugendalter.“
  • Beim WDR gibt es einen „Faktencheck“ zu einer „Hart aber fair“-Sendung zum Thema Kinder und Smartphones, in der auch Manfred Spitzer zu Gast war.
  • In diesem ziemlich kurzen Artikelchen im Stern warnt der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte vor zu frühem Medienkonsum an Bildschirmen.
  • Und noch mal als Gegenpol: Auf Spiegel Online steht dieses Interview mit der Medienpädagogin Kristin Langer, die (im Gegensatz zu mir ;) ) Smartphones ab elf oder zwölf okay findet.