Schon lange möchte ich einen Beitrag über klimafreundliche Reiseplanung schreiben. Das Thema ist ebenso brandaktuell wie komplex. Ein paar einfache Antworten wären mal toll. Konkrete Handlungsaufforderungen, simples Do and Don’t, das unseren Urlaub nachhaltiger, grüner und uns zu besseren Menschen macht. Bestimmt ahnt ihr es schon: So einfach ist das nicht. Allgemeingültige Tipps für nachhaltiges Reisen sind so banal, dass ihr sie alle schon gehört habt. Geht man tiefer in die Materie, um wirklich evidenzbasierte Infos zu liefern, wird die Angelegenheit gleich so individuell, dass sie sich kaum noch zu griffigen Aussagen verkürzen lässt. Ich probiere mal so ein Zwischending…

Die besten Tipps für klimafreundliches Reisen

Es gibt also etwa eine Handvoll Tipps, die für eine umweltfreundliche Reiseplanung wirklich zielführend sind. Ich handele sie hier nur ganz kurz ab. Ich wette, ihr kennt sie alle.

  1. Gar nicht verreisen – ist fürs Klima das beste.
  2. Lieber in die Nähe als Fernreise – denn rund 75% der CO2-Emissionen im Urlaub stammen laut Bundesumweltamt aus dem Transport.
  3. Lieber einmal lange verreisen als öfter kurz – damit der CO2-Ausstoß der Ortsveränderung sich wenigstens lohnt.
  4. Zug ist besser als Auto ist besser als fliegen. Fernbusse schneiden in der Statistik auch recht gut ab.
  5. Wenn fliegen, dann kompensieren – aber ein Flug schadet dem Klima immer. (Auto fahren auch.)
  6. Urlaub mit Selbstversorgung ist klimafreundlicher als all-inclusive im Hotel.
  7. Wer eine nachhaltige Unterkunft sucht, sollte sich über die verschiedenen Siegel informieren
  8. Am Urlaubsort ist Wandern besser, als eine Quad-Tour buchen – aber den ganzen Tag neben dem Hotel am Strand liegen, ist im Sinne von Klimaschutz und Nachhaltigkeit besser, als eine Stunde mit dem Auto ins Naturschutzgebiet zu fahren und dort Bananenschalen ins Moor zu werfen.
  9. Auch im Urlaub sollten wir all die Tipps für klimafreundliches Verhalten beherzigen: zu Fuß gehen oder Fahrrad fahren statt mit dem Auto, Müll ordentlich entsorgen, am besten gleich ganz vermeiden, nachhaltig, saisonal und lokal einkaufen.

Quellen und Belege sind direkt verlinkt. Eine etwas ausführlichere Fassung der gängigen Tipps für eine nachhaltige Reiseplanung habe ich kürzlich für das „Länger besser leben.“-Programm meines Arbeitgebers BKK24 geschrieben.

nachhaltige reiseplanung familienurlaub

Kleine Schritte in die richtige Richtung können viel bewirken. Vielleicht.

So oder so ähnlich steht das aber auch schon hundert Mal im Internet. Und niemand will das so recht wissen, scheint es: Das Suchvolumen, das anständige Reiseblogger ermitteln, bevor sie sich an einen Artikel setzen, ist jedenfalls gering. Der Aufwand lohnt sich kaum, so einen Blogbeitrag zu schreiben.

Urlaubsplanung für Klima-Snobs

Ich will aber! Es ist vielleicht schon alles gesagt, aber noch nicht von mir.

Ich meine, wie sehr wollen wir eine nachhaltige Reiseplanung? Was ist es uns wirklich wert?

— So weit unten im Artikel sind wir ja schon unter uns: die Klima-Snobs. Die, die sich eines umweltbewussten Lebensstils rühmen. Die Gojibeeren und Chiasamen im Müsli wieder durch Johannisbeeren und Haferflocken ersetzt haben. Die mit dem Fahrrad durch den Regen strampeln, womöglich noch auf die Cheater mit den E-Bikes herabblicken, die ja doch nicht ganz emissionsfrei unterwegs sind. Die plastikfrei im Unverpacktladen einkaufen oder wenigstens Leitungswasser trinken, statt PET-Flaschen zu unterstützen. Die mit der Solaranlage auf dem Dach und dem Elektroauto in der Einfahrt oder wenigstens auf dem Wunschzettel – oder die gleich ganz autofrei leben, weil das in der Großstadt einfach geht.

Wer immer brav die bösen Avocados im Discounterregal liegen lässt, kann ja wohl auch mal hin und wieder in ein Flugzeug steigen, oder? Wenigstens alle drei Jahre?

Einen schönen Beitrag zum Erwachen aus dieser Denkweise hat der Journalist Harald Willenbrock in der GEO geschrieben.

Reisen ohne Fliegen

Ich kann hier mit rechtschaffener Inbrunst sagen: Nee, so’n Schweinkram mache ich nicht! Obwohl ich lange hauptberuflich als Reiseführerautorin und Reisebloggerin gearbeitet und mir privat mit meiner Familie fast ein ganzes Jahr Auszeit zum Reisen genommen habe, bin ich seit 2009 nicht mehr geflogen. Wenn man all die simplen Tipps da oben für klimafreundliche Reiseplanung beherzigt: Das geht.

schweden fähre rostock-trelleborg

Es muss nicht immer das Flugzeug sein. Auch mit der Fähre kommt man weit. Wie viel nachhaltiger ist das?

Die Frage ist: Macht mich das wirklich zu einem klimafreundlicheren Menschen? Wie viele Karmapunkte muss ich mir dafür abziehen, dass ich Reiseberichte zu all den Zielen geschrieben habe, an die ich zwar auf unserer Langzeitreise in Kurzstrecken mit dem PKW gelangt bin, die aber wohl 95 Prozent aller durchs Lesen Inspirierten mit dem Flugzeug erreichen werden? Und wie schwer wiegt der Fakt auf meiner Seele, dass die rund 30.000 Kilometer, die wir im Jahr unserer Langzeitreise mit dem Auto zurückgelegt haben, aus der Statistik unserer pendelnden Landeier-Familie überhaupt nicht herausstachen, weil wir im Alltag genauso viel Diesel verfeuern?

Fakt ist: Fliegen ist schlecht fürs Klima. Unter bestimmten Bedingungen kann ein Flug aber sogar klimafreundlicher sein als eine Fahrt alleine im Dieselauto. Alles kommt immer drauf an.

Einfach ist anders.

Ist Fliegen wirklich so schlecht fürs Klima?

Wie klimafreundlich ein Urlaub ist, hängt vor allem von der Anreise und Abreise ab, heißt es. Folgendes Rechenbeispiel ist im Internet so weit verbreitet, dass ich Schwierigkeiten hatte, die ursprüngliche Quelle auszumachen. Bei einer Reise von Berlin nach Rom und zurück lassen sich durch Zug statt Flug demnach 380 kg CO2 vermeiden. Das wird der Kompensationsleistung von 30 (!) Bäumen gegenübergestellt.

Ich bekenne: Ich habe nicht recht verstanden, wie lange diese 30 Bäume stoffwechseln müssen, um auf null zu kommen – wirklich ihr Leben lang? Und was ist, wenn ich mit meinem tollen Flugkompensationsprogramm teuer 30 Bäume pflanzen lasse und zwei Wochen später einer von diesen jährlichen Jahrhundertstürmen alle umfegt, Klimawandel sei Dank? Zählt meine Kompensationsquittung dann, oder war mein Ablasshandel dann nicht eigentlich hinfällig?

ostsee moor pramort

Wie viele Bäume kostet ein gutes Gewissen – und wie lange halten sie? (Symbolfoto aus dem wiedervernässten Moor auf Zingst.)

Verstehen wir das überhaupt richtig?

Dann haben wir das Problem, dass wir die ganze Zeit mit Zahlen jonglieren, die wir überhaupt nicht recht einschätzen und durchdringen können. Ich meine, bei mir zumindest ist das so. Ich habe keine Beziehung zu meinen CO2-Emissionen, ob das nun Tonnen oder Kilo oder was auch immer sind.

Die gemeinnützige Organisation myclimate.org bietet einen CO2-Rechner sowohl für Autofahrten als auch für Flüge an. Mit wenigen Klicks lässt sich da die CO2-Menge herausfinden, die wir – anscheinend – mit dem einen oder anderen Verkehrsmittel ausstoßen. Um bei dem Berlin-Rom-Beispiel zu bleiben, habe ich gerade beides mal durchgespielt. Demnach pusten wir mit unserem alten Diesel hin und zurück 842 Kilo CO2 in die Luft. Im Flugzeug berechnet uns das Tool pro Person „nur“ 594 Kilo – pro Person.

Natürlich sind und bleiben das alles Milchmädchenrechnungen. Wenn ich die Kinder im Auto nach Rom mitnehme, teilen wir durch vier und schon ist alles nicht mehr so schlimm. Der Teenager will nicht mehr mitfahren? So ein Ärger, das ruiniert unsere Umweltbilanz! Noch undurchsichtiger ist es im Flugzeug, wo die Gesamtmenge einfach auf alle Passagiere umgelegt wird. Die durchschnittliche Auslastung des Fluges fließt laut Erklärung von myclimate in die Berechnung mit ein. Trotzdem kann das im Einzelfall ganz andere Ergebnisse erzeugen, wenn mein Flug eben nicht dem Durchschnitt entspricht. Und wenn, wie der Klimaschutz es erfordert, immer weniger Menschen fliegen, verschiebt sich das kontinuierlich. (Ich weiß, bisher entspricht das nicht unbedingt der Realität. Das allein finde ich erschreckend genug.) Den Flug nicht zu buchen, führt nicht dazu, dass das Flugzeug nicht fliegt. (Im Gegenteil: Zu Corona schwirrten unzählige leere Flugzeuge über den Himmel, um irgendwelche Anrechte nicht zu verlieren.)

Hier ist vor allem die Politik gefragt. Die Subventionen für Kerosin müssen endlich gestrichen werden! Billigflieger gehören als sittenwidrig verboten.

Die Doppelmoral der Moralprediger*innen

Ich merke, wie ich mich in meinen Bemühungen um den Klimaschutz einerseits immer mehr radikalisiere. Als mein Martin neulich sonntagmorgens im strömenden Regen für den knappen Kilometer zum Brötchenholen das Auto nahm, habe ich ihn fast massakriert, als ich das mitbekam. Ich meine – hallo?!

Und andererseits hadere ich damit, die personalisierte Werbung in meinem Reiseblog abzustellen, die gerne mal zu einem Kurztrip nach Dubai oder zu einer Karibik-Kreuzfahrt inspirieren will. Glücksspiel und Gewichtsreduktion kann man thematisch abwählen, klimaschädliche Angebote leider nicht. So verkaufe ich für monatlich 200 bis 300 Euro meine Seele und helfe mit, Fernreisende zu produzieren.

Aber Hauptsache, mein Vollkorn-Biobrötchen hat eine saubere Transportbilanz!

wilhelmshaven mit fahrrad fußgängerzone

Wir sind viel mit dem Fahrrad unterwegs. Ist auch gut so! Aber die Welt retten wir damit wohl nicht. (Symbolfoto aus Wilhelmshaven.)

Hier würde es so viel mehr bringen, wenn ich penetrant bei meinem Werbeanbieter nachfrage, ob er mir nicht bitte die Option für klimafreundliche Werbung anbieten könnte. Und gegebenenfalls mit dieser Begründung meinen Vertrag zu kündigen. Mache ich jetzt auch.

Wenn ihr tiefer in dieses Rabbithole einsteigen wollt: Beate Kranz von Bravebird, Bloggerin für Nachhaltigkeit und klimabewusstes Reisen, ist schon vor mir an diesem Punkt verzweifelt.

Klimasieger Zug: Tipps für den Urlaub mit der Bahn

Fakt ist jedenfalls, dass Reisen mit dem Zug noch die beste Klimabilanz hat. Deshalb kommen hier jetzt noch ein paar Anregungen dafür, wie ein Urlaub mit der Bahn funktionieren könnte. Ich sage es ehrlich: Als ich den Beitrag für „Länger besser leben.“ recherchierte, sammelte sich da einiges an, das dann auf die Website der BKK24 doch nicht so recht passte. Die folgenden Punkte sind also ein bisschen upgecycelt. (Ich habe auch noch Tipps fürs Verreisen mit dem E-Auto in petto. Da wir selbst immer noch auf die Auslieferung unseres Enyaq warten, halte ich die aber noch zurück, bis ich auch aus eigener Erfahrung sprechen kann.)

Wir selbst haben – abgesehen von unserem klimaneutralen Kurztrip nach Borkum – noch keine Zugreise auf die Reihe gekriegt. Wir liebäugeln aber sehr damit. Für unsere nächste Reise nach Südtirol haben wir schon durchgerechnet: Mit dem Zug nach Bozen und dann eine Woche Mietwagen vor Ort, das haut hin, zumindest unter bestimmten Bedingungen.

Mit Rädern, Kindern und Gepäck

Mit Rädern, Kindern und Gepäck – hat Richtung Borkum für uns gut geklappt.

Tipps für klimafreundliche Reisen mit dem Zug

Mehr zum Thema nachhaltige Reiseplanung

Obwohl mir persönlich Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Klimarettung so wichtig sind, habe ich family4travel nie als „grünes Reiseblog“ verstanden. Doof eigentlich, auf den Zug hätte ich voll aufspringen können. Aber, siehe oben: Ich selbst bin ja viel zu inkonsequent. In vielen meiner Artikel fließt meine Liebe für das Thema Nachhaltigkeit mit ein. Folgende Beiträge aus den vergangenen Jahren thematisieren das Feld direkt:

Transparenz-Hinweis: Ich wurde durch meine Arbeit für die BKK24 dazu inspiriert, diesen Blogpost endlich zu schreiben. Mein Arbeitgeber hat mich aber nicht dazu angestiftet und weiß bisher nicht einmal was davon. :) Alle Links habe ich ausschließlich als Service für euch gesetzt, die das lesen. Ich habe keinerlei Gegenleistung von irgendwelchen erwähnten und/oder verlinkten Institutionen erhalten. Sollte die simple Erwähnung (m)einer Krankenkasse und der Fakt, dass diese das Thema Klima und Gesundheit ernst nimmt, den dringenden Wunsch in euch auslösen, ihr beizutreten, sagt mir bitte Bescheid: Ich kriege für jedes geworbene Mitglied nämlich einen Urlaubstag gutgeschrieben. :D