Dass große Herrscher in Pyramiden bestattet werden, wissen wir seit den ägyptischen Pharaonen. Mit deren Reich kann sich unser kleines Fürstentum nicht ganz messen. Das war mit Sicherheit auch Graf Wilhelm zu Schaumburg-Lippe klar. Trotzdem ließ er 1776 das Mausoleum für sich und seine kleine Familie in Form einer Stufenpyramide errichten.
Es ist ein schöner Sonntag im Frühling, und uns steht der Sinn nach einer kleinen Fahrradtour. Das Ziel ist schnell gefunden, denn seit die Jungs gehört haben, dass sich ganz in der Nähe von Schloss Baum eine Pyramide befindet, wollen sie die auch sehen. Von Bückeburg bzw. Minden aus führt die ausgezeichnete Radstrecke der Fürstenroute hier vorbei bis ans Steinhuder Meer. Das Gelände ist flach, alle Umstände angenehm, und so haben wir es bald geschafft. Vom Waldweg aus ist das Bauwerk nicht zu übersehen.

Für die Ewigkeit gebaut, oder doch wenigstens dafür, sie zu symbolisieren: Das Mausoleum von Graf Wilhelm und seiner Familie schimmert unweit von Schloss Baum durch die Vegetation.
Das wundert mich, denn als ich das letzte Mal hier war, versteckte sich das Mausoleum noch zwischen dichten Nadelbäumen. Hier ist offenbar einiges im Schwange, und als wir auf die schwere Eingangstür des Grabmals zugehen und uns den Aushang ansehen, wissen wir auch, was: Die ganze Anlage soll zurückversetzt werden in ihren ursprünglichen Zustand, gemäß den Plänen, die Graf Wilhelm selbst entworfen hat. Ein spiralförmiger Weg ist neu angelegt, gesäumt von Buchenhecken, die noch ein bisschen Zeit brauchen, bis sie wirklich was her machen. Spätestens dann aber wird sich das Mausoleum – das nach denen in Bückeburg und Stadthagen übrigens nur das drittgrößte im Schaumburger Land ist – zu einer echten Sehenswürdigkeit mausern.

So soll’s werden: Die derzeit noch spärlich sprießende Spirale steht für den Lebensweg, Pyramide und Dreieck symbolisieren das aufklärerische Denken des Freimaurers.
„Und wer ist da jetzt genau begraben?“ fragt Janis, während er vergeblich versucht, die Geheimnisse im Innern der Pyramide durch die Lüftungsschlitze zu ergründen. Ich habe mich vorher schlau gemacht und kann ihm die traurige Geschichte erzählen von dem Grafen, der erst sein einziges kleines Töchterchen verliert, zwei Jahre später seine Frau, und der im Jahr drauf selbst stirbt, so dass sie sie alle drei vereint sind in dem dunklen Raum da vor uns.
Die Jungs wollen es genau wissen. „Wie hieß das Mädchen?“ – „Woran ist die gestorben?“ – „Wie alt war die?“
Sie hieß Emilie, erkrankte an Tuberkulose, was damals oft genug tötlich endete, und starb kurz vor ihrem dritten Geburtstag. „Oje“, sagt Janis, und für einen kurzen Moment sind die Kinder echt betroffen.
Dann aber entdecken sie gefällte Baumstämme, die zum Klettern einladen (nachdem ich ihnen vehement klar gemacht habe, dass es sich bei dem Grabmal nicht um ein Klettergerüst handelt), und schon sind sie wieder ganz mit ihrem Spiel beschäftigt. Was ich mir sonst noch über Graf Wilhelm und seine Familie angelesen habe, kann ich bloß noch Martin erzählen.

Im Moment wirkt die Anlage reichlich kahl – sie wird gerade zurückversetzt in ihren ursprünglichen Zustand als Landschaftsgarten.
Der Landesherr galt als aufgeklärter und intelligenter Mann, zählte am Hof von Friedrich dem Großen zum engeren Zirkel um den Philosophen Voltaire. Als Heerführer diente er Preußen im Siebenjährigen Krieg und entwickelte die Theorie des reinen Verteidigungskriegs, welchen er für die einzig vertretbare Variante der Kriegsführung hielt.
Als er sich nach dem Tod seines Vaters und seines älteren Bruders den Regierungsgeschäften unseres Zwergstaates widmen musste, tat er das unter großer Beliebtheit des Volkes (wenn auch nicht gerade der seiner Staatskasse, da er unheimlich viel Geld ins Militär steckte).
Er war es, der im Steinhuder Meer die künstliche Insel mit der Festung Wilhelmstein errichten ließ, und auf seine Initiative ging dort der Bau des ersten Unterseeboots zurück.
„Ein großer Herr, aber für sein Land zu groß“, klagte Johann Gottfried Herder, der 1771 als Hofprediger nach Bückeburg kam.
Jener Dichter und Freund Goethes war generell nicht sonderlich angetan von seiner neuen Stellung in dem kleinen Schaumburg-Lippe, wohl aber von Wilhelms 20 Jahre jüngeren Frau, Gräfin Marie. Ihre Gläubigkeit beeindruckte ihn sehr – und das wiederum passte dem Grafen nicht. Es muss eine schwierige Dreiecksbeziehung gewesen sein, wie aus zahlreichen Briefen Herders hervorgeht. Er war es, der die kleine Emilie taufte und dann so bald wieder beerdigte. Die Trauerfeier für Gräfin Marie zwei Jahre drauf war seine letzte Amtshandlung in Bückeburg.
Nur wenige Meter von der Grabstätte entfernt befindet sich das Jagdschloss Baum, ein winziges Lustschloss, das Graf Wilhelm bereits 1760 errichten ließ.
Hier war sein bevorzugter Aufenthaltsort, jenseits des höfischen Protokolls des großen Schlosses in Bückeburg. Es liegt an der Grenze der damaligen Grafschaft. Der Name „Schloss Baum“ bezieht sich auf den Schlagbaum an der Zollstation. Heute ist es eine Tagungsstätte der evangelischen Jugend in Schaumburg, kann – mit jahrelanger (!) Vorlaufzeit – aber auch für grandiose Hochzeiten und andere Veranstaltungen angemietet werden.
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