Nach drei Jahren Zwangspause ging es für uns im April und gleich ein zweites  Mal im Juni/Juli 2022 wieder nach Schottland. Anlass war die Überprüfung aller Touren für die zweite Auflage unseres Reiseführers „Schottland mit Kindern“*. So haben wir hauptsächlich Orte besucht, die wir schon kannten. Auf diese Weise hatten wir gute Gelegenheit, Schottland vor und nach Corona und Brexit zu vergleichen.

Diesen Beitrag habe ich nach unserer ersten Reise im April 2022 geschrieben. Nach unserer zweiten Reise im Sommer ergänze ich ihn jetzt noch etwas.

Damit sie nicht in meinem überlangen Reisebericht untergehen, habe ich die Themen Einreisebestimmungen, Corona-Maßnahmen in der Praxis und Versorgungslage herausgelöst.

Vorweg: Ich schreibe hier als Reisebloggerin, Autorin eines Reiseführers* und aus der aktuellen Erfahrung als Reisende heraus. Einiges habe ich recherchiert und durch wiederholte Kurzaufenthalte kenne ich mich in Schottland ganz gut aus. Ich bin aber keine ausgewiesene Expertin für britische oder schottische Politik. Ich berichte von meinen persönlichen Eindrücken. Das sind alles Momentaufnahmen von unserer Recherchereise nach Schottland im April 2022.

Unsere Erkenntnisse in Kurzfassung

  • Schottland ist immer noch wunderschön!
  • Die Einreise ist nicht komplizierter geworden, dauert aber länger.
  • Corona spielt in Schottland praktisch keine Rolle mehr (auch wenn jetzt im Sommer anscheinend praktisch alle Covid haben).
  • Alles ist teurer geworden (aber wo ist es das nicht?).
  • Die Versorgungslage im Supermarkt und an der Tankstelle ist besser als in Deutschland (außer Obst und Gemüse).
  • Die größte Veränderung war in unseren Augen bedingt durch den Klimawandel: Alles ist knochentrocken.

Einen ganz ausführlichen Erlebnisbericht unserer Reise habe ich hier verfasst: Schottland in den Osterferien. Und aus dem Sommer: 3 Wochen Highlands & Islands.

schottland in den osterferien, april, mit kindern

Vor allem war es eine sehr schöne Reise mit sehr gutem Wetter…

Schottland nach Brexit: Die Einreise 2022

Seit diesem Jahr greift der Brexit in vollem Umfang. Die Einreise nach Großbritannien ist nun nur noch mit einem gültigen Reisepass möglich. Jedes Familienmitglied braucht seinen eigenen Lichtbildausweis. Der Personalausweis reicht nicht mehr aus. Ein Visum ist für reguläre Urlaubsreisen jedoch nicht nötig.

In der Praxis hat sich nicht viel geändert. Da Großbritannien nie Mitglied des Schengen-Abkommens war, gab es immer Passkontrollen. Wir hatten den Eindruck, dass es nun länger dauert. (Unser Einzelfall-Schlaglicht aus dem Sommer: 50 Minuten vom Verlassen der Fähre bis zur Schrankenöffnung nach Passkontrolle bei der Ausreise in den Niederlanden. Auf der Hinfahrt hatten wir Glück und gehörten zu den ersten Autos, die von der Fähre in die Passkontrolle kamen.)

Vielleicht liegt das tatsächlich nur daran, dass jeder Pass aufgeklappt und eingescannt werden muss. Ich glaube aber, auch die Fragen nach dem Ziel des Aufenthalts sind neu. Bei der Ausreise mussten wir den Kofferraum öffnen. – Diese Erfahrung haben wir aber auch schon bei früheren Ein- und Ausreisen in Großbritannien gehabt. Das Personal haben wir als ausgesprochen freundlich erlebt.

schottland fähre reisepässe

Wer ins UK will, braucht nun indiskutabel Reisepässe.

Also: Rechtzeitig Pässe für alle besorgen und an der Grenze ausreichend Zeit einplanen!

Corona-Maßnahmen in Schottland Sommer 2022

Seit dem 18. April 2022 gelten in Schottland keinerlei Corona-Maßnahmen mehr. Schon seit Februar sind alle Erfordernisse beim Grenzübertritt weggefallen. Keine Test-Pflicht, eine Impf-Pflicht schon gleich gar nicht. Eine Weile war dann das Tragen von Masken in Schottland (im Gegensatz zu England) im Einzelhandel noch obligatorisch. Auch das ist nun aber vorbei.

Wir waren genau über diesen Übergang in Schottland unterwegs. Nach dem 18. haben wir in vielen Läden noch Hinweiszettel gesehen, die um das freiwillige Tragen von Masken baten. Im Supermarkt trug vielleicht noch die Hälfte eine Gesichtsbedeckung – höchstens. (Generell waren kaum FFP2-Masken zu sehen, sondern zum Großteil bunte Stoffmasken oder Schals.)

2022 schottland masken corona

Hinweis im Kino von Campbeltown. (Das Personal trug übrigens keine Masken.)

Die Zahlen bescheinigen Schottland immer noch viele Covid-Erkrankungen. Tagesaktuelle Zahlen gibt Public Health Scotland hier heraus. Die tatsächlichen Zahlen sind wohl sehr hoch. Auch wir haben das im Sommer auf die harte Tour gelernt und uns im Hostel mit Covid angesteckt. Alles war am Schniefen, aber niemand sprach darüber. Unserem Eindruck nach ist Covid zur harmlosen Erkältung degradiert worden. (Und in unserem Fall hat das zum Glück auch gestimmt. Hätten wir nicht selbst Schnelltests von zu Hause mitgebracht, hätten wir nie erfahren, dass die 20 Stunden Fieber beim Kleinkind tatsächlich auf Corona zurückzuführen waren.)

Als Tourist kann man die Corona-Situation komplett ausblenden. Es gibt keine öffentlichen Test-Zentren an jeder Ecke (zumindest haben wir keine gesehen). Niemand überprüft den Impf-Status. 2G, 3G – das gibt es in Schottland alles nicht. Ob man an Covid erkrankt oder nicht, ist reine Privatsache geworden.

Interessanterweise sind auch bekennend Vorsichtige in Schottland viel mehr auf Abstand und Desinfektion von Händen und Flächen bedacht als auf das Tragen von Masken. Dass sich Aerosol in geschlossenen Räumen auch über zwei Meter hinweg ausbreitet und für Infektionen sorgen kann, scheint sich noch nicht rumgesprochen zu haben.

Außerdem ist uns im Gespräch mit Schottinnen und Schotten mehrmals die Überzeugung begegnet, dass man die Pandemie sehr viel besser bewältige und Maßnahmen so viel effizienter umsetze als die Engländer. (Inwieweit das stimmt, konnten wir nicht vergleichen.)

Die Lage in Schottland: Unsere Eindrücke

Spannend finde ich immer wieder die allgemeine Stimmungslage in Schottland. Natürlich ist es nicht ganz leicht, die in einem zweiwöchigen Urlaub einzuschätzen. Schon gar nicht, wenn man den Großteil der Zeit draußen in der herrlichen Natur verbringt. Ich werde deshalb nur einige Beobachtungen zu Protokoll geben und mir halbgare Interpretationsversuche versuchen zu verkneifen.

Eine allgemeine Einschätzung jetzt nach den Kommunalwahlen im gesamten UK liefert dieser kurze Bericht der BBC. (Für ein umfassendes Bild müsste man natürlich verschiedene Medien aus verschiedenen Lagern anschauen. Der staatliche Sender blickt naturgemäß eher unionistisch und aus Richtung England auf die Angelegenheit.)

2022 zeitungen schottland

Die Yellow Press war während unserer Reise eher auf Details bezogen. Dass die schottische Ministerpräsidentin selbst keine Maske mehr trug, war der Aufreger schlechthin.

Brexit und die Unabhängigkeit

Als wir 2018 zuletzt in Schottland waren, hatte ich den Eindruck, dass die Aufregung über den Brexit im Vergleich zu 2017 schon zurückgegangen war. 2022 ist uns das Thema als solches nun kaum noch begegnet. (Allerdings hatten wir auch insgesamt weniger Begegnungen mit Menschen. Gut möglich also, dass es allein daran lag.)

schottland yes stone indyref2

Ein „yes stone“ am Freilichtmuseum auf Lewis.

Ich habe den Eindruck, dass sich die meisten Leute damit abgefunden hatten. Jetzt im Sommer kochte das Thema wieder höher und der Hashtag #indyref2 war nicht nur auf Twitter, sondern auch als Graffiti zu sehen. Auf Lewis und in den Trossachs habe ich an Sehenswürdigkeiten „yes stones“ gefunden, nationalistisch bemalte Steine, die für ein Ja in besagtem zweiten Unabhängigkeitsabkommen werben.

Alle Schottinnen und Schotten, mit denen wir das Thema im persönlichen Gespräch angeschnitten haben (also, vier von vier), gingen davon aus, dass sich Schottland über kurz oder lang von Großbritannien abspaltet.

Schottland SNP Arran

Etliche Häuser auf Arran beispielsweise waren mit Logos der SNP geschmückt.

Union Jacks habe ich nur an offiziellen Sehenswürdigkeiten gesehen und an zwei einzelnen Häusern in Ardrossan. Das war allerdings auch 2018 schon so. Von einer akuten Rebellionsstimmung ist jedenfalls nichts zu spüren. (Dafür müsste man aber wohl auch eher in den Ballungsräumen auf Recherche gehen.)

Ukraine und Krieg

Auch der Ukrainekrieg wirkt sich meinem Eindruck nach in Schottland weniger auf die allgemeine Gemütslage aus als in Deutschland. Damit meine ich nicht die Solidarität der Menschen – die ist enorm. An vielen Stellen haben wir Ukraineflaggen gesehen. Der Krieg scheint für die Schotten aber auch emotional weiter weg zu sein als in Deutschland.

So gibt es beispielsweise kein Bewusstsein zum Einsparen von Gas und auch keine Hamsterkäufe. Mehl und Öl sind in ausreichenden Mengen vorhanden und nicht rationiert. (Wir haben da gleich mal ein bisschen gegengesteuert. Nachdem meine Mutter mir schrieb, sie habe zu Hause in drei verschiedenen Supermärkten kein Fitzelchen Weizenmehl bekommen, haben wir acht Kilo britisches Mehl exportiert.)

Schottland Weizenmehl

Weizenmehl ist in Schottland erhältlich und wandert in unser Reisegepäck.

Versorgungslage in Schottland

Urlaub als Selbstversorger – oder überhaupt – ist in Schottland also auch 2022 kein Problem. Weniger gut gefüllt waren meinem Eindruck nach hingegen die Obst- und Gemüseabteilungen der Supermärkte. Das wiederum liegt aber wohl am Brexit. (Wenn ich das richtig verstehe, funktioniert die Zollabwicklung noch nicht gut. Da die LKWs durch Personalmangel und noch nicht eingespielte Abläufe lange stehen, vergammeln Frischwaren auf dem Weg oder wurden deshalb bis auf weiteres abbestellt.)

supermarkt schottland gemüse

Ein bisschen mau sieht es an einem Dienstagnachmittag in der Obst- und Gemüseabteilung eines Aldis an der schottischen Westküste aus. Teure Flugware ist eher vorhanden. Importe aus südlichen EU-Nachbarländern, etwa niederländischen Gewächshäusern, sind vermutlich problematisch. Auch im Sommer boten sich ähnliche Bilder.

Insgesamt aber ist die Versorgungssituation in Schottland aktuell sehr gut. Verglichen mit Deutschland haben wir sie im April 2022 sogar als besser erlebt. – Weil eben Grundnahrungsmittel wie Mehl, Öl und Reis in ausreichenden Mengen erhältlich sind.

toast brot schottland supermarkt

Selber Laden, selber Tag, „Brot“-Abteilung.

Auch Tanken war in Schottland überhaupt kein Problem. Die Preise für Diesel waren sogar etwas günstiger als zur selben Zeit in Deutschland. Die Schlagzeilen der Versorgungsengpässe sind Schnee von gestern.

Mehr über Schottland

Viele weitere Tipps für Reisen nach Schottland (mit Kindern) gibt es hier im family4travel-Blog. Einen Überblick über die inzwischen mehr als 30 Erfahrungsberichte von der Packliste bis zum Erfahrungsbericht der „Schottland-Fähre“ gibt dieser Artikel: Schottland mit Kindern – unsere geballten Erfahrungen.

Schottland mit Kindern, Glen Coe