Wer nach Schottland reist, der ist in Gedanken schon in den Highlands oder auf den Hebriden. Loch Lomond, Loch Ness, die Isle of Skye – das sind so die typischen Bilder, die sich vor unserem inneren Auge entfalten, wenn wir an Schottland denken. Es gibt jedoch noch ein anderes Schottland, das deutsche Touristenströme bislang völlig auslassen. Unser Erfahrungsbericht aus Galloway mitsamt Tipps für Ausflugsziele.

Galloway und die „Borders“

Die gesamten Lowlands, also die Gegend zwischen Hadrian’s Wall und den beiden großen Städten Edinburgh und Glasgow sind bei Urlaubern nicht übermäßig beliebt. Die meisten fahren nur schnell durch auf ihrem Weg ins „richtige Schottland“.

The Borders heißt die Region ganz im Süden Schottlands. Ausführlich über darüber geschrieben hat Sandra in ihrem Großbritannien-Blog A decent cup of tea.

Der ganze linke untere „Buckel“ der Landkarte westlich der M74 zwischen Gretna Green und Ayr liegt noch weiter ab vom Schuss. Dieser „Buckel“ links der Borders heißt Galloway.

Dass diese Region zu Unrecht von Urlaubern ignoriert wird, hat uns ein unverhoffter Abstecher genau dorthin gezeigt.

mull of galloway landschaft

Die südlichste Ecke Schottlands.

Couchsurfing in Schottland: Glückssache

Dass wir überhaupt in Galloway landen, liegt wie so oft am Zufall. Wir sind leidenschaftliche Couchsurfer, kommen also auf Reisen gern bei Einheimischen unter, die uns für zwei, drei Tage in ihr Leben aufnehmen.

In Schottland ist es schwierig, Couchsurfing-Gastgeber zu finden. Zu dünn besiedelt ist das Land, und zu beliebt bei den Touristen. Folglich bekommen die paar Couchsurfer, die es gibt, viel zu viele Anfragen und verlieren bald die Lust auf Besuch. Wer in Schottland couchsurfen will, braucht in den Highlands kaum suchen.

Obwohl wir diese Erfahrung schon vor Jahren gemacht haben, versuchen wir es noch mal. Die letzten drei Tage unserer Recherchereise für unseren Schottland-Reiseführer* habe ich als Puffer eingebaut, und weil wir fleißig genug durchgezogen haben, haben wir „frei“. Wir können diese Tage irgendwo zwischen Stirling und Newcastle (wo unsere Fähre abfährt) verbringen. In diesem riesigen Gebiet suche ich nach familienfreundlichen Gastgebern, die uns drei beherbergen könnten. Die Auswahl ist trotzdem nicht groß, und so lande ich schließlich ziemlich bei Malcolm, der ziemlich weit ab vom Schuss in einem winzigen Dorf bei Dumfries lebt.

Und doch ist der Umweg ein Glückstreffer! Zwei Nächte verbringen wir in Malcolms Haus, das früher mal ein Pub war, inzwischen aber aussieht wie ein mit dem Inhalt eines Trödelladens vollgestopfter – Pub. Hier lebt der Mittfünfziger mit seiner Tochter Faith und empfängt uns herzlich. Schon wenige Minuten nach unserer Ankunft sind die Jungs und ich als Harry-Potter-Fans überzeugt: Wir sind bei den realen Lovegoods gelandet!

Bei dieser Wohnzimmereinrichtung müssen Malcolm und Faith ja wohl der magischen Welt entstammen, oder?

Die Sehenswürdigkeiten von Galloway

Wie oft bei richtig guten Couchsurfing-Erfahrungen bietet Malcolm uns an, uns die Gegend zu zeigen. Der nächste Tag ist der letzte Ferientag in Schottland. Da unternimmt die kleine Familie traditionell einen Ausflug zum Mull of Galloway – und wir kommen gerne mit.

Was wir von Galloway gesehen haben, sind also nicht unbedingt die Highlights per se – da mögen sich noch manche Perlen verstecken. Es sind Malcolms Highlights auf dem Weg zum Mull of Galloway. Auf jeden Fall lassen sich diese Sehenswürdigkeiten entlang der A75 prima zu einem Tagesausflug durch Galloway aneinanderreihen. So haben wir es schließlich auch gemacht.

mull of galloway klippen

Silas blickt von der Aussichtsterrasse am Gailly Craig in die Tiefe.

Die Cairnholy Grabhügel

Unsere erste Station sind die Grabhügel von Cairnholy. Sie befinden sich noch recht nah an der Stadt Dumfries. In der Nähe der Ortschaft Kirkdale führen entsprechende Schilder von der A75 zu den prähistorischen Sehenswürdigkeiten.

Ein Cairn ist eine Sonderform des Hügelgrabs, bei der der Hügel nicht aus Erde, sondern hauptsächlich oder ausschließlich aus losen Steinen besteht. Davon ist an Cairnholy allerdings nichts mehr zu sehen. Die losen Steine sind abgetragen, sodass das darunterliegende Großsteingrab sichtbar ist.

cairnholy galloway portalsteine

Das spektakulärere der beiden Großsteingräber von Cairnholy.

Zwei Grabstätten sind es bei Cairnholy, beide um die 5000 Jahre alt. Weitere Megalithanlagen, auch Steinkreise und Steine mit „cup and ring“-Markierungen, befinden sich sich in großer Zahl in der näheren Umgebung. Was diese Stätte besonders sehenswert macht, sind die großen Portalsteine an einem der Gräber. Schon 1949 gruben Archäologen die Anlage gründlich aus. Dabei kam unter anderem eine Schmuck-Axt zu Tage, deren Blatt aus einem Stein gefertigt war, der aus dem Alpenraum stammte. Die Funde sind längst alle im Museum. Die Grabhügel sind – wie die meisten überall in Schottland – frei zugänglich.

cairnholy galloway großsteingrab

Faith und Silas erkunden das prähistorische Denkmal.

Ganz in der Nähe (bei Wigtown) gibt es auch noch den hübschen Steinkreis von Torhousekie, dem wir leider keinen Besuch abgestattet haben.

Portpatrick

Unser nächster Stopp befindet sich schon auf der Halbinsel Rhins of Galloway. Vom Ende der A75 in Stranraer breitet sich die schmale Landzunge nach Norden und nach Süden aus. Der Südzipfel ist länger und endet am Mull of Galloway. Portpatrick liegt in der Mitte, an der Westküste der Rhins of Galloway.

Die kleine Stadt hat rund 500 Einwohner. Früher war sie einmal ein bedeutender Fährort. Dann geriet sie ein wenig in Vergessenheit, wurde kürzlich aber wieder vom – fast ausschließlich britischen – Tourismus wiederentdeckt.

portpatrick galloway ortsansicht

Wer viel Zeit hat, auf einen sonnigen Tag zu warten (oder ein gutes Händchen für Photoshop), macht bessere Bilder von Portpatrick. Ich begnüge mich mit einem realistischen Schnappschuss am späten Nachmittag eines Augusttages.

Viel Rummel gibt es hier trotzdem nicht. Die bunten Häuser entlang der Hauptstraße beherbergen nur wenige Restaurants und B&Bs. Im Hafenbecken schunkeln mehr kleine Fischerboote als Yachten. Daneben gibt es einen Fish&Chips-Laden, den wir empfehlen können (so empfehlenswert das fettige Lieblings-Fastfood der Briten nur sein kann).

portpatrick galloway hafen

Unser Stadtbummel – sofern man von Stadt sprechen kann – führt uns einmal ums Hafenbecken.

Am besten gefällt uns der kurze Spaziergang über die Klippen. Hier zwischen Städtchen und Meer hat Schottland noch einmal ein ganz anderes Gesicht als wir es von ihm kennen. Für Kinder ist es ein wahres Kletterparadies (ohne allzu halsbrecherisch zu wirken, obwohl etwas gesunder Menschenverstand freilich nie fehl am Platz ist).

Portpatrick, Galloway, Schottland mit Kindern

Nur wenige Meter von Portpatrick entfernt beginnt die Kletter-Klippenlandschaft.

Wer mehr Zeit hat, kann über schmale, steile Pfade zum Dunskey Castle wandern. Die Ruine aus dem 16. Jahrhundert befindet sich einen knappen Kilometer südlich der Stadt.

Der Leuchtturm am Mull of Galloway

Das Mull of Galloway schließlich liegt am äußersten Südzipfel der Halbinsel. „Mull“ ist die schottische Bezeichnung für ein rund geformtes, unbewachsenes Kapp, deshalb gibt es so viele davon (wie das Mull of Kintyre und die ganze Isle of Mull). Das Besondere am Mull of Galloway ist, dass es sich hierbei um Schottlands südlichsten Punkt handelt.

Das gesamte Kapp ist ein Naturschutzgebiet. Über einen schmalen Pfad laufen wir vom Parkplatz am Leuchtturm vorbei zum Ende der Welt. Vorsicht: Die Klippen sind steil. Wer sich zu weit vorwagt, lebt gefährlich und im Zweifelsfall nicht mehr lange. Abgesperrt ist hier nichts. Wer zum richtigen Zeitpunkt kommt, kann von hier aus die „9 Gezeiten von Galloway“ beobachten, wenn das Wasser unten gleichzeitig in viele verschiedene Richtungen auf- und abzulaufen scheint.

mull of galloway

Dadurch, dass es direkt am Mull of Galloway keine nackten Klippen gibt, wirkt die Landspitze trügerisch sanft. Hinter diesem Schild geht es aber immer wieder nah an steile Stellen.

Allgemeines Ausflugsziel ist der Leuchtturm. Sein Signalfeuer dreht sich 99 Meter über dem Meeresspiegel, heute automatisch. Für ein kleines Eintrittsgeld kann man hinaufsteigen und bei gutem Wetter bis zur Isle of Man und nach Irland schauen.

mull of galloway leuchtturm

Der Leuchtturm am Mull of Galloway.

Noch besser ist die Sicht am Gallie Craig ein paar hundert Meter die Halbinsel hinauf. Dort steht ein hypermodernes Café mit Aussichtsterrasse auf den Klippen.

mull of galloway klippen cafe

Blick auf das Café an den Klippen, von dessen Terrasse aus das Foto weiter oben entstand.

Port Logan

Auf dem Rückweg legen wir noch einen Halt in Port Logan ein. Der Küstenort ist noch kleiner als Portpatrick (ich finde nur eine Bevölkerungsangabe aus den 60er Jahren von 68 Einwohnern, aber gefühlt kommt das auch heute noch hin). Seine Popularität verdankt das Dörfchen der BBC-Serie „Two Thousand Acres of Sky“*, deren Drehort sie Anfang des Jahrtausends gewesen ist. Der Spin-off der Serie dreht sich um Landflucht und wie man junge Familien zum Leben in der Pampa motivieren kann. Ich schätze, dass das auch im realen Port Logan kein unbekanntes Thema ist.

Port Logan Galloway Schottland, Strand mit Boot

Während wir den alten Leuchtturm erkunden und den Blick auf den winzigen Ort genießen, ist Janis der einzige Mensch am Strand.

Als Ausflugsziel ist der Ort jedoch noch einmal sehr nett. Er umschließt einen breiten Strand, an dem meine Jungs und ihre junge Gastgeberin ausgelassen umhertollen.

galloway mit kindern port logan strand gesicht

Baden ist in Schottland wettermäßig selten drin, aber Kinder finden schon Mittel und Wege, sich am Strand zu beschäftigen.

Am Ende des Piers steht ein fast hundert Jahre alter Leuchtturm. Er ist längst außer Betrieb, innen leer und frei zugänglich. Auch hier klettern die Kinder mit Feuereifer herum.

Malcolm schwärmt von dem Café, das es hier einmal gab. Leider hat es inzwischen geschlossen, aber im Sommer gibt es einen mobilen Eis- und Snack-Verkauf am Strandparkplatz.

port logan food truck galloway

Eis für alle!

Fazit unseres Tagesausflugs nach Galloway

Ich bin froh und glücklich, dass wir bei Malcolm gelandet sind, und dass er uns auf diesen herrlichen Ausflug nach Galloway mitgenommen hat! So haben wir eine Ecke von Schottland gesehen, die uns ansonsten komplett durch die Lappen gegangen wäre. Ein Abstecher in die touristisch noch so naturbelassene Gegend lohnt sich auf alle Fälle. Vor allem, wenn man aus den viel bereisten Highlands oder der quirligen Region rund um den Loch Lomond kommt, tut so ein Ausflug ins nun nicht ganz menschenleere, aber wunderbar ursprüngliche Galloway richtig gut.

Wir haben die Region nur einen einzigen Tag lang erkundet und dabei schon so viel Schönes gesehen. Ich hoffe, dass ich eines Tages Zeit und Gelegenheit haben werde, Galloway noch einmal richtig ausführlich zu erkunden!

Picknick in Port Logan.

Picknick in Port Logan.

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Schottland mit Kindern, Glen Coe

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Unser Reiseführer behandelt Galloway leider nicht. (Er ist hauptsächlich ein Wanderführer für familienfreundliche Touren und muss deshalb noch in den Rucksack passen.) Die Abdeckung umfasst den Westen Schottlands, beginnend am Nationalpark Loch Lomond & The Trossachs und den Highlands bei Inverness. Dafür geht es im Buch bis in den hohen Norden und auch auf die Inneren wie Äußeren Hebriden (namentlich Isla, Jura, Mull, Skye und Lewis and Harris). Ausführlich stelle ich unseren Reiseführer hier vor: Meine Reiseführer im Naturzeit-Verlag.

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