Das Schaumburger Land ist nicht groß. Trotzdem findet man selbst als Einheimischer selten den Antrieb, die eingetretenen Pfade zu verlassen und sich auf den Dörfern umzusehen. Wir haben es uns vorgenommen, und es hat sich gelohnt! Unsere Ausflugstipps für einen richtig schönen Tag in Remeringhausen, Vornhagen und Lindhorst: zum Rittergut, am Obsthof Wedeking und ins Bergbau-Museum.
Der Landkreis Schaumburg ist ländlicher Raum. Hier, in der Mitte zwischen Hannover und Bielefeld gibt es keine großen Städte. Da ist höchstens Minden, aber das liegt schon jenseits der Kreis- und sogar jenseits der Landesgrenze: westfälisches Ausland. Wir sind Niedersachsen, aber zu allererst sind wir Schaumburger. Immerhin war das winzige Fürstentum bis ins 20. Jahrhundert hinein (auf dem Papier) eigenständig.
Hermann Löns, der Dichter, der von 1907 an zwei unglückliche Jahre als Lokalredakteur der Schaumburg-Lippischen Landeszeitung festsaß (für die ich knapp 100 Jahre später auch geschrieben habe, by the way), der formulierte das einmal so: „Wenn man von Köln nach Berlin fährt, dann erblickt man kurz hinter Minden plötzlich blau, weiß und rot angestrichene Grenzpfähle, und wenn man seine Reisegefährten fragt: Was ist denn das? So erhält man die Antwort: Ach, das eben war Schaumburg-Lippe.“
Nichtsdestotrotz gibt es auch innerhalb des Landkreises unsichtbare Reviergrenzen. Die drei Kleinstädte Bückeburg, Rinteln und Stadthagen bilden Gravitationszentren, die man selten verlässt. Also, klar gibt es Anlässe, als Bückeburger auch mal die 15 Kilometer bis nach Stadthagen zu fahren. Ein Facharzt-Termin, oder die Zulassung eines neuen Autos vielleicht. Aber es braucht eben schon einen Anlass. Für die Dörfer hinter Stadthagen gilt das erst recht.
Unser Anlass war das British Weekend in Remeringhausen, eine wirklich lohnenswerte Veranstaltung im Juni. Mehrmals im Jahr gibt es auf dem Rittergut solche Großveranstaltungen. Deshalb kommen hier zum Nachmachen unsere Tipps für die unmittelbare Umgebung – neben dem dringenden Ratschlag, die Chance zu nutzen, sich das uralte Gutshaus anzusehen.
Rittergut Remeringhausen
Seit sage und schreibe 21 Generationen ist das Landgut in Familienbesitz. Ich finde, allein das macht das Anwesen schon zu einer spannenden Sehenswürdigkeit.
Die schlechte Nachricht zuerst: Das Rittergut Remeringhausen kann man nicht „einfach so“ besichtigen. In erster Linie ist es der Wohnsitz einer ganz normalen Familie, der von Schönings. In zweiter Linie ist es ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb. Und in dritter Linie ein Veranstaltungsort, den man für öffentliche wie private Feierlichkeiten mieten kann.
Das Dasein als Sehenswürdigkeit kommt erst ganz zum Schluss.
Geschichte des Ritterguts im Schnelldurchlauf
Möglicherweise geht die befestigte Wohnlage schon auf die Römer zurück, die von hier aus die B65 (damals noch „Fernhandelsroute Helweg“) im Blick behielten.
Die Geschichte des Ritterguts beginnt so richtig „erst“ Ende des 16. Jahrhunderts, als Ludolf von Münchhausen beschließt, den seit längerem in der Erbmasse vor sich hindümpelnden Landbesitz mit einer anständigen Immobilie zu bestücken und sich in Remeringhausen niederzulassen. In den folgenden Jahren wird aus dem Bauernhof auf verpachtetem Grund ein Adelssitz im angesagten Stil der Weserrenaissance. Das mit dem Familiensitz nimmt Ludolf ernst, denn mit seiner (anfangs sehr!) jungen Frau Anna zeugt er 18 Kinder.
Hundert Jahre später steht bereits ein neues Haupthaus. Aber dann wird die direkte Erbfolge selten. Das Gut geht an Neffen und Cousins, die anderswo wohnen und Land und Forst verpachten. Niemand fühlt sich so recht verantwortlich.
Als Hildebrand von Breitenbuch 1975 sein Erbe antritt und die Bewirtschaftung selbst übernehmen möchte, findet er statt des englischen Landschaftsparks einen Dschungel und statt des herrschaftlichen Gutshofs einen stark renovierungsbedürftigen Altbau vor.
2007 erbt zum ersten Mal eine Frau das Rittergut Remeringhausen: Tania von Schöning, die heutige Hausherrin. Sie führt gemeinsam mit ihrem Mann Nicolaus von Schöning die Instandsetzungsarbeiten ihres Großvaters fort und macht das Rittergut zu der angesagten Veranstaltungs- und Feier-Location, die es heute ist.
Veranstaltungen auf dem Rittergut Remeringhausen
Mindestens vier Mal im Jahr öffnet das Gut die Brücke über den Wassergraben für die breite Öffentlichkeit. Etabliert haben sich
- die Pflanzentage um den 1. Mai herum (vor allem für Hobby-Gärtner),
- das British Weekend im Juni (nicht nur für Freunde des gepflegten Ensembles aus Tweedjacke, Gummistiefeln und Dudelsack),
- das Romantic Garden Festival im August (Schönes quer durch den Garten, im wahrsten Sinne des Wortes, mit Kleinkunst und Musik)
- und die Novemberlichter (für den vorweihnachtlichen Kaufrausch ohne Termindruck).
Termine, Eintrittspreise, Öffnungszeiten und alle anderen Details gibt es auf der Homepage des Ritterguts.
Kinder mitnehmen aufs Rittergut Remeringhausen?
Die Veranstaltungen auf dem Rittergut sind so ausgelegt, dass die ganze Familie etwas davon hat. Aus eigener Erfahrung kann ich das zumindest vom English Weekend und vom Romantic Garden sagen. (Bei Letzterem war ich vor etlichen Jahren mit Janis unterwegs, der kaum wieder gehen wollte). Es gibt viel zu gucken und auszuprobieren. Der Park bietet viel Platz zum Toben, denn er ist eben nicht überfüllt mit Ständen. Irgendwo ist immer noch Luft zum Atmen. Auch extra Kinderprogramm gibt es zumindest zu bestimmten Zeiten (das haben wir aber gar nicht ausprobiert).
Update 2023: Dieses Jahr war ich in dieser Hinsicht vom British Weekend ziemlich enttäuscht. Außer dem Gehege der Vorführungsschafe, das die Schäferin inoffiziell für Kinder als Streichelzoo freigab, gab es NULL Angebote für Kinder. Klar war niemand kinderunfreundlich per se. Und es gab auch wieder einiges zu gucken für die ganze Familie: Shetlandponys, Greifvögel, Frisbees fangende Hunde. Aber zu tun gab es halt nichts für Kinder. Kein Maltisch, kein Spielmobil (wie ich es von den Pflanzentagen vor über zehn Jahren in Erinnerung habe). Nichts. Das Rittergut Remeringhausen bietet leider auch keinen Kinderspielplatz, keine Schaukel oder etwas in der Art. Tatsächlich habe ich beim Rundgang übers Gelände zwei Mal im Vorbeigehen explizites Gequengel Marke „Mir ist langweilig, es gibt ja nichts Interessantes hier“ von Kindern gehört. Meine eigene Dreijährige fand das jetzt nicht sooo schlimm. Aber ein bisschen armselig finde ich es schon für eine Veranstaltung, die als familienfreundlich angepriesen wird.
Wie viel Zeit einplanen?
Mit etwas Durchhaltevermögen lässt sich während der Veranstaltungen sicher ein ganzer Tag auf dem Gutsgelände rumbringen.
Gerade wenn man mit Kindern unterwegs ist, ist aber irgendwann ja oft doch die Luft raus. Wir haben uns dieses Jahr auf dem British Weekend wirklich gut amüsiert. Aber gegen Mittag wurde es so voll, dass es uns keinen Spaß mehr machte. – Gar kein Problem, denn dann schlägt die Stunde der Nachbardörfer…
Obsthof Wedeking Vornhagen
Kaum zehn Minuten Fahrtzeit vom Rittergut Remeringhausen entfernt liegt der Obsthof Wedeking. Vornhagen ist eins dieser Dörfer, die man auch als Schaumburger bloß kennt, weil man da auf der Durchfahrt ständig bei rot an der Ampel steht. Zur Abwechslung mal abzubiegen, ist jedoch durchaus lohnenswert.
1994 begann die Familie Wedeking in Hameln mit dem Anbau von Erdbeeren zum Selberpflücken. Im Laufe der Jahre kamen Apfel-, Kirsch- und Rosenplantagen dazu. 2003 pflanzte die Familie erstmals Blaubeeren an. 2011 eröffnete das erste Blaubeer-Café, zunächst nur saisonal. Seit 2015 gibt es das ganze Jahr über Frühstück im Café.
Update 2023: Leider gibt es das Blauberr-Café – und auch die Blaubeeren – auf dem Obsthof Wedeking nicht mehr. Die Blaubeerplantage war nicht mehr rentabel. Inzwischen wachsen dort Apfelbäume. Unser jährliches Ritual, zu Beginn der Sommerferien zum Selbstpflücken mit anschließender Einkehr zu fahren, ist passé. Auch die wunderschöne naturnahe Spielecke gibt es leider nicht mehr.
Stattdessen öffnen die Räumlichkeiten dienstags bis sonntags zum Frühstück. Das finden einige ganz toll, andere überteuert. Was mir persönlich nicht passt: Alle unter dem hofeigenen Label vertriebenen (und auch zum Frühstück aufgetischten) Feinkostartikel – Essig, Öle, Marmeladen, Chutneys,… – sind mit „natürlichen“ Aromen und anderen Zusatzstoffen versetzt. („Aber es soll ja schon auch nach was schmecken“, sagen manche. Spätestens nach unserem Besuch im Deutschen Museum für Zusatzstoffe in Hamburg bin ich persönlich da skeptisch.) Näheres zu Öffnungszeiten und Preisen weiß jeweils aktuell die Homepage.
Schönster Schnickschnack und Obst: Der Hofladen
Der Hofladen war ein weiterer Meilenstein in der Metermorphose vom Bauernhof zum Besuchermagnet. Seit 2013 befindet sich hier ein Stöberlädchen. Schönes für Haus und Garten im skandinavischen Stil ist dabei. Dann gibt es diverse Accessoires für die Dame und natürlich all die genannten Feinkostartikel. Erdbeeren, Äpfel und anderes hofeigenes Obst und Gemüse sowie (leider ebenfalls mit Zusatzstoffen) Eingemachtes steht ebenfalls zum Verkauf. Nicht alles stammt vom Obsthof Wedeking selbst. Es gibt auch Kooperationen mit anderen lokalen Betrieben.
Bergbaumuseum Lindhorst
Lindhorsts beste Eigenschaft ist zweifelsohne die S-Bahn-Anbindung an Hannover. Zum Wohnen ist das Dorf mit seinen gut 4000 Einwohnern wahrscheinlich nicht schlecht. Es gibt sogar ein paar Geschäfte.
Aber seien wir ehrlich: Besonders hübsch ist Lindhorst nicht. Und das sage ich, obwohl das Dorf die Keimzelle des ur-schaumburgischen Teils meiner Familie ist. Tatsächlich kann die Sippe meiner Mutter auf eine ortsansässige Ahnengalerie zurückblicken, die beinahe ebenso lang ist wie die der von Schönings. (Was bei mir vor allem angesichts der Tatsache, dass sämtliche Ahnen im Umkeis von fünf Kilometern geboren wurden und einige bereits vor der Eheschließung denselben Nachnamen trugen, eher Sorge als Stolz hervorruft.)
Ein wirklich nettes Ausflugsziel gibt es in Lindhorst doch. Ziemlich genau in der Ortsmitte liegt der Hof Gümmer. Neben dem „Café zum Pferdestall“ und dem Bergbau-Museum sind hier auch eine Seniorenresidenz und das Dorfgeschmeinschaftszentrum untergebracht.
Die Ausstellung befindet sich im ersten Stock, Zugang direkt durchs Museum. Gezeigt werden Überbleibsel aus dem Lindhorster Steinkohleabbau.
Wie das Dorf ganz ohne Berg zum Bergbau kam, ist eine spannende Frage. Deren Antwort nehme ich an dieser Stelle einfach mal nicht vorweg. Nur so viel: Nach dem zweiten Weltkrieg bestand die Hälfte von Lindhorsts männlichen Einwohnern aus Bergleuten.
Das Museum ist immer geöffnet, wenn auch das Café geöffnet ist: donnerstags bis sonntags von 9 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten.
Mehr Ausflugstipps in Schaumburg und ganz Deutschland
Mehr Tipps für Kaffee und Kuchen in besonders angenehmer Umgebung gibt es in meinem kleinen Guide für schöne Cafés in Schaumburg.
Mehr Ausflugstipps für Schaumburg und insgesamt über 180 Orte in Deutschland, die wir selbst für euch getestet haben, gibt es hier:
Familienurlaub in Deutschland: Unsere Tipps und Erfahrungen
Bin über schaumburg-tourismus hergesurft. Sehr liebevoll gemachte seite. Wir werden aus bielefeld sicher mal per e-mobil die gegend erkunden.
Danke! ?
Danke, das freut mich! Grüße in die erweiterte Nachbarschaft!