Hmmm, Urlaub in Albanien, mit Familie? Als wir unser Zuhause für unseren 11-monatigen Europatrip verließen, gingen wir davon aus, dass wir um Albanien einen Bogen machen würden. Wir waren abenteuerlustig, ja, aber so abenteuerlustig dann auch wieder nicht. Ich meine, was weiß man denn als in dieser Hinsicht unvorbelasteter Deutscher über Albanien? Gerade mal, wo es liegt, und auch das nur so ungefähr.

Wir waren ja recht kurzfristig in unser Europa-Abenteuer gestolpert und hatten nicht recherchiert. Was wir über Albanien zu wissen glaubten, war folgendes:

Unsere Albanien-Vorurteile

  • Das Land war sozialistischer als Stalin und Mao zusammen – zumindest hat sich Diktator Hoxha von beiden distanziert, weil ihm der russische und auch der chinesische Kommunismus nicht umfassend genug durchgesetzt wurden.
  • Das Land war jahrzehntelang komplett isoliert, vergleichbar mit Nordkorea. Außerdem herrschte ein absolutes Religionsverbot.
  • Nach dem Fall des Sozialismus stolperten die Albaner unvorbereitet in die Freiheit und waren damit vielfach überfordert. Das Land verfiel in Anarchie.
  • Albanien ist das Land der Blutrache. In zahlreichen Familien trauen sich die Männer seit Jahren nicht mehr vor die Tür, aus Angst, von verfeindeten Familienvätern sofort erschossen zu werden.
  • Albanien ist das vermüllteste Land Europas. Die Hauptstadt Tirana hält den traurigen Rekord der ungesündesten Stadt des Kontinents mit den meisten Umweltgiften in Boden, Wasser und Luft.
Diktator Enver Hoxha fürchtete sich vor einem nuklearen Angriff von irgendeiner der Mächte, mit denen er es sich verscherzt hatte, und ließ deshalb ganz Albanien mit Bunkern übersäen. Die Dinger sind verdammt stabil, also versuchen die Albaner heute das beste daraus zu machen.

Diktator Enver Hoxha fürchtete sich vor einem nuklearen Angriff von irgendeiner der Mächte, mit denen er es sich verscherzt hatte, und ließ deshalb ganz Albanien mit Bunkern übersäen. Die Dinger sind verdammt stabil, also versuchen die Albaner heute das beste daraus zu machen.

Und all das stimmt! Aber es lohnt sich, genauer hinzuschauen und die positiven Entwicklungen nicht aus dem Blick zu verlieren. Denn Albanien ist so viel mehr als diese Liste von Vorurteilen. Wir wurden hellhörig, als unsere Couchsurfing-Gastgeber in Zagreb von Albanien als Reiseland schwärmten. Und als uns eine Familie in Rumänien (das ebenfalls eine sehr positive Überraschung war) fast nur Gutes von ihrem Sommerurlaub in Albanien erzählte, beschlossen wir, das Balkanland doch auf unsere Agenda zu setzen. Zum Glück! Denn wie sich zeigte, ist Albanien ein absoluter Geheimtipp. Ich glaube, man kann sagen, dass Urlaub in Albanien in etwa vergleichbar ist mit Urlaub in der Türkei vor 20 Jahren (ich war vor 15 Jahren dort und finde deshalb, dass ich mir diesen Vergleich so halbwegs anmaßen darf). Es muss noch viel getan werden, aber das Potenzial ist da. Und deshalb setze ich der Negativ-Liste folgende Contra-Punkte entgegen:

Argumente für eine Albanien-Reise

  • Heute ist die öffentliche Ordnung stabil. Das Leben funktioniert (sogar der Straßenverkehr, wenn auch ohne Regeln und deshalb im Schneckentempo, aber immer noch besser als auf Sizilien).
  • Touristen sind sicher. Übergriffe auf Ausländer kommen praktisch nicht vor, auch keine Kriminalität. Gäste zu beklauen, geht gegen die Ehre der albanischen Mentalität.
  • Die Menschen sind so nett! Wird man als Tourist erkannt, blickt man in euphorische Gesichter. Die Alten beschränken sich auf Ausrufe wie: „Albania good, eh? Albania good!“ Die Jüngeren stürzen sich oft auf die Gelegenheit, ihr meist sehr gutes Englisch zur Anwendung zu bringen.
  • Das Preisniveau ist unschlagbar. In Durres haben wir die beste Pizza außerhalb Italiens gegessen, die umgerechnet 2,50 Euro kostete. Die ganze. Ein Cappuccino in einem hübschen Café kostete 80 Cent und war hervorragend.
  • Es gibt herrliche Sandstrände (die mal jemand vom Müll befreien sollte, aber in Süditalien und Griechenland sieht es off season genauso aus!). Das Wetter ist mediterran – schließlich liegt das Land am Mittelmeer, südlich von Kroatien und gegenüber von Italien. Ende Februar war es zu kalt zum Baden, aber warm genug, um in Strickjacke im Café am Strand zu sitzen und den Kindern beim Buddeln zuzusehen.
  • Die Infrastruktur an Sehenswürdigkeiten und Museen hält sich noch in engen Grenzen, aber kulturell Interessierte kommen trotzdem auf ihre Kosten. In Shkodra (ganz im Norden) gibt es zum Beispiel eine beeindruckende Ausstellung zum Terrorregime der Hoxha-Zeit und ein ambitioniertes kleines Heimatmuseum. In Durres findet man Spuren der Griechen und Römer in Form eines teilweise freigelegten Amphitheaters mitten in der Stadt.
  • Die Natur ist atemberaubend, vor allem im Osten des Landes. Die Berge, die wir auf der Fahrt von Shokra Richtung Kosovo passiert haben, können mit den hochgelobten Kollegen in Montenegro mehr als mithalten!
Das historisch-ethnologische Museum von Shkoder ist in einem traditionellen albanischen Wohnhaus untergebracht.

Das historisch-ethnologische Museum von Shkoder ist in einem traditionellen albanischen Wohnhaus untergebracht.

Diese Torte, frisch vom Konditor, hat umgerechnet etwa 4,50 Euro gekostet. Mir war sie zu sahnig, aber der männliche Teil der Familie war vollauf zufrieden.

Diese Torte, frisch vom Konditor, hat umgerechnet etwa 4,50 Euro gekostet. Mir war sie zu sahnig, aber der männliche Teil der Familie war vollauf zufrieden.

Der Skutari-See trennt Albanien von Montenegro. Dahinter beginnen die Berge und hören so schnell auch nicht wieder auf.

Der Skutari-See trennt Albanien von Montenegro. Dahinter beginnen die Berge und hören so schnell auch nicht wieder auf.

Unsere Albanien-Reise mit Kindern – in der Kurzversion

Wir haben Albanien in zwei Häppchen bereist, und mehr als Stippvisiten haben wir in unserem Zeitplan nicht untergekriegt.

Albaniens Norden: Shkodra

Drei Nächte lang haben wir Anfang Dezember in Shkodra Station gemacht. Wir kamen aus Montenegro und wollten weiter Richtung Kosovo. Die Stadt ganz im Norden gilt als die am westlichsten orientierte. In dieser Region dominieren die Katholiken, während der Rest des Landes muslimisch geprägt ist (superspannende Geschichte, wie das Land nach der religiösen Unterdrückung zu seinem Glauben zurückgefunden hat, und das überraschend unaufgeregt und moderat). Wir haben als Couchsurfer bei dem selbstständigen Maler Lorenc übernachtet, der mit seinem Vater und seinem Bruder in einem kleinen Häuschen nahe dem Stadtzentrum wohnt. Lorenc war ein toller Reiseleiter, trotz seines mittelmäßigen Englischs hat er uns unheimlich viel über die Kultur seines Landes vermitteln können. Die Wohnverhältnisse waren sehr einfach, und ich bin immer noch überrascht, dass wir sowohl die spätherbstliche Kälte in unserem Schlafzimmer, als auch die hygienischen Zustände in Bad und Küche ohne Infekt überstanden haben. Nichtsdestotrotz war es eine großartige, lehrreiche Erfahrung, die ich nicht missen möchte!

Übrigens hat Shkodra eine hübsche Fußgängerzone und etliche Hotels, Restaurants und Cafés, die von außen sehr einladend aussehen.

Hauptsache frisch gestrichen: Von außen sah das Zuhause unserer Couchsurfing-Gastgeber richtig hübsch aus, und auch die Bewohner waren sehr, sehr nett.

Hauptsache frisch gestrichen: Von außen sah das Zuhause unserer Couchsurfing-Gastgeber richtig hübsch aus, und auch die Bewohner waren sehr, sehr nett.

Wir durften einen Blick in die gute Stube eines traditionellen albanischen Haushalts werfen.

Die gute Stube eines traditionellen albanischen Haushalts – im Inneren des Museums von Shkodra.

Das ehemalige Gefängnis der Geheimpolizei ist zu einer modern konzipierten Gedenkstätte umgewandelt worden.

Das ehemalige Gefängnis der Geheimpolizei ist zu einer modern konzipierten Gedenkstätte umgewandelt worden.

Urlaub in Albanien am Strand: Durres

Vom Ohrid-See in Mazedonien aus haben wir das Land dann Anfang März mittig durchquert und weitere drei Tage in Durres verbracht. Von dort aus haben wir eine Fähre nach Bari in Italien gebucht.

Durres ist bekannt für seine herrlichen Strände. Zu Recht. Hier kann man tatsächlich klassischen Urlaub am Strand machen.

Wir waren wieder als Couchsurfer unterwegs, diesmal bei Alice, Jeff und ihren beiden Kindern. Die Familie stammt aus den USA. Beide Eltern sind Lehrer und unterrichten an der Internationalen Schule, die eigentlich ziemlich albanisch ist, nur dass sie sich ausschließlich reiche Geschäftsleute leisten können, die ihre Kinder auf Englisch unterrichtet wissen möchten. Für Alice und Jeff ist Albanien nur eine Zwischenstation; sie waren schon in Armenien und gehen bald nach China. Ein Besuch bei einer „echten“ albanischen Familie wäre sicherlich authentischer gewesen, aber ehrlich gesagt war mir nach unserer ersten Erfahrung die Anwesenheit einer Hausfrau wichtiger… Und die Tatsache, bei Nicht-Locals zu wohnen, tat unserem Durres-Aufenthalt keinen Abbruch, ganz und gar nicht. Wir hatten jede Menge Spaß und sehr gute Gespräche.

Mitten im Stadtzentrum von Durres befinden sich die freigelegten Reste eines griechisch-römischen Amphitheaters.

Mitten im Stadtzentrum von Durres befinden sich die freigelegten Reste eines griechisch-römischen Amphitheaters.

Auch das ist Albanien: Eigenverantwortung muss man schon an den Tag legen... (Nebenstraße in Durres.)

Auch das bedeutet Urlaub in Albanien: Eigenverantwortung muss man schon an den Tag legen, wenn jemand die Gullideckel gebrauchen konnte… (Nebenstraße in Durres.)

Die Stadt haben wir hauptsächlich auf eigene Faust erkundet. Mit dem Sightseeing waren wir schnell durch, aber es gab ja immer noch die kilometerlangen Strände südlich von Durres, von den ersten Sonnenstrahlen des Frühlings angenehm erwärmt und trotz entlang der Straße zuhauf aus dem Boden geschossener Hotelbauten zu dieser Zeit noch menschenleer. So hatten auch wir, die wir ja doch eher als Bildungsreisende unterwegs sind, einen kleinen Eindruck von Urlaub in Albanien.

Urlaub in Albanien: Absolut nicht der schlechteste Standard, der uns auf unserer Europa-Reise begegnet ist. Eins von vielen Cafés, traumhaft am Meer gelegen.

Absolut nicht der schlechteste Standard, der uns auf unserer Europa-Reise begegnet ist. Eins von vielen Cafés, traumhaft am Meer gelegen.

Urlaub in Albanien: Ein ganzer Strand für zwei Jungs. Im Sommer sieht das schon anders aus, haben wir gehört.

Urlaub in Albanien: Ein ganzer Strand für zwei Jungs und ihre Bauprojekte. Im Sommer sieht das schon anders aus, haben wir gehört.

Tirana mit Kindern?

An einem Tag sind wir nach Tirana reingefahren – ein Ausflug, der sich von Durres aus anbietet, den man sich eigentlich aber auch getrost sparen kann. Nach längerem Suchen haben wir zwar ein paar hübsche Ecken gefunden, und wir haben gut und günstig gegessen. Aber es gibt praktisch keine Parkplätze, dafür eine Menge Stau und nichts, was die Anstrengung so wirklich rechtfertigt.

Dafür haben wir uns jetzt eineinhalb Stunden durch den chaotischen Stadtverkehr gequält...

Dafür haben wir uns jetzt eineinhalb Stunden durch den chaotischen Stadtverkehr gequält…

Man muss ein bisschen suchen, aber dann findet man auch nette Ecken in Tirana.

Man muss ein bisschen suchen, aber dann findet man auch nette Ecken in Tirana.

Mehr Erfahrungsberichte über Albanien-Reisen

Hier im family4travel-Blog gibt es einen ausführlichen Bericht über Durres als Urlaubsort:

Und Matthias von Traveltelling hat acht Reiseblogger nach ihren Tipps für Albanien befragt. Wir sind natürlich auch dabei, aber von da aus findest du noch viele andere Reiseberichte.

Über unsere 11-monatige Reise habe ich ein Buch geschrieben: „Die Entdeckung Europas“. In 42 in sich geschlossenen Kapiteln stehen dort die persönlichen Begegnungen und das „gefühlte Reisen“ während unseres Langzeit-Roadtrips im Mittelpunkt. Albanien widme ich gleich zwei Kapitel: eins über unser Couchsurfing-Abenteuer in Shodra bei Malermeister Lorenc, und eins über unseren Besuch bei dem amerikanischen Lehrerpaar an der internationalen Schule in Durres.

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