Hexenholz und Teufelsbäume nannte man die Süntelbuchen früher und hätte die kuriose Baumgattung am liebsten ausgemerzt. Bad Nenndorf besitzt die größte Sammlung lebender Exemplare – und noch so manch anderen Schatz, der unseren Familienausflug im Schaumburger Land lohnenswert gemacht hat.
In letzter Zeit haben wir uns schon wieder in allen möglichen Ecken des Landes herumgetrieben: an den Externsteinen, in Dresden und in der überraschend hübschen Stadt Halle an der Saale. Und dann war ich vergangene Woche natürlich auch noch drei Tage in Berlin, um auf der ITB (der weltweit größten Tourismusmesse) mit einer ganzen Reihe von Leuten über zukünftige family4travel-Trips zu sprechen (wie das so war, habe ich ausführlich auf unserer facebook-Seite dokumentiert – die ihr gerne mit einem „like“ abonnieren dürft, denn da gibt es oft zusätzliche Infos von uns, die es nicht als ausführlicher Beitrag ins Blog schaffen). Nächste Woche beginnen die Osterferien, und dann geht es erst nach Thüringen und dann gleich nach Rügen.
Schönes Schaumburg
Wir sind also mal wieder gut unterwegs. ABER bei aller Liebe zum Erkunden des Unbekannten wollen wir auch die Schönheit unserer Heimat nicht aus den Augen verlieren. Auch bei uns zu Hause im Schaumburger Land gibt es nämlich unheimlich viel zu entdecken!
Nach dem Messestress muss ich unbedingt raus an die frische Luft. „Einfach so spazieren gehen“ ist aber kein Plan, den wir unseren Jungs gut verkaufen können. Also muss ein Ziel her, und zwar ein cooles. Die geheimnisvollen Süntelbuchen von Bad Nenndorf sind auf jeden Fall ein guter Programmpunkt für einen Wochenendspaziergang.

Exzentrische Süntelbuchen: die schönste Sehenswürdigkeit von Bad Nenndorf.
Damit die Jungs nicht nur mäßig interessiert, sondern hochmotiviert ins Auto steigen, werfe ich außerdem das neu entdeckte Zauberwort ein: Geocaching.
Geocaching in Bad Nenndorf
Die moderne Form der Schatzsuche erfordert ein Handy mit mobilem Internet und GPS-Empfang (zumindest wird es ohne dies recht kompliziert). Wir sind blutige Anfänger in dieser Art der Freizeitgestaltung, aber das Schöne ist, dass wir trotzdem einfach loslegen können. Wir müssen uns nur auf der entsprechenden Internetseite einloggen und nachgucken, wo in der Nähe ein Geocache versteckt ist. Überall in Deutschland (und der ganzen Welt) haben Vertreter dieser eingeschworenen Gemeinschaft kleine Schatzkästchen versteckt. Die Schatzkarte ist online einsehbar, aber meistens so verschlüsselt, dass einiges Um-die-Ecke-Denken erforderlich ist, um zum Ziel zu gelangen. Dank GPS-Koordinaten führt die entsprechende App uns bis auf wenige Meter genau an den Ort des Geheimverstecks – aber ob die meist aus Metall bestehende Dose irgendwo im Untergrund, irgendwo zwischen oder irgendwo drin versteckt ist, ob wir graben, prokeln, fingern oder einfach nur die Augen aufmachen müssen, verraten uns nur verschlüsselte Hinweise.
In Bad Nenndorf gibt es eine ganze Reihe von Caches, also versteckten Schätzen. Wir starten mit dem, der in der Fußgängerzone ausgeschrieben ist. Es ist ein so genannter Multi-Cache, der von einem Geheimversteck zum nächsten führt. Die Jungs benutzen Martins Smartphone wie eine Wünschelrute und laufen begeistert vorneweg, während ich noch einzelne Fassaden bewundere und kurz vorm samstäglichen Ladenschluss schnell ein bisschen Tee im kleinen Fachgeschäft kaufe. Bad Nenndorf ist nicht groß, hat aber wegen der vielen Kurgäste durchaus ein Bummel-Potenzial.

Aufgrund der Kurgeschichte stehen in Bad Nenndorf etliche repräsentative Logierhäuser. Haus Hannover ist eines davon.
Bei Martin und den Jungs macht sich währenddessen Enttäuschung breit. Der Cache ist nichts für Anfänger. Wir sind uns ziemlich sicher, in welchem öffentlichen Blumenbeet der Schatz verborgen sein muss, und auch das Hinweis-Wort gibt uns Ideen, aber unsere Suche ist einfach nicht von Erfolg gekrönt. Nachdem wir eine Viertelstunde möglichst unauffällig alles abgesucht haben, geben wir frustriert auf. Die Kommentare auf der Internetseite verraten uns nämlich, dass die erste Herausforderung noch die leichteste ist – und ohne deren genauen Fundort kommen wir sowieso nicht weiter.

Geocaching für Anfänger: durchaus mal frustrierend, wenn sich kein Schatz finden lässt.
Zum Glück gibt es noch andere Geocaching-Schatzsuchen. Ein weiterer Startpunkt befindet sich ganz in der Nähe. Janis führt uns zu den Koordinaten, die uns das Handy gibt. Von hier aus sollen wir uns für den „Seeweg“ oder den „Landweg“ entscheiden, lautet die kryptische Anweisung des Versteckers. Das Bild auf dem Handy-Display zeigt eine Seeroute rund um den afrikanischen Kontinent. Ich platze fast vor Stolz, als Janis auf Anhieb weiß, welcher große Entdecker diese Strecke als erster gefahren ist. Leider bringt uns dessen Name erst einmal auch nicht weiter. Also beschreiten wir doch den „Landweg“.
Ich möchte an dieser Stelle nicht zu viel verraten, gilt es doch als größtes Unglück, wenn ein uneingeweihter „Muggel“ eine Dose einfach so aus ihrem Versteck fischen kann. Jedenfalls dauert es eine ganze Weile, bis wir dem Geheimnis auf die Spur kommen, aber ich knacke den entscheidenden Hinweis, Martin treibt uns mit Hartnäckigkeit ans Ziel und Janis findet am Ende den kleinen Metallcontainer mit dem Logbuch (in dem wir uns stolz verewigen könnten, wenn wir denn einen Stift dabei hätten).

Ein Bild vom erfolgreichen Schatzsucher, das hoffentlich nicht zu viel verrät.
Spaziergang im Kurpark
Durch die Fußgängerzone laufen wir zurück und ins Herz von Bad Nenndorf: in den Kurpark. Durch seine stark schwefelhaltigen Quellen wurde der kleine Ort schon in der frühen Neuzeit zum Pilgerziel für Rheumakranke. Auch bei Gicht und verschiedenen Hautkrankheiten versprechen die Schwefelbäder Linderung. Landgraf Wilhelm IX. von Hessen-Kassel, zu dessen Herrschaftsgebiet das kleine Dorf damals gehörte, kurte 1786 erstmalig in Bad Nenndorf und begründete damit einen wahren Hype in der High Society seiner Zeit. Noch heute kann man auf Wilhelms Spuren in der Landgrafentherme planschen.
Die meisten Adligen und Wohlhabenden lockten damals freilich nicht nur die Schwefelbäder, sondern auch das staatlich konzessionierte Glücksspiel. Gewinner waren vor allem der Landesherr, der dadurch erhebliche Steuergelder kassierte, und Bad Nenndorf selbst, das dieser Zeit Prachtbauten wie das Landgrafenhaus und das klassizistische Schlösschen verdankt.

Flanieren im Kurpark Bad Nenndorf (wobei dieses Bild in Wirklichkeit den Titel “Ork-Krieger auf Expedition” tragen sollte, wenn ich mich recht erinnere).
Damals wie heute flanieren die Besucher im Kurpark, in dem etliche exotische Bäume wachsen. Im zeitigen Frühling ist natürlich noch nicht alles grün. Auch der Minigolfplatz ist noch nicht geöffnet, sehr zum Leidwesen der Jungs. So sehen wir nur dem Personal zu, das in der verhaltenen Märzsonne die Bahnen auf Vordermann bringt. Bei unserem nächsten Besuch wollen wir unbedingt eine Runde Minigolf spielen, nehmen wir uns vor.

Im Kurpark von Bad Nenndorf gibt es einige Mammutbäume, die schon eine beachtliche Größe erreicht haben.
Bis dahin müssen sich die Kinder auf den kleinen Spielplatz in Richtung Parkstraße beschränken. In der Parkstraße kann man übrigens tatsächlich gut und kostenlos Parken.

Die Ork-Bande ist auf dem Kurpark-Spielplatz angekommen.
Die Süntelbuchen von Bad Nenndorf
Und dann treffen wir endlich auf Bad Nenndorfs Hauptsehenswürdigkeit: die Süntelbuchen. Sie wachsen am oberen Ende des Kurparks. Rote Schilder weisen uns den Weg.
Eigentlich sind es ganz normale Rotbuchen. „Normal“ ist jedoch nicht das Wort, das uns bei ihrem Anblick in den Sinn kommt. „Verhext“ schon eher. Die gedrungenen Bäume recken sich zickzackartig mal dem Himmel, mal der Hölle entgegen. Manche Äste wachsen regelrecht im Kreis. Wie diese Anomalie entstehen konnte, ist wissenschaftlich noch ungeklärt. Anscheinend handelt es sich um einen Gendefekt, der sich auf beschränktem lokalen Raum jedoch durchsetzen konnte. Dem Namen nach ist der Süntel ihr Ursprungsgebiet, ein bewaldeter Höhenzug nördlich von Hameln und damit ein gutes Stück von Bad Nenndorf entfernt. Auch hier aber soll die Süntelbuche „schon immer“ gehäuft vorgekommen sein. Beliebt war das „Teufelsholz“ früher nicht, denn durch den uneinheitlichen Wuchs war es zum Tischlern und sogar als Brennholz unbrauchbar, weil man es nicht vernünftig stapeln konnte. Im Mittelalter soll es regelrechte Pogrome gegen die „teuflischen“ Bäume gegeben haben. Trotzdem wachsen sie noch heute von Natur aus in den Bad Nenndorfer Wäldern, zumindest auf der Cäcilienhöhe und im Erlengrund.

Kurios: Die Äste der Süntelbuche wachsen im Zickzack und manchmal sogar im Kreis.
Der Hofgärtner Wilhelm Heinrich Homburg bekundet Anfang des 19. Jahrhunderts zum ersten Mal ernsthaftes botanisches Interesse an der Süntelbuche. Dass es im Bad Nenndorfer Kurpark eine ganze Allee von Süntelbuchen gibt, verdankt die Stadt dann dem Gartenbaumeister Carl Thon. Der pflanzte sie um 1930 gezielt an, um die neu geschaffene Liegewiese im Park vom Wind abzuschirmen.
Mittlerweile kommen die betagten Exemplare in die Jahre, zumal die Evolution der unentschlossenen Wuchsrichtung nicht eben wohlwollend gegenübersteht. Rotbuchen können 300 Jahre alt werden, Süntelbuchen schaffen selten mehr als die Hälfte. Die Exemplare im Bad Nenndorfer Kurpark müssen besondere Belastungen über sich ergehen lassen, denn nicht jeder hält sich ans Kletterverbot und den frommen Wunsch der Stadtverwaltung, man möge den botanischen Sehenswürdigkeiten nicht zu nahe treten.
An verschiedenen Stellen versucht man eine Aufforstung in Sachen Süntelbuchen. Eine zusätzliche Schwierigkeit besteht jedoch, weil sich erst nach mehreren Jahren sagen lässt, ob aus dem Süntelbuchensamen der erwünschte Teufelsbaum schlüpft, oder eine ganz normale Rotbuche empor wächst.

Oberhalb vom “Schlösschen” befindet sich ein kleiner Süntelbuchen-Kindergarten.
Kaffeetrinken im „Schlösschen“
Nach dieser Wanderung quer durch Stadt und Park haben wir uns eine Einkehr verdient. Das schönste Café von Bad Nenndorf befindet sich im Schlösschen, mitten im Kurpark. Kurfürst Wilhelm I. ließ es sich 1806 als Sommerresidenz erbauen. Kurze Zeit später zog König Jérôme von Westfalen ein. Napoleons Bruder erwarb sich hier den Ruf eines feierfreudigen Lebemanns und war nicht von ungefähr unter dem Spitznamen „König Lustik“ bekannt.
Auch heute erlebt das Schlösschen noch manch rauschende Ballnacht, zumal das Trauzimmer der Gemeinde sich mit im Haus befindet und sich eine anschließende Hochzeitsfeier im Gartensaal anbietet.

Mein Lieblingsteil jedes Wochenendausflugs: Cappuccino und Schokoladenkuchen, diesmal im Schlösschen Bad Nenndorf.
Wir belassen es bei einem Stück Kuchen mit Ausblick auf die Kurpromenade und das Große Badehaus. Die Jungs lassen ausrichten, dass die heiße Schokolade hier besonders gut schmeckt.
Transparenz-Hinweis: Dafür, dass ich immer mal wieder über Schaumburg schreibe, erhalte ich dankenswerterweise einen finanziellen Zuschuss vom Schaumburger Land Tourismusmarketing e.V. Technisch gesehen muss ich diesen Beitrag deswegen als WERBUNG klassifizieren, auch wenn ich bei Inhalt und Gestaltung völlig frei und unabhängig bin.
Du hast mich tatsächlich gerade motiviert, meine Uniunterlagen mal wieder hervorzukramen ;-) Wir haben vor zwei Jahren eine Exkursion zum Süntelbuchenreservat gemacht, aber ich habe mir anscheinend auch nichts Genaueres zu der Entstehung der Süntelbuchen aufgeschrieben. War aber auch irgendwie eine merkwürdige Exkursion und auch noch superkalt an dem Tag. Seit dem nennt mein Freund seinen Tanzstil übrigens “süntelig” ;-)
Yeah, tanz die Süntelbuche! Kann ich mir sehr gut vorstellen. :)
Hach ich liebe solche Beiträge, sie zeigen immer wieder, was es tolles in Deutschland zu entdecken gibt und da gibt es wirklich sau viel!
Geocaching machen wir auch immer wieder und mein Sohn kann es gar nicht verstehen, dass wir manchmal den Schatz einfach nicht finden. Das kommt vor allem dann vor, wenn er mit seinem blindfischigen Vater unterwegs ist :)
Liebe Grüße,
Marc
Ich sag’s dir, das ganze Land ist voll von Geheimtipps! :)
Unsere Geocaching-Quote ist bisher ziemlich traurig: drei Mal gefunden, zwei Mal nicht. Ich denke, mit der Zeit bekommt man ein Gespür dafür, wo und in welcher Größenordnung man suchen muss. Also, ich hege noch Hoffnung! :) Konkret entdeckt hat die Dose übrigens zwei Mal Janis und einmal ich. Kinder sind da keinesfalls benachteiligt. :)
Ja, das mit dem Gespür dafür stimmt. Wir haben letzten einen Cache einfach so entdeckt. Ohne zu suchen, ohne App, aber es roch einfach krass nach Cache und da war dann auch einer.
Und ja, das Land ist tatsächlich voller Geheimtipps! Ich bin selbst immer wieder erstaunt, was ich bei meinen Streifzügen druchs Netz alles entdecke.