Jedes Jahr unternehmen wir mit den Kindern eine Rundreise mit dem Auto, seit Janis drei Jahre und Silas neun Monate alt waren. Etwa alle zwei Tage wechseln wir unser Quartier. Im Großbritannien-Urlaub haben wir in gut drei Wochen 4800 Kilometer zurückgelegt, sehr viel weniger war das auch in den Jahren davor nicht. Das ist kein Pappenstiel und bedeutet einiges an Fahrzeit. Trotzdem ist der Auto-Koller bei den Jungs der absolute Ausnahme-Zustand, und fast immer steigen sie freudig ein, um neuen Abenteuern entgegenzubrausen. Hier sind unsere Top 5 Tipps für entspanntes Autofahren in Familie.  

The kids are happy to be on the road again as we pass the first cliché greenhouses of the Netherlands.

The kids are happy to be on the road again as we pass the first cliché greenhouses of the Netherlands.

  1. Keine langen Autofahrten unternehmen. Möööp, super Tipp, wenn das Ferienziel nun aber weit entfernt ist. Gut, formulieren wir es anders: Lange Autofahrten regelmäßig unterbrechen. Spätestens nach vier Stunden sind unsere Fahrten zu Ende. Heißt: Wir machen keine kurze oder auch längere Rast, sondern verbuchen den Aufenthalt zumindest psychologisch unter: „Sie haben Ihr Ziel erreicht.“ Von vornherein suchen wir uns eine Sehenswürdigkeit oder eine Stadt aus (oder kündigen zumindest an, dass wir irgendwohin in die Yorkshire Dales fahren). Wenn möglich, planen wir unsere Strecken so, dass wir gar nicht länger als vier Stunden pro Tag im Auto sitzen müssen. Haben wir uns aus irgendeinem Grund doch für eine längere Strecke entschieden, kann es auch ein Vormittags- und ein Nachmittags-Ziel geben, und zur Not müssen wir dann abends bis zu unserem Übernachtungsort noch mal ein bisschen fahren. Der stressige Fahr-Tag mit Mammut-Sitz-Sessions entfällt. Und spannende Dinge links und rechts des Weges, bei denen es anzuhalten lohnt, gibt es überall mehr als genug!
  2. Kein Zucker auf dem Rücksitz. Ich glaube, ernährungswissenschaftlich ist es immer noch ein bisschen umstritten, ob ADHS-Symptome und raffinierter Zucker nun kausal zusammenhängen oder nicht. Aus meiner ganz unwissenschaftlichen Müttererfahrung im Umgang mit Nicht-ADHS-Trägern kann ich jedenfalls beisteuern: Ich kenne mehr als ein Kind, das nach dem Genuss selbst geringer Mengen Süßigkeiten freidreht. Bei Janis ist das extrem. Bei Silas macht es sich nicht ganz so sehr bemerkbar, aber auch der braucht oft nach einer Portion Zuckerzeug dringend Auslauf. In so einem Zustand im Auto stillsitzen zu müssen, wäre für alle Beteiligten eine Tortur. Kinder auf langen Autofahrten mit Gummibärchen und Konsorten bei Laune halten zu wollen, halte ich deshalb für äußerst kontraproduktiv (ganz Ähnliches gilt ernährungsphysiologisch übrigens für Weißmehl, also auch helle Brötchen, Laugenstangen etc.). Deshalb gibt’s bei uns grundsätzlich nichts Süßes im Auto. Trotzdem bin ich für:
  3. Autarke Selbstversorgung der Kinder. Autofahrten dürfen ruhig bequem sein. Zu Schulzeiten wird zwar auch bei uns im Auto nicht gegessen, aber auf Reisen machen wir da rituell eine Ausnahme. Jedes Kind wird schon vor Fahrtantritt versorgt mit Trinkflasche und Brotdose und kann sich während der Reise nach Belieben bedienen. Missgeschicke sind nicht so schlimm, denn in der Flasche ist nur Leitungswasser (unser Standard-Getränk nicht nur auf Reisen). Das trocknet geruchs- und fleckenlos. Da wir die richtigen Mahlzeiten gern als Familienpicknick zelebrieren, gibt’s in der Brotdose nur Kleinigkeiten wie Äpfel und Nüsse. Zum vollkommenen Wohlfühl-Set gehören noch ein Feuchttuch gegen klebrige Finger, ein kleines Kissen und die Sonnenbrille. Umfasst die Strecke Autobahnen oder ähnlich gerade Straßen, darf in den Taschen hinter den Vordersitzen auch eine kleine Bibliothek bestückt werden. Wenn nicht, dann lieber nicht, und in jedem Fall gehört auch eins von diesen praktischen Ein-Kilo-Joghurteimerchen in Reichweite zur Grundausstattung. Auch dieser Gebrauchsgegenstand wird bei Bedarf mittlerweile völlig autark verwendet („Papa, du musst mal anhalten!“ – „Wieso?“ – „Das Eimerchen ist voll.“ – „Oh.“).

    Well equipped on the backseat: to stock the kids with all things neccessary is one of our 5 tips for traveling by car with kids. (Let me know if you want the full translation. I'll do it on demand. ;) )

    Well equipped on the backseat: to stock the kids with all things neccessary is one of our 5 tips for traveling by car with kids. (Let me know if you want the full translation. I’ll do it on demand. ;) )

  4. Fahrzeit als Familienzeit nutzen. Wann sonst hat man so viel Zeit, um endlich einmal über all das zu reden, für das im Alltag kein Raum bleibt? Wir führen lange Gespräche über Gott und die Welt. Vor allem Reflexionen über unsere Erlebnisse bieten sich an: „Was hat euch heute am besten gefallen?“, „Woran hat euch das Gesehene erinnert, wo haben wir schon einmal etwas ganz Ähnliches erlebt?“, „Was war gut/schlecht/merkwürdig/anders als zu Hause bei unseren Couchsurfern oder in der Jugendherberge?“ Ich breite bei diesen Gelegenheiten auch gerne die geschichtlichen Zusammenhänge vor meinen Kindern aus, und glücklicherweise hören sie mir dabei sogar gerne zu. Der Papa steuert die technischen Details bei und beantwortet naturwissenschaftliche Fragen (O-Ton Silas: „So, Papa, jetzt hast du endlich einmal Zeit, mir zu erklären, woher die Schwarzen Löcher kommen!“).
  5. Hörbücher hören! Spätestens wenn wir uns den Mund fusselig geredet haben oder wenn ein bisschen Entspannung angesagt ist, schalten wir den CD-Player ein. Uns vorher in der Bücherei mit der entsprechenden Lektüre zu versorgen, ist schon zu einem geliebten Ritual geworden. Es gibt viele, viele Kinderbücher, die die ganze Familie sich mit Freuden anhören kann. Astrid Lindgren zum Beispiel, na, die ganzen Klassiker halt. Aber auch viel Neues. Unsere aktuelle Entdeckung: „Die Legende der Wächter“ von Kathryn Lasky. Eine sehr schöne Liste hat Gabi von den 5 Reicherts hier  zusammengestellt, die das ähnlich handhabt wie wir.

Und zum Schluss noch mal ein kleiner Bericht von der Probe aufs Exempel. Vorletztes Wochenende fuhren wir mal wieder an die Ostsee. Als Abstecher – gemäß Tipp 1 – haben wir einen Aufenthalt in Lübeck geplant (das übrigens wunderschön und jede Pause wert ist). Da ich zu diesem Zeitpunkt innerlich schon meine Tipps zusammenstellte, fragte ich die Jungs – gemäß Tipp 4: „Was haltet ihr eigentlich von solchen langen Autofahrten? Findet ihr die blöd?“ Da waren wir ungefähr eine gute Stunde unterwegs und gerade mit der ersten Runde Hörbuch durch. „“, sagten beide Kinder wie aus einem Mund. „Können wir jetzt weiterhören?“ fragte Silas. „Erzählt mir doch bitte erstmal, warum ihr Autofahrten mögt!“ bat ich. Silas verdrehte die Augen. Janis sagte: „Mögen ist vielleicht übertrieben. Aber ich hab nichts gegen sie. Vor allem nicht, wenn wir neue Hörbücher haben. Und auch wenn nicht, kann man ja auch immer aus dem Fenster gucken und sieht was Neues, über das man sich unterhalten kann.“

Eine weitere Stunde später war das Hörbuch durch, und Silas sagte: „Mama… Vorhin, als ich sagte, Autofahrten würden mir nichts ausmachen – da habe ich mich geirrt.“ Zum Glück kam in dem Moment schon das Schild für die Lübeck-Ausfahrt in Sicht. :)

PS: Mehr gute Tipps für das Reisen mit Kindern im Allgemeinen hat Oliver Zwahlen vom Weltreisemagazin zusammengestellt und dafür bloggende Familien befragt. Wir sind auch dabei!